i
Foto: Johannes TRAUB / JT-Presse.de
Foto: Johannes TRAUB / JT-Presse.de

Nationalspieler unter sich: Ex-Panther Tim Wohlgemuth (rechts) im Duell mit ERCI-Verteidiger Leon Hüttl (links). Foto: Johannes Traub

Eishockey
11.04.2023

Ex-Panther Tim Wohlgemuth: „Natürlich mache ich mir Gedanken über meine Zukunft“

Von Fabian Huber

Plus Vor zwei Jahren wechselte Tim Wohlgemuth von Ingolstadt nach Mannheim. Es war der nächste Schritt in der Karriere. Nun ist er gegen sein Ex-Team im DEL-Halbfinale ausgeschieden. Über die Gründe dafür, den Erfolgsdruck bei den Adlern und seinen weiteren Weg.

Tim Wohlgemuth hat sein Lachen auch gut 18 Stunden nach dem Ende einer harten Saison nicht verloren. Der 23-Jährige will gerade erklären, wieso die Sommerpause für ihn jetzt früher anfängt, als man in Mannheim geplant hat. Ausgerechnet wegen seines Ex-Klubs, dem ERC Ingolstadt, da klingelt Teamkollege Sinan Akdag unangekündigt an der Wohnungstür. Ein Kaffee? Jetzt gleich? Um die Ecke? Wohlgemuth vertröstet auf später. Dann beginnt er, am Telefon zu erzählen. Von einem schlauchenden Abnutzungskampf zweier Teams. Von einer Eishockey-Stadt mit extrem hohen Ansprüchen. Von berechtigter Selbstkritik. Und von einem Reifeprozess.

Weiterlesen mit dem PLUS+ Paket
Zugriff auf alle PLUS+ Inhalte. Jederzeit kündbar.
JETZT AB 0,99 € TESTEN

Herr Wohlgemuth, seit Montagabend ist Ihre Saison vorbei. Die Adler Mannheim sind gegen den ERC Ingolstadt ausgeschieden – nach sechs hart umkämpften Spielen. Sind Sie eher emotional oder körperlich ausgelaugt?

Tim Wohlgemuth: Beides, denke ich. Vom Kopf her war das ganze Jahr hart. Und wenn das Mentale sich erst einmal kurz ausstempelt, wenn du realisierst, dass du jetzt raus bist, dann merkst du erst, wie körperlich erschöpft du eigentlich bist. Ich finde, man hat aber auch gesehen, dass die physische Intensität in Spiel fünf und sechs verglichen mit Spiel eins und zwei abgenommen hat. Umso intensiver wurde dafür der taktische Aspekt.

Wieso nahm das Körperspiel ab? Weil die Teams müder wurden? Oder weil es nach den Vorfällen im zweiten Spiel die klare Ansage gab, ruhiger zu sein? So war das zumindest in Ingolstadt.

Wohlgemuth: Ich glaube, es gab da mehrere Faktoren. Aber klar, die Rauferei hat die Aggressivität automatisch ein bisschen aus der Serie genommen. Ich denke, das hatte die Liga mit ihrer Sperre gegen David Wolf auch im Sinn.

Im Nachhinein: Wie sehr hat Wolfs Fehlen Ihrem Team geschadet? Er war zuvor Ihr Play-off-Topscorer.

Wohlgemuth: Im Nachhinein natürlich immens. Er ist bei uns ein absoluter Führungsspieler und hat einen Rieseneinfluss auf solche Play-off-Spiele. Deswegen tat uns das sehr weh. Ob drei Spiele Sperre jetzt gerechtfertigt waren oder es auch zwei oder eines getan hätten – da stehen wir nicht in der Position, das zu entscheiden.

Die teaminternen Analysen liegen sicher noch vor Ihnen. Aber können Sie schon jetzt einen Hauptgrund ausmachen, wieso die Adler ausgeschieden sind und die Panther jetzt ins Finale einziehen?

Wohlgemuth: Entscheidend war sicher, dass wir zu wenige Tore geschossen haben.

Nur eines in den vergangenen drei Spielen. Wieso? Vorne besäße Mannheim eigentlich genug individuelle Klasse...

