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Foto: Matthias Balk, dpa
Foto: Matthias Balk, dpa

Vor einem Jahr begann der tiefe Fall des Linus Förster. Ab Montag steht er nun wegen mehrerer Sexualstraftaten vor Gericht. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Justiz
14.09.2017

Fataler Ausflug ins Rotlichtmilieu

Von Holger Sabinsky-Wolf

Vor einem Jahr will der Landtagsabgeordnete Linus Förster eine Prostituierte heimlich beim Sex filmen. Es folgt sein Absturz. Nun kommen im Prozess alle Schmuddelvorwürfe ans Licht

Es soll eine schnelle Nummer werden, aber es wird der schnelle Sturz ins Verderben. Am 9. September 2016 geht der Augsburger SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Linus Förster gegen 20 Uhr zu einer Prostituierten. Er vereinbart mit der Dame 15 Minuten Sex für 50 Euro. Aber Förster will ein bisschen mehr. Er platziert auf einem Stuhl unter seiner Kleidung eine Videokamera und will heimlich filmen. Doch die Prostituierte entdeckt das rote Lämpchen.

Ziemlich genau ein Jahr ist dieser Vorfall her, und was seitdem geschehen ist, lässt sich mit dem Begriff „Abstieg“ nur unzureichend beschreiben. Denn ab kommenden Montag muss sich Förster wegen mehrerer Sexualstraftaten vor dem Landgericht Augsburg verantworten. Unter anderem soll er schlafende, widerstandsunfähige Frauen missbraucht haben. Der Prozess findet vor der Jugendkammer statt, weil der Ex-Politiker auch wegen des Besitzes von mehr als 1300 Kinderporno-Dateien angeklagt ist. Förster droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Der 52 Jahre alte Linus Förster galt lange als politisches Talent der SPD in Bayern. Der promovierte Politikwissenschaftler saß ab 2003 im Landtag und war zuletzt Chef der Schwaben-SPD. Doch Linus Förster hatte auch eine andere Seite. Als Sänger in zwei Bands tobte er sich musikalisch aus, die Frauen lagen ihm zu Füßen. Und das nutzte Förster reichlich aus. Jeder im Großraum Augsburg, der ihn mehr oder weniger kannte, wusste das. Aber es ist ja nicht strafbar, sexuelle Kontakte mit mehreren Frauen gleichzeitig zu haben. Förster trieb es wild. Und irgendwann zu wild.

Der Prostituierten-Besuch im September vergangenen Jahres wird zum Fanal. Die Liebesdame bringt den Speicherchip der Kamera an sich. Förster will ihn sich zurückholen. Bei dem Gerangel verletzt er die Asiatin leicht an einem Finger. Laut Anklage soll Förster die Frau auch grob gepackt und aufs Bett geworfen haben. Daraufhin ruft sie eine Kollegin zu Hilfe und droht mit der Polizei. Förster zieht sich rasch an und verlässt die Bordellwohnung.

Die Prostituierte aber geht am nächsten Tag mit dem Chip zur Polizei und erstattet Anzeige gegen den ihr unbekannten Mann. Die Ermittler des Polizeipräsidiums Schwaben Nord stellen ein Foto ins Intranet, auf dem Försters Gesicht teilweise zu sehen ist. Ein paar Wochen später meldet sich eine Beamtin. Sie hat den Verdächtigen erkannt. Er war acht Jahre lang ihr Freund.

Am 15. November 2016 durchsuchen die Ermittler Linus Försters Augsburger Wohnung, seine Büroräume in der Augsburger SPD-Zentrale und sein Landtagsbüro in München. Sie werden fündig. Auf etlichen Festplatten finden sie heimlich gedrehte Aufnahmen, die ihn beim Sex mit Frauen zeigen. Förster hatte mehrere Kameras in seiner Wohnung versteckt. Eine der Frauen war offenkundig in einem Dämmerzustand, da sie vorher Schlaftabletten genommen hatte. Zudem stoßen die Beamten auf 814 kinderpornografische Fotos und 524 kinderpornografische Videos auf den Rechnern des Ex-Abgeordneten. Förster tritt von allen Ämtern zurück, legt sein Mandat nieder und verlässt die SPD. Seit Mitte Dezember 2016 sitzt Linus Förster in Untersuchungshaft. Es geht ihm psychisch schlecht.

Wie auch immer das Strafurteil ausfallen wird: Linus Förster wird gesellschaftlich wohl nie wieder Fuß fassen können. Sein Verteidiger Walter Rubach sagt, Förster sei „beruflich und privat erledigt“. Für den erfahrenen Strafverteidiger bleibt daher nur eine Strategie für den Prozess: ein Geständnis. „Herr Förster will versuchen, Erklärungen zu geben. Ausflüchte wird er nicht versuchen.“ Der Angeklagte habe auch vor, persönlich auf Fragen des Gerichts zu antworten. Das wird am ersten Prozesstag geschehen. Ein Geständnis dürfte die einzige Chance sein, die Strafe in einem einigermaßen erträglichen Rahmen zu halten. Mit etwas Glück könnte Förster mit knapp vier Jahren Gefängnis davonkommen. Rubach sagt: „Das ist kein Fall wie jeder andere.“

Linus Förster wusste offenbar, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Er wusste, dass er Grenzen überschritt, konnte aber nicht davon lassen. Er befand sich mehrfach in psychotherapeutischer Behandlung. Auch als die Polizei mit einem Haftbefehl kam, befand sich Förster in einer psychosomatischen Klinik im niederbayerischen Bad Griesbach. Nachdem er sich bei einer Party am Lagerfeuer an einer schlafenden Frau vergangen hatte, schrieb er das in sein Tagebuch. Vielleicht wird Linus Förster am Montag erklären können, warum er das tat. Und warum er einer selbst gebrannten CD den merkwürdigen Titel „Erotic Met Art 15 Peter Safty!“ gegeben hat.

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