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Foto: Maurizio Gambarini, dpa (Symbolbild)
Foto: Maurizio Gambarini, dpa (Symbolbild)

Die Metzgerei gibt es noch, aber der Metzger ist ein anderer – weil der frühere trotz Corona-Quarantäne selbst in seinem Laden verkaufte.

Prozess in Ulm
28.01.2022

Metzger verkauft trotz Corona-Quarantäne im Laden und verspielt seine Existenz

Von Sebastian Mayr

Plus Ein Metzger steht trotz positivem PCR-Test im Verkaufsraum. Wenig später muss er seine Metzgerei verkaufen und steht vor Gericht. Was ist da nur passiert?

Eine knappe Dreiviertelstunde ist vergangen und all die Selbstsicherheit ist weggebröckelt. "Der Punkt ist, dass ich niemanden vorsätzlich anstecken wollte", sagt der Mann. Tränen sind ihm in die Augen gestiegen. Wenig später ist der Prozess vorbei. Der 32 Jahre alte Metzgermeister zieht seinen Einspruch gegen ein Bußgeld zurück. Er hat erst als Kontaktperson und dann nach eigenem positiven PCR-Test in seinem Laden Kundschaft bedient. Dafür muss er insgesamt 1250 Euro bezahlen. Doch das ist bei Weitem nicht das größte Problem.

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Er war erst als Kontaktperson in Quarantäne und dann mit einem eigenen positiven PCR-Testergebnis in Isolation. Doch der Mann ist überzeugt, zu dieser Zeit nicht krank gewesen zu sein. Er verweist auf einen CT-Wert von 30,5 in seinem Testergebnis – das deute eher auf eine länger zurückliegende Erkrankung hin. Und er verweist darauf, dass die Sequenzanalyse kein Ergebnis gebracht habe, obwohl der Test "perfekt" gewesen sei: "Sie hat entsprechend tief rumgebohrt, dass einem auch ordentlich schlecht wird", berichtet der Metzger vor dem Amtsgericht Ulm, das über seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verhandelt. Er ist überzeugt: "Der Test war in dem Sinne falsch positiv." Darum sei er überzeugt gewesen, dass von ihm keine Infektionsgefahr ausgehe. Darum habe er trotz der Quarantäne in seinem Laden Fleisch und Wurst verkauft. Richter Oliver Chama erinnert an große Ausbruchsgeschehen in Schlachthöfen. "Ausgerechnet in einer Metzgerei haben Sie Kunden bedient?", fragt er.

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Metzgerei im Alb-Donau-Kreis nach wenigen Monaten wieder verkauft

Erst im März 2021 hatte der 32 Jahre alte Mann den Betrieb im Alb-Donau-Kreis übernommen, Anfang Januar 2022 verkaufte er ihn wieder. Um die 60 Prozent habe der Umsatzeinbruch betragen. Der 32-jährige Familienvater führt das unter anderem auf negative Berichterstattung und darauf zurück, dass der Bürgermeister des Ortes dazu aufgerufen habe, nicht mehr bei ihm einzukaufen. Er habe sämtlichen Beschäftigten kündigen müssen. Abgesehen von seinen Familienmitgliedern und vom Lehrling seien alle vom neuen Eigentümer der Metzgerei übernommen worden. Wie viele Menschen für ihn tätig waren, kann der Metzgermeister vor Gericht nicht sagen. Er müsse es nachsehen.

Schon im März 2020 seien seine Frau und er an Covid-19 erkrankt gewesen. Im Oktober 2021 erwischte es Frau und Kind. Weil aber auch etliche Angestellte ausfielen, stellte sich der Mann selbst in den Laden. "Ich habe mich nicht krank gefühlt", behauptet er im Prozess. Richter Chama liest aus einer E-Mail aus dieser Zeit 2021 vor, in der der Metzger eigene leichte Symptome beschreibt: Kopfweh, Geschmacksverlust, Gelenkschmerzen. "Es gibt ja auch andere Krankheiten mit Symptomen", entgegnet der 32-Jährige. Und: "Das kann ja auch psychisch sein." Und kurz darauf: Das alles sei ja schon abgeklungen gewesen, als er sich selbst in seinen Verkaufsraum gestellt habe.

Trotz Corona-Quarantäne arbeitete der Mann im Verkaufsraum

Eine Frau hat ihn dort am 22. Oktober gesehen, zwei weitere Personen haben ihn dort am 29. Oktober gesehen und ein Mitarbeiter der Gemeinde hat ihn dort am 2. November angetroffen. Bis zu dieser Kontrolle, behauptet der Metzger, sei er überzeugt gewesen, dass er alles richtig mache. Die Metzgerei sei ja in seinem Haus, also habe er die häusliche Absonderung eingehalten. Ob er wirklich sagen wolle, dass er den Sinn einer Quarantäne-Anordnung nicht kenne, fragt der Richter den Metzger. Doch, den kenne er schon, sagt dieser.