Wohlgemuth: Wenn so etwas in einem Spiel passiert, ist das die eine Sache. Aber wenn du ein paar Spiele in Folge nicht triffst, hat das schon mehrere Gründe. Ingolstadt hat defensiv sehr, sehr gut verteidigt. Kevin (Reich, Torhüter des ERC Ingolstadt, Anm. d. Red.) hat unglaublich gehalten – vor allem zum Ende hin. Aber natürlich müssen wir uns das auch selbst ankreiden. Letztlich hatten wir nicht die nötige Kreativität und Kaltschnäuzigkeit. Das klingt jetzt etwas platt, aber es ist tatsächlich schwer zu sagen, weshalb man keine Tore schießt.

Der Aufstieg von Reich in dieser Serie kam unverhofft. Er rückte nur durch die Verletzung von Stammgoalie Michael Garteig ins Tor. Noch im Dezember war er am Boden, sportlich wie mental. Sein Bruder verunglückte damals schwer. Hat man trotz des Ausscheidens emotionale Kapazitäten, einem Kollegen solch einen Erfolg zu gönnen?

Wohlgemuth: Selbstverständlich. Ich hatte mit Kevin nie viel zu tun. Wir haben uns in Ingolstadt um ein Jahr verpasst, sind auch alterstechnisch einige Jahre auseinander. Aber man kennt sich natürlich vom einen oder anderen Nationalmannschafts-Lehrgang. Er ist ein lieber Kerl. Das Schicksal seines Bruders war bei uns jungen Spielern schon Thema. Es ist nicht leicht, als klarer zweiter Torwart in ein Halbfinale zu gehen. Aber das hat er überragend und mit vollem Selbstvertrauen gemacht. Ich gönne ihm das wirklich.

Hat das modernere Eishockey gewonnen in dieser Serie?

Wohlgemuth: (überlegt lange) Ich denke, beide Systeme hatten moderne, aber auch altmodische Aspekte. Klar, unser Aufbau war eher konservativ. Aber Ingolstadt hat in der neutralen Zone grundsätzlich auch nur die Scheibe rausgechipt. Das ist ja auch voll ok. Am Ende gewinnt nicht derjenige, der das schönere System hat. Ich denke nicht, dass das System der Hauptgrund war.

Sie selbst haben in zehn Play-off-Spielen nur einen Treffer erzielt, waren im Viertelfinale zweimal überzählig auf der Tribüne, kamen kaum auf zehn Minuten Eiszeit pro Partie. Sicher nicht Ihr Anspruch, oder?

Wohlgemuth: Für mich persönlich war es relativ ernüchternd. Nach einer eigentlich soliden Hauptrunde war meine Leistung in den Play-offs einfach nicht gut. Eigentlich habe ich in meiner Karriere immer sehr starke Play-offs gespielt und hätte das gern beibehalten, den Beweis gegeben, dass ich auch in wichtigen Spielen da bin. Das habe ich in diesem Jahr nicht geschafft.

Woran liegt das? Sie gelten als Kopfmensch. Fehlte Ihnen das Vertrauen des Trainers?

Wohlgemuth: Es gehört zum Trainerjob, auf gewisse Leute zu vertrauen, wenn es darauf ankommt. Das habe ich mir aber selbst anzukreiden. Wie Sie sagen: Ich komme über den Kopf und das Selbstvertrauen: Über kleine Dinge auf dem Eis, die den Unterschied machen, die du aber nur machst, wenn du das ganze Jahr über voll da bist. Am Ende ist es schwer, zu definieren, wo genau der Haken lag, wer am Ende etwas anders hätte machen können.

Sie sind vor zwei Jahren von Ingolstadt nach Mannheim gewechselt, um den nächsten Schritt Ihrer Karriere zu machen. Ist er Ihnen gelungen?

Wohlgemuth: Schwer, das jetzt mit Weitsicht auf die ganze Karriere hinweg zu betrachten. Aber würde ich es nochmals tun? Auf jeden Fall! Ich bin hier an so Vielem gewachsen, als Spieler und als Mensch. Auch wenn ich mein bestes Eishockey nur in manchen Spielen gezeigt habe, habe ich trotzdem einen Schritt nach vorne gemacht und spiele einfach reifer.

Aus dem „kleinen Timmy“ in Ingolstadt ist ein Tim geworden?

Wohlgemuth: Dieser Stadt- und Vereinswechsel, diese Entscheidung, irgendwie auch einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, hat mich schon weitergebracht. Wieder aus der Komfortzone raus, sich neu anpassen. Als ich Ingolstadt verließ, wollte ich genau das. Wahrscheinlich bin ich jetzt nicht reifer als andere 23-Jährige, sondern immer noch irgendwie ein kleiner Timmy – aber gereift bin ich durch diese Entscheidung auf jeden Fall.

Mannheim ist zwar als Eishockey-Stadt bekannt, aber nicht als sonderliche Wohlfühloase. Immer wieder ist von Ellbogen-Mentalität im Team die Rede...

Wohlgemuth: Ich bin der Meinung, dass in Mannheim der Konkurrenzkampf größer ist als an anderen Standorten. Wir haben viele Top-Spieler. Da kann nun mal nicht jeder die gleiche Rolle haben. Es gibt eben nur eine gewisse Anzahl an Eiszeit. Das ist wie beim FC Bayern. Dass man sich hier und da mal anpflaumt, ist dann glaube ich normal. Die Jungs hier sind so ehrgeizig und bissig und wollen um jeden Preis gewinnen. Eine andere Option gibt es nicht. Wenn es da nicht so läuft, reagiert der eine oder andere darauf zwar vielleicht mit etwas mehr Biss. Aber sobald der Puck fällt – egal ob in Play-offs oder Hauptrunde – hat man gemerkt, dass alle da waren. Da hat dann jeder wieder ans Team und nicht an sich gedacht.

Beim FC Bayern entlässt man den Trainer, wenn die unangefochtene Tabellenspitze in Gefahr ist. Und in Mannheim war im Verlauf dieser Saison gefühlte Weltuntergangsstimmung wegen eines dritten Platzes nach der Hauptrunde.

Wohlgemuth: Die Erwartungen sind so hoch, dass man sich damit eben nicht zufriedengibt. Dadurch, dass Berlin keine erfolgreiche Saison hatte, wurde schon erwartet, unter den besten Zweien zu sein. Es war aber jetzt nicht so, dass wir völlig frustriert in der Kabine saßen. Der dritte Platz war eine super Ausgangslage für die Play-offs.“

Sie wollten studieren, etwas Technisches. Schon eingeschrieben für die erste Statik-Vorlesung?

Wohlgemuth: Noch nicht, aber das wird jetzt dann in Angriff genommen (lacht).

Sie haben im Alter von 23 Jahren bereits Ihre fünfte DEL-Saison hinter sich. Wo wollen Sie noch hin? Was sind Ihre langfristigen Ziele?

Wohlgemuth: Was die Liga betrifft: Ich habe jetzt drei Halbfinals in Folge gespielt. Das geht mir schon etwas auf den Keks. Früher oder später will ich auf jeden Fall um eine Meisterschaft spielen. Und natürlich in die Nationalmannschaft. Dafür muss ich mich aber sicher wieder steigern.

Sie wurden bereits mehrfach kurz vor einer Weltmeisterschaft aus dem Nationalkader gestrichen. Gab es schon Kontakt zum neuen Bundescoach Harry Kreis?

Wohlgemuth: Das Erste gehört als junger Spieler dazu. Vor einem Monat habe ich kurz mit Harry telefoniert. Er hat sich vorgestellt. Aber mehr Kontakt gab es bisher nicht.

Sie haben noch ein Vertragsjahr in Mannheim, doch die Gerüchte halten sich hartnäckig, dass bei Ihnen auch ein Wechsel anstehen könnte. Kann es sein, dass Spiel sechs im Halbfinale gegen Ingolstadt ihr letztes im Adler-Trikot war?

Wohlgemuth: Ich weiß nicht, was sein könnte und was nicht. Ich weiß, dass ich in Mannheim im nächsten Jahr noch einen Vertrag habe. Natürlich mache ich mir aber Gedanken über meine Zukunft.

Facebook Whatsapp Twitter Mail