Sage noch einer, es gebe keinen Fortschritt! In Zeiten des Fachkräftemangels, in heutigen Zeiten heftig umworbener Ausbildungskandidaten, sollte man sich einmal vor Augen halten, wie das so war vor 500 Jahren, wenn einer, nicht eine – dies war noch nicht erlaubt – Silber- und Goldschmied werden wollte in Augsburg. Die Hürden waren erheblich. Erstens musste der Bub ehelich geboren sein, zweitens ging es mit zwölf Jahren schon los, drittens hatte Lehrgeld gezahlt zu werden für die Ausbildung, viertens dauerte diese vier bis sechs Jahre, was sich um zwei Jahre verlängern konnte, wenn es an Lehrgeld mangelte ...
Und wenn dann einer endlich – durch das Schmieden eines goldenen Rings, durch das Schneiden eines Siegels und durch das Treiben eines silbernen Tafelgeschirrs – zum Meister wurde (so 1529 die drei Prüfungsaufgaben), dann hatte er sich die sogenannte Meistergerechtigkeit noch zu erkaufen – so er nicht die Witwe eines verstorbenen Kollegen ehelichen wollte. Merke: Mit Handküssen war der Erwerbseinstieg nicht gesegnet. Und für Frauen – wie gesagt – unerlaubt. Das wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts möglich.
Das Silber im Maximilianmuseum stammte aus dem Erzgebirge oder Tirol
Immerhin bot das Handwerk des Silberschmieds für Könner ein Auskommen. Zumal im 17. Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg sowie im 18. Jahrhundert. Die alte Reichsstadt war seinerzeit ein Zentrum für erstrangige Arbeiten aus den Edelmetallen, nachdem hier schon Mitte des 15. Jahrhunderts der Silberhandel eingesetzt hatte. Herbeigeschafft wurde das kostbare Material damals aus dem Erzgebirge und aus Tirol, später aus Mittel- und Südamerika über die Kolonialmacht Spanien. Wenn heute die Silberschmieden Augsburgs an zwei Händen abzuzählen sind, dann waren es 1750 um die 250 Meister, die am Lech hämmerten, damals vor allem rund um Kitzenmarkt, Dom und Holl-Platz. Zum Vergleich: In München werkelten 16.
Die Produktionsmenge also: erheblich. Und längst hatte sich neben dem Einzelhandel, dem direkten Verkauf aus der Werkstatt heraus, auch so etwas wie ein Silber-"Großhandel" etabliert. Beim Silberhändler, der in aller Regel kein Schmied war, gab der europäische Adel und Hochadel seine Wünsche bekannt und in Auftrag, dort kaufte er, von ihm wurde er beliefert. Und die Silberhändler ihrerseits reichten die Wünsche verteilend weiter in die Werkstätten, je nach Können, Spezialisierung, Kapazität. Damit aber das blaue Blut aus Land und Stadt und aus den Fürstenhäusern auch Besitzwünsche weckendes Anschauungsmaterial erhalte, wurden in Augsburg ab 1710 sogenannte Silbergewölbe an bevorzugtem Platz, in Eins1a-Lage, eingerichtet: zwischen St. Moritz und Rathaus. Christoph Emmendörffer, Leiter des Maximilianmuseums, sagt scherzhaft: "Showrooms."
300 Silberobjekte zeugen vom kunsthistorischen Ruf Augsburgs
Womit wir in der Gegenwart sind. Denn solch ein "Silbergewölbe", solch ein "Showroom" ist jetzt und für die nächste Zeit auch im Maximilianmuseum eingerichtet. Dort lässt sich nachlesen und lernen, was es zur Geschichte des Silbers in Augsburg zu erklären gibt. Dort sind – zeitübergreifend – rund 300 blank geputzte Objekte präsentiert, die den kunsthistorischen Ruf Augsburgs untermauern. Sie stammen zwar aus dem Magazin des Maximilianmuseums, aber weil dieses in seinem 170. Lebensjahr so viel an Gold und Silber durch Kauf, Geschenk, Vermächtnis besitzt, könne es mit Erstklassigem auch aus dem Magazin aufwarten, beteuert Emmendörffer mit Blick auf Trinkpokale, Weinschalen, Tafelaufsätze, Prunkplatten, Humpen, Becher, Galanterieware, Bestecke und Sakralsilber – wobei nicht wenige Objekte zum Vermächtnis des 2016 verstorbenen, generösen Sammlers Kurt F. Viermetz gehören.
Museumsleiter Emmendörfer hat die Schau kuratiert, die hinsichtlich eines "Silbergewölbes" insofern nicht ganz authentisch ist, als sie auch Augsburger Kunsthandwerk zeigt, das schon vor der Existenz von "Silbergewölben" gefertigt wurde sowie hernach. Bis hin ins 20. Jahrhundert, bis hin zu verzweigten Art-déco-Kerzenleuchtern und einen Siegerpokal des Schwäbischen Automobilclubs (1929) reichen die rund 300 Exponate, die ausgesprochen dicht – wie in einem Auktionshaus – mit Zettelanhängern präsentiert sind, freilich unverkäuflich. Funktion, Meister, Entstehungsjahr und -ort, Material, Technik und Inventarnummer sind auf diesen Anhängern vermerkt; darüber hinaus erfährt der geneigte Betrachter allerdings bedauerlicherweise wenig oder gar nichts zum jeweiligen Einzelobjekt. Gerade hinsichtlich der Silberrelief-Kopien vom berühmten Pommerschen Kunstschrank aus Augsburg und vom Rügenwalder Altar mit einem David inmitten musizierender Himmelsscharen wäre zusätzliche Information für die Allgemeinheit dienlich. Also hat sich das Publikum vor allem an Form, Verarbeitung und Glanz sattzusehen.