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Der vierte Fall, der ihm im Bußgeldbescheid zur Last gelegt wird, ist etwas anders: Da soll der Bürgermeister an der Tür geklingelt haben und der Metzger will daraufhin seine Wohnung im Obergeschoss verlassen haben und nach unten gegangen sein. Da übrigens sei er heftig angegangen worden, klagt der Handwerksmeister. Der Bürgermeister habe ihn als Corona-Leugner bezeichnet.

Metzger will kein Corona-Leugner sein

Ein Corona-Leugner aber will der Metzgermeister nicht sein. Doch warum hat er dann ein Schild vor seinem Laden aufgestellt? In dieser Metzgerei gelte 1G, war darauf zu lesen, 1G wie "Gesunder Menschenverstand". Und: "Wir beteiligen uns nicht an staatlich verordneter Hirnwäsche und Diskriminierung von Mitmenschen." Das sei ja danach gewesen, entgegnet der Metzger. Weil er so wütend gewesen sei, auf den Bürgermeister und darauf, dass man ihn in eine Ecke stellen wolle. Richter Chama liest noch ein Schreiben aus der Akte vor: Eine Kanzlei in Brandenburg gibt sich darin gegenüber der Gemeinde als Rechtsbeistand zu erkennen. Der Brief enthält Formulierungen, wie sie in der Reichsbürger-Szene gebräuchlich sind. "Sind Sie ein Reichsbürger?", fragt der Richter. Nein, damit habe er nichts zu tun, gibt der 32-Jährige zurück. Er habe auch keinen Vertrag mit dieser Kanzlei geschlossen.

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Die Stimmung kochte zum Jahresende 2021 hoch in der Gemeinde im Alb-Donau-Kreis. Anfang Dezember beteiligte sich der Metzger in seinem Wohn- und Arbeitsort an einer Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Die lief aus dem Ruder. Eine Reporterin wurde angegriffen, man riss ihr die Maske vom Gesicht und schlug ihr das Handy aus der Hand.

Einspruch vor dem Amtsgericht Ulm zurückgenommen

"Wenn er sagt, er ist kein Corona-Leugner, hat er sich aber verhalten wie einer", findet der Staatsanwalt. Er zitiert aus einem Artikel in der Bild-Zeitung. Ein Foto zeigt den 32-Jährigen mit einer großen Salami. Diesem Metzger seien die Corona-Regeln wurst, steht im Text. Wurst sei etwas anderes, betont der Staatsanwalt: Nämlich, ob der Metzger nun krank und infektiös gewesen sei oder nicht. Es gehe bei den Quarantäne-Anordnungen eben um eine Vorsichtsmaßnahme und daher könne dies auch Menschen treffen, die völlig gesund seien.

Und Richter Chama nimmt schon vor einem möglichen Urteil eins vorweg: Das Verfahren werde nicht eingestellt. "So wie in Ihrer Metzgerei 1G galt, gilt in meinem Gerichtssaal 2G: Gesetz und Gerechtigkeit." Regeln müssten eingehalten werden und die Gerechtigkeit gegenüber den anderen Menschen lasse es nicht zu, den Metzger in diesem Fall einfach davonkommen zu lassen. Tatsächlich hätte noch eine höhere Zahlung gedroht. Denn die Bußgeldstelle hat nur zwei Strafen für vier Fälle verhängt. Anders sei das wegen der Software der Behörde nicht möglich, begründete eine Mitarbeiterin. Und eine Vorstrafe war ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Das Amtsgericht Biberach hatte den Mann im September 2018 zu einer Geldstrafe verurteilt – dem Mann war infolgedessen auch untersagt worden, mit Minderjährigen zu arbeiten. Ob sein Lehrling in der Metzgerei bereits volljährig war, blieb im Prozess offen.

Der Gemeinde bleibt die Metzgerei erhalten, mit einem anderen Betreiber eben. Der 32-Jährige wird nach dem Verkaufsraum wohl auch die Produktion abgeben, wie er vor Gericht sagt. Eine Insolvenz habe er gerade so abwenden können. Wahrscheinlich werde er mit seiner Familie den Ort verlassen und wieder als Metzger im Außendienst für eine Supermarktkette arbeiten. Das Unternehmen sei den Bach hinuntergegangen, sagt der Anwalt des Mannes. Seinen Einspruch gegen das Bußgeld zieht sein Mandant zurück.

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