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Foto: Rosengarten
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Blick in einen Verabschiedungsraum der Firma Rosengarten. Kundinnen und Kunden können dort vor der Kremation Abschied von ihrem Haustier nehmen. Im Raum hinter dem Fenster sieht man die Öffnung zum Ofen.

Lauingen
25.11.2021

Tierkrematorium in Lauingen: Das sagt der Betreiber zur Kritik

Von Jonathan Mayer

Plus Arndt Nietfeld will in Lauingen das erste Tierkrematorium seiner Firma in Süddeutschland bauen. Das hat zu heftigen Diskussionen geführt. Ein Gespräch über Fakten, Widerstand der Bürger und die Kommunikation der Stadt.

Herr Nietfeld, am vergangenen Wochenende war die Bürgerinitiative gegen das Tierkrematorium am Lauinger Marktplatz. Sie wollen es bauen und waren auch da. Wie war’s?

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Arndt Nietfeld: Wir haben einige gute Gespräche geführt und haben Zuspruch wie auch Bedenken entgegengebracht bekommen. Es waren aber leider auch Menschen dabei, die uns auf unsachlicher Ebene begegnet sind, uns beleidigt und respektlose Vergleiche gezogen haben. Es waren aber durchaus auch Menschen dort, die unser Thema verstehen, die auch schon Kunde waren und die uns gegenüber aufgeschlossen sind.

Ihr Geschäft konzentriert sich auf die Bestattung und Kremierung von Tieren. Wer ist Ihre Zielgruppe?

Nietfeld: In den letzten 19 Jahren war das der Haustierbesitzer, der zu seinem Tier eine sehr enge Bindung hat. Also weniger der Hofhund oder die Katze aus dem Kuhstall. Die Tiere, die zu uns kommen, sind fester Bestandteil der Familie. Seit diesem Jahr haben wir auch einen Standort für Pferde. Viele Halter leben 25 oder 30 Jahre mit ihrem Pferd. Wir bieten eine würdevolle Feuerbestattung und nicht den herkömmlichen Weg über die Tierkörperbeseitigung an. Wir sind ein Bestattungsinstitut für Heimtiere wie auch Pferde und agieren sehr ähnlich zum Humankrematorium.

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Foto: Rosengarten
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Arndt Nietfeld leitet das Unternehmen Rosengarten.


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Es gab sehr viel Diskussion über die Mengen, die in Lauingen verbrannt werden sollen, über Emissionen. Nennen Sie doch ein paar Zahlen.

Nietfeld: Also grundsätzlich ist es so: Die Emission haben wir sauber dargelegt. Wir haben Messberichte von bestehenden Anlagen eingereicht, die deutlich zeigen, dass wir die Grenzwerte, die dieses Jahr vom Gesetzgeber neu definiert wurden, mit Abstand unterschreiten – und das schon seit Jahren. Und dass wir mit einer Technologie arbeiten, die auch von wissenschaftlicher Seite empfohlen wird. Emissionen, Geräusche und Gerüche werden gesetzlich definiert und entsprechend durch Fachbehörden überprüft. Was die Anzahl der Kremierungen angeht: Im ersten Schritt, wenn die Anlage im normalen Acht-Stunden-Betrieb läuft, peilen wir die Kremierung von circa 35 Haustieren in acht Stunden und zwei Pferden in der Woche an. Wenn man diesen Wert mal drei nimmt, kommt man auf eine Zahl, die für uns im Drei-Schicht-Betrieb realistisch und handelbar ist.

Das wären dann 105 Tiere am Tag. Dazu kommen sechs bis acht Pferde pro Woche. Die Bürgerinitiative glaubt Ihnen diese Zahlen nicht und hat deutlich höhere Werte errechnet. Von 37 Tonnen pro Woche ist da die Rede.

