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Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/zb/dpa (Symbolfoto)
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/zb/dpa (Symbolfoto)

Kaum eine Unfallstelle im Landkreis Augsburg ohne Gaffer. Oft haben sie sogar die Kamera gezückt.

Landkreis Augsburg
06.12.2021

Nach Unfall auf A8: Rettungskräfte erleben kaum einen Einsatz ohne Gaffer

Von Marco Keitel, Lisa Weißenberger

Plus Wo es im Landkreis Augsburg zu einem größeren Unfall kommt, gibt es meist auch Schaulustige. Die sorgen oft für zusätzliche Gefahr. Das sagen Einsatzkräfte.

Auf der A8 hat es am Freitag gekracht. Weil ein Autofahrer bei Adelsried auf der linken Spur übersehen hat, dass der Kleintransporter vor ihm abbremst, ist er diesem aufgefahren. Der Wagen hat den Transporter in das Auto davor gedrückt. Drei Beteiligte wurden leicht verletzt in die Klinik gebracht. Für einen Hubschraubereinsatz hat die Polizei die Autobahn für 20 Minuten gesperrt. Zwei Spuren blieben danach noch ein paar Stunden gesperrt, während Feuerwehrleute die stark beschädigten Autos weggeräumt haben. Unfälle wie diesen gibt es auf der A8 regelmäßig. Was häufig auch dazugehört, sind Gafferinnen und Gaffer – Menschen, die einen möglichst freien Blick auf Schaden und Verletzte bekommen wollen und die Situation oft sogar filmen.

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So war es auch bei Adelsried. Während er an der Unfallstelle vorbeifuhr, zückte ein Mann sein Handy und filmte. Autobahnpolizisten hielten ihn direkt an. Die Konsequenz: 100 Euro Strafe, die der Mann an Ort und Stelle bezahlte. Die gab es aber nicht für das Filmen, sondern für die Nutzung des Telefons am Steuer. Josef Sitterer, Leiter der Autobahnpolizei Gersthofen, sieht bei solchem Verhalten zwei große Probleme. Zum einen sei es moralisch verwerflich, dort zu filmen, wo großer Schaden entstanden ist und eventuell sogar Verletzte zu sehen sind. Dazu komme: "Man wird zum Hindernis auf der Fahrbahn." Denn oft bremsen filmende Fahrerinnen und Fahrer stark ab oder bleiben sogar kurz stehen. Außerdem lenke das Filmen sie ab, an Stellen, wo die Autobahn wegen des Unfalls ohnehin oft nur einspurig verlaufe, also besondere Aufmerksamkeit geboten sei.

Wenn Schaulustige zu nahe kommen: "So etwas bringen wir zur Anzeige"

Schaulustige und Filmende gehören bei Unfällen leider dazu, erklärt Autobahnpolizist Sitterer. Der Einsatz von Sichtschutzwänden sei deshalb für die Feuerwehr inzwischen gang und gäbe. Er selbst habe schon einen Fall erlebt, bei dem ein Mann im Stau aus seinem Fahrzeug ausgestiegen sei, um vor zur Unfallstelle zu laufen. Dort habe er sich zwischen die Feuerwehrleute gestellt und die Hilfeleistenden bei der Arbeit behindert. "So etwas bringen wir zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft." Die Behinderung von hilfeleistenden Personen ist eine Straftat.

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Die Feuerwehr Gersthofen sei nur am Rande des Unfalls am Freitag auf der A8 im Einsatz gewesen, wie Kommandant Wolfgang Baumeister erzählt. Der Hund eines Unfallbeteiligten musste ins Tierheim gebracht werden. Und sogar da: Während die Feuerwehrleute sich ihren Weg durch den Stau bahnten, habe ein Lastwagenfahrer sie gefilmt. Noch schlimmer findet Baumeister Schaulustige, die versuchen, so nahe wie möglich an den Unfall heranzukommen. "Das Unangenehme sind die Gaffer, die direkt an der Einsatzstelle filmen. Da muss man energisch dagegen vorgehen." Am wichtigsten ist für Baumeister, dass die Autos im Stau Platz für eine Rettungsgasse lassen. Das sei am Freitag auf der A8 nicht der Fall gewesen, an manchen Stellen seien Lastwagen auf zwei Spuren nebeneinander gestanden.

Feuerwehrkommandant: "Wo fängt Gaffen an und wo hört es auf?"

In Berlin haben die Rettungskräfte der Johanniter nun einige Fahrzeuge mit riesigen QR-Codes bedrucken lassen. Filmt jemand an einer Unfallstelle und der Code gerät vor die Handylinse, erscheint sofort ein Hinweis: "Gaffen tötet!" Die Idee sei nicht schlecht, sagt Baumeister. Dem Einsatz auf Feuerwehrautos steht er skeptisch gegenüber. Denn durch einen großflächigen QR-Code könnte der Wagen etwas von seiner Warnwirkung einbüßen, die durch Signalfarben und Lichter erzeugt wird.

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Foto: Marcus Merk
Foto: Marcus Merk

Unfälle passieren auf der A8 regelmäßig, so wie hier bei Adelsried. Wenn sich Stau bildet, will mancher ganz genau sehen, was passiert ist.

"Wo fängt Gaffen an und wo hört es auf?" Laut Stefan Weldishofer, Kommandant der Feuerwehr Zusmarshausen, lässt sich das nicht immer klar sagen. Schauen würde schließlich fast jeder, wenn er an einem Unfall vorbeifährt. Er sagt: "Spätestens wenn gefilmt oder fotografiert wird und die Autos fast zum Stehen kommen, hört für mich der Spaß auf." Er findet es gut, dass die Polizei immer stärker darauf achte, die Gaffer zur Rechenschaft zu ziehen. In den meisten Fällen hält Weldishofer das jedoch für schwer durchsetzbar. In Unfallsituationen bleibe selten genug Zeit dafür und der Verkehr komme dadurch noch mehr zum Stocken, vermutet er. Um Verletzte und Rettungskräfte vor den Blicken der Gaffer zu schützen stelle die Zusmarshauser Feuerwehr oft einen Sichtschutz auf, erklärt der Kommandant. "Ich würde selbst auch nicht wollen, dass ich in so einer Situation fotografiert werde."

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