Jetzt beginnt der kritischste Teil der Impfkampagne

06.07.2021

Erstmals gibt es genug Impfstoff im Kampf gegen des Coronavirus. Doch das Dümmste, was die Politik jetzt tun könnte, wäre sich entspannt zurückzulehnen.

Die deutsche Impfkampagne steht an einem Wendepunkt. Gab es seit Beginn der Impfungen vor einem halben Jahr viel zu wenig Impfdosen für den Schutz der Bevölkerung, dreht sich nun das Spiel von Angebot und Nachfrage. In den kommenden Wochen wird es für jeden, der will, immer weniger zum Problem werden, einen schnellen Impftermin zu bekommen. Doch was zunächst einmal sehr positiv klingt, hat wie vieles eine Schattenseite.

Erst jetzt kann der Impfturbo zünden

Denn jetzt sind nicht nur die einzelnen Bürgerinnen und Bürger in der Verantwortung, für sich zu entscheiden, ob und wann sie geimpft werden wollen. Noch mehr lastet die