Nietfeld: Es wird sich in der Diskussion oft auf die Ofenkapazität bezogen. Diese kann aber nicht als Rechengrundlage verwendet werden. Der Wert bildet eine theoretische Größe, die in der Praxis keine Anwendung findet. Nehmen wir mal eine Pferdeeinäscherung: Die Brenner sind theoretisch in der Lage, 250 Kilo pro Stunde einzuäschern. In der Realität bieten wir nur Einzelkremierungen an und brauchen Zeit zur Vorbereitung, für die Verabschiedung vom Tier und auch im Ofen selbst gibt es verschiedene Prozessschritte. Egal, ob Hamster oder Pferd: Die einzelnen Schritte müssen durchlaufen werden. Und das mit entsprechender Pietät und Sorgfalt. Schlussendlich muss die Asche dann noch aus dem Ofen entnommen werden, bevor die nächste Einäscherung startet. Selbst bei einer großen Anlage wie in Badbergen – und so etwas haben wir in Lauingen nicht geplant – können Sie keine sieben Pferde in 24 Stunden einäschern, wie das gern behauptet wird. Die Bürgerinitiative rechnet die Ofenleistung auf 24 Stunden hoch und kommt so auf Werte, die in keiner Weise realistisch und zu erreichen sind. Hinzu kommt, dass derartige Mengen mit den geplanten Räumen und der Grundstücksgröße nicht bewältigt werden könnten.

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Foto: Rosengarten
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So unterschiedlich sehen die Krematorien der Firma Rosengarten aus: Hier der Eingang zum Pferdekrematorium in Badbergen. Nicht im Bild zu sehen ist die höhere Halle mit der Ofenanlage.

Es gibt die Befürchtung, dass Sie in ein paar Jahren expandieren.

Nietfeld: Ich habe in jedem Punkt Kompromissbereitschaft angekündigt. Angefangen bei dem Grundstück: Wenn jemand aus der Bürgerinitiative, in der ja Menschen mit sehr guten Netzwerken vertreten sind, eine Idee für einen anderen Standort hat, bin ich offen. Außerdem habe ich angekündigt, bei Bedenken das Auftragsvolumen zu limitieren und mit den Anwohnern Zahlen zu erarbeiten, die dann im Antrag fixiert und in der Genehmigung enthalten sind. Das Angebot wurde aber ignoriert.

Rechnet sich die Anlage noch, wenn Sie sich limitieren lassen?

Nietfeld: Es war ganz interessant zu lesen, dass die Bedenkenträger anscheinend besser über meine Kalkulationen Bescheid wissen als ich. Die Anlage ist keine Müllverbrennung. Wir reden hier über ein Tierkrematorium. Wir haben ganz klare, sauber definierte Prozessschritte, mit einem Dekra-zertifizierten Qualitätsmanagement und pietätvollem Umgang mit dem Tier. Zu unserem Angebot gehört die Abholung und Einäscherung des Tieres sowie die Begleitung des Besitzers. Aber auch die gewünschte Urne, ein Schmuckstück oder Ähnliches. Wir haben Zahlen genannt, die für uns eine gesunde Betriebsweise mit guter Qualität ermöglichen.

Haben Sie in Lauingen mit so viel Widerstand gerechnet? Und hatten Sie ähnliche Erfahrungen schon an anderen Standorten?

Nietfeld: Wir hatten mehrere Infoveranstaltungen, ich habe angeboten, dass man unsere Standorte besichtigen kann, auch gern spontan. Wir helfen täglich Menschen beim Abschied und bieten eine sehr emotionale Dienstleistung an. Da ist es schon schade, wenn man persönlich beleidigt wird und Vergleiche zur Müllverbrennung gezogen werden. Wir haben von unseren Standorten Stellungnahmen der Bürgermeister eingereicht. Dort steht oft, dass es anfangs Bedenken gab, sich diese aber in Luft aufgelöst haben. Das liest man übrigens auch über das Pferdekrematorium. Wir haben 300 Meter entfernt eine Kindertagesstätte und 80 Meter entfernt den ersten Nachbarn. Von dort gibt es ebenfalls Stellungnahmen (alle liegen der Redaktion vor, Anm.), dass man nichts riecht, sieht oder hört. Bei unserem ersten Standort gab es ähnliche Diskussionen. Heute sind wir ein beliebter Arbeitgeber in der Region und viele der Kritiker arbeiten bei uns. Die Bürgerinitiative in Lauingen hat sich in den Kopf gesetzt: ‚Wir wollen das nicht. Fakten sind uns egal.‘ Es wird nicht auf Kompromisse eingegangen oder inhaltlich begründet. Stattdessen werden Bürger zur Unterschrift gebeten und mit einem Faktencheck versorgt, der teilweise auf Vermutungen fußt und den Menschen ein falsches Bild von uns vermittelt.

Wie soll es angesichts dieser Kritik weitergehen?

Nietfeld: Wir unterhalten uns mit den Menschen, die eine faire und vernünftige Diskussion pflegen, was einige aus der Bürgerinitiative tun. Und wir halten weiterhin an dem Standort fest. Wenn man die Kompromissbereitschaft nutzen würde, wären wir schon einen großen Schritt weiter.

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Kapazitäten: Theoretisch können die Öfen 100 beziehungsweise 250 Kilogramm pro Stunde einäschern. Der Betreiber rechnet in der Anfangszeit mit circa 35 Haustieren am Tag und zwei Pferden pro Woche. Diese Zahl wird mit der Zeit erhöht.

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Betriebszeiten: Geschäftszeiten sind von 8 bis 18 Uhr. Je nach Auftragslage läuft die Anlage laut Betreiber 8 bis 24 Stunden. Lieferverkehr findet während der Geschäftszeiten statt. Regionale Notfälle sollen bis maximal 21 Uhr bedient werden.

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Verkehr: Die Firma Rosengarten gibt das Verkehrsaufkommen mit zwei Sprintern und acht Autos pro Tag an. Zusätzlich die Fahrzeuge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zwei Gespanne für den Transport verstorbener Pferde.


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Andere Standorte: Insgesamt betreibt Rosengarten 38 Filialen in Deutschland und eine in Polen. Sieben Krematorien sind bereits in Betrieb. Diese stehen in Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. In Lauingen wäre das erste Tierkrematorium der Firma in Süddeutschland.


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Krematorien in der Region: In Deutschland gibt es 20 Kleintierkrematorien. Mehr oder weniger nah sind: Erolzheim (Kreis Biberach), Lauf an der Pegnitz (nahe Nürnberg), München, Oedheim (Kreis Heilbronn), Schwäbisch Hall.


Ein Vorwurf der BI bezieht sich auf die Transparenz. Da heißt es, es sei nicht immer kommuniziert worden, dass Pferde eingeäschert werden sollen.

Nietfeld: Wir haben das schon in der ersten Stadtratssitzung offen kommuniziert. Dass die Einladung zur Infoveranstaltung nicht ganz richtig war, war vielleicht auch einfach ein Fehler. Das kam aber nicht von uns.

Das Thema kam recht plötzlich auf. Es gab eine nicht-öffentliche Sitzung des Stadtrats, dann den Beschluss in öffentlicher Sitzung. Viele Anwohner waren da noch gar nicht informiert. Sind Sie von der Kommunikation der Stadt enttäuscht?

Nietfeld: Enttäuscht nicht. Die Kommunikationspolitik, die wir als Unternehmen haben, ist aber anders. In Badbergen haben wir am gleichen Tag den Gemeinderat und die Anwohner im Umkreis von einem Kilometer informiert und zu uns eingeladen. So konnten wir jeden abholen und Ängste nehmen. Das funktioniert sehr gut. Und ich kann verstehen, dass sich ein Anwohner vor den Kopf gestoßen fühlt, wenn er das aus der Presse erfährt. Das hätte man anders lösen können.

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Foto: Rosengarten
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Und das ist das Kleintierkrematorium in Hermeskeil (Rheinland-Pfalz). Der Standort in Lauingen soll auf Haustiere und Pferde ausgerichtet werden.

Sie sind in Lauingen aber nicht vorab auf die Anwohner zugegangen.

Nietfeld: Ich hätte das gemacht, das war auch meine Empfehlung. Aber wir haben letztendlich die Spielregeln der Stadt Lauingen eingehalten. Ich glaube auch, dass das ein ganz übliches Prozedere ist: Der Stadtrat ist eine Vertretung der Bürger. Wenn jede Idee mit allen besprochen wird, dann wird eine Stadt irgendwann sehr langsam und kommt nicht mehr voran. Wir haben allerdings die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, die Menschen vorher mitzunehmen. Wenn man das nicht tut, fangen Spekulationen an. Dann entstehen Bilder in den Köpfen, und am Ende ist das Tierkrematorium für die Menschen eine Müllverbrennung und nicht mehr das Tierkrematorium. Und das sollte nicht passieren. Daher auch das Angebot, uns zu besuchen.

Haben Sie einen Wunschtermin, wann eröffnet werden soll?

Nietfeld: Wir würden gern im nächsten Jahr mit dem Bau starten. Dazu muss aber erst ein Antrag eingereicht werden. Dieser liegt dann mit allen Detailinformationen und Gutachten für vier Wochen zur öffentlichen Einsicht im Rathaus aus.

Zur Person: Arndt Nietfeld leitet das 2002 in Badbergen gegründete Tierbestattungsunternehmen Rosengarten. In Lauingen will er das erste Tierkrematorium seiner Firma in Süddeutschland bauen.

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