Der Regisseur Marco Milling hat keine Angst vor den harten Themen – das spürt man, wenn er über seine nächste Inszenierung spricht: "In diesem Stück geht es um die Polarisierung der Gesellschaft. Um Menschen, die sich vom System abgehängt fühlen, um den Hass gegen 'die da oben'." Klingt nach Zündstoff. Und diese Sprengkraft steckt schon im Titel: "Furor" heißt das Stück, das Milling jetzt am Augsburger Sensemble-Theater auf die Bühne bringt.
Marco Milling inszeniert "Furor" von Lutz Hübner und Sarah Nemitz
Der Plot? Ein Oberbürgermeister besucht eine Altenpflegerin: Nachdem er ihren Sohn bei einem Autounfall schwer verletzt hat, will er seine Hilfe anbieten. Oder möchte er die Familie nur manipulieren, um den Skandal aus seinem Wahlkampf herauszuhalten? Der Neffe der Pflegerin ist von der Schuld des Politikers überzeugt. Als Paketbote in prekären Arbeitsbedingungen steckt er tief in der Meinungsfilterblase der Wütenden – und sieht seine Chance, mit "denen da oben" abzurechnen.
In die Riege der Regisseure, die am Sensemble-Theater schon inszeniert haben, reiht sich jetzt ein neuer Name ein: Marco Milling arbeitet hier zum ersten Mal. Trotzdem kennt er das Haus sehr gut: "Ich komme selbst aus Augsburg, immer wieder hatte ich Berührungspunkte mit dem Sensemble. Ich schätze hier die konzentrierte Arbeit, das Handgemachte, die vertrauten Arbeitsbedingungen." Klingt harmonisch? Dabei soll es zwischen den Figuren krachen: Die Schauspieler Marina Lötschert, Julian Baschab und Raschid Daniel Sidgi bringen den Furor auf die Bühne, in diesem Stück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz.
Im Sensemble-Theater geht Marco Milling auch der Geschichte der Wut nach
Hassnachrichten im Netz, wütende Filterblasen in sozialen Netzwerken – dieses Phänomen beobachtet Milling. "Mir geht es im Theater aber nicht darum, Antworten zu liefern, sondern zu Fragen zu stellen: Was sind die Mechanismen, die den Furor erzeugen?" Dabei will er mit der Inszenierung nicht nur ins Netz blicken, sondern auch auf die Historie: Der trotzige Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist, der berüchtigte König Richard III., solche Figuren will Milling aufgreifen – im Blick auf Macht und Widerstand. Aus der Geschichte heraus die Gegenwart verstehen: Was passiert, wenn man es sich heute in der Filterblase gemütlich macht, wenn man sich nur mit Gleichgesinnten umgibt, dieselbe Wut, dieselbe Meinung pflegt – aber dann die Blase platzt? "Es ist ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn die Gegensätze aufeinandertreffen würden?", sagt Milling. Und in Zeiten von künstlicher Intelligenz, Fake News und Photoshop stellt sich eine zweite Frage: "Wie setzt sich Wahrheit zusammen?"
Info: "Furor" am Sensemble-Theater, Premiere am Samstag, 13. April, um 20.30 Uhr.