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Foto: Julian Leitenstorfer (Archiv)
Foto: Julian Leitenstorfer (Archiv)

Kripo und Landeskriminalamt ermittelten vor einem Jahr in Schwabhausen. Weil vier junge Leute mit Chemikalien hantierten, kam es in einer privaten Werkstatt zu einer Explosion.

Kreis Landsberg
29.12.2017

Ein Jahr danach: 23-Jähriger spricht über Explosion von Schwabhausen

Von Dominic Wimmer

Heute vor einem Jahr hantierten vier junge Leute in Schwabhausen mit Chemikalien - mit katastrophalen Folgen. Wie geht es den Beteiligten heute?

Heute jährt sich die Explosion von Schwabhausen zum ersten Mal. Am 29. Dezember 2016 hantierten vier junge Leute in einer privaten Werkstatt mit Chemikalien, weil sie Feuerwerk für Silvester herstellen wollten. Dabei kam es zum folgenschweren Unfall. Ein junger Mann wurde lebensgefährlich verletzt, die anderen zum Teil schwer. Im Rahmen einer Pressekonferenz des Landeskriminalamtes (LKA) zum Thema selbst gebastelte Böller in Garching erzählte der heute 23-Jährige anonym, aber detailliert über den Unfall von damals.

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Zwei Männer werden weggeflogen

Es ist ein sonniger Tag, der 29. Dezember 2016. Der damals 22-Jährige trifft sich am Vormittag mit zwei Freunden und einer Freundin in einer elterlichen Garage, um Silvesterfeuerwerk zu basteln. „Die Zutaten für unsere selbst gebauten Silvesterkracher waren so leicht zu besorgen, dass man sie in jedem Supermarkt bekommen hätte“, erzählt der junge Mann ein Jahr später vor der Presse. „Wer sich ein wenig damit befasst, der weiß: Die Inhaltsstoffe zu besorgen, ist nicht das Problem.“ Mit Feinwaagen wiegen die jungen Leute die Zutaten ab und wollen die Chemikalien mit einer Küchenmaschine mischen. Die einzelnen Substanzen will der 23-Jährige noch verbessern, indem er sie in einer Metallschüssel mit Metallkugeln feiner mahlt. Die Schüssel klemmt er sich dazu zwischen die Beine. Ein Freund, der zeitgleich Chemikalien mit einem Mörser verdichtet, fragt: „Ist das nicht gefährlich?“ Kaum sagt der 22-Jährige Nein, explodierte der Chemikalienmix zwischen seinen Oberschenkeln. Kurz darauf erschüttert eine zweite Explosion die Garage. Sie ist so heftig, dass die Sektionaltore aus der Verankerung gerissen werden.

Kurz danach laufen in Schwabhausen und Umgebung die Feuerwehrsirenen an. Als die Rettungskräfte vor Ort eintreffen, ist zunächst von einer Verpuffung infolge von missglückten Schweißarbeiten die Rede. Sanitäter kümmern sich um den lebensbedrohlich verletzten 22-Jährigen. Er und ein 23-jähriger Freund, der schwer verletzt wird, werden in Münchner Kliniken geflogen. Die 19-jährige Frau und ein 20 Jahre alter Mann kommen mit leichteren Verletzungen davon.

In der Luft liegt ein merkwürdiger Geruch. Die Kripo übernimmt die Ermittlungen, am Nachmittag rücken Spezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) an. Denn in der Werkstatt sind die Chemikalien entdeckt worden. Nach ersten Befragungen wird klar, was die vier jungen Leute in der Garage machen wollten. Der 22-Jährige kämpft wochenlang im Krankenhaus um sein Leben und liegt im Koma.

Die Kosten für den Feuerwehreinsatz stehen noch im Raum

Heute, ein Jahr später weiß er, wie viel Glück er damals hatte. „Ich war so schwer verletzt, dass meine Oberschenkelknochen herausgeschaut haben und ich mich nicht mehr richtig an den Donnerstag erinnern kann.“ Der Tag bleibt dafür im Ort noch lange in Erinnerung. „Das war damals ein Schock für die ganze Dorfgemeinschaft“, sagt Zweiter Bürgermeister Franz Schäufler. Er selbst lebt auch in Schwabhausen, ist aber froh, dass für die Beteiligten alles halbwegs gut ausgegangen ist. Denn der heute 23-Jährige wird keine Spätfolgen davontragen. Er kann wieder normal Sport machen und hat auch strafrechtlich keine Konsequenzen zu fürchten.

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Foto: Sven Hoppe, dpa
Foto: Sven Hoppe, dpa

Er wurde vor einem Jahr lebensgefährlich verletzt, weil er mit Freunden aus Chemikalien Silvesterfeuerwerk herstellen wollte. Der 23-Jährige aus Schwabhausen warnte jetzt im Rahmen einer Pressekonferenz des Landeskriminalamtes vor Billigböllern.

Kurz nach der Explosion teilte das LKA mit, dass sich die vier jungen Leute wohl wegen wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verantworten müssen (Paragraf 308 Strafgesetzbuch). Es kommt aber zu keinem Prozess. Wie Matthias Nickolai von der Staatsanwaltschaft Augsburg auf Nachfrage mitteilt, konnte den Beteiligten entweder keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden oder es gibt keine Strafverfolgung. „Es liegen auch Voraussetzungen vor, nach denen ein Gericht von einer Strafe absehen kann“, so Nickolai. Er verweist dabei auf Paragraf 60 im Strafgesetzbuch. Darin heißt es: „Das Gericht sieht von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre.“ Laut Nickolai könnten zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

Eine Anhörung der Beteiligten wird es Anfang 2018 bei der Gemeinde Weil geben. Wie Markus Wittlinger – zuständig für Öffentliche Sicherheit und Ordnung – sagt, handelt es sich um einen kostenpflichtigen Feuerwehreinsatz. Ob der Einsatz der Feuerwehren tatsächlich abgerechnet wird, entscheide sich aber erst noch. Dann könnten Kosten im vierstelligen Bereich auf die Verursacher der Explosion warten.

Der 23-Jährige sagt: „Vor Silvester habe ich in diesem Jahr keine Angst. Ob ich jemals wieder Böller kaufen oder zünden werde, das weiß ich noch nicht.“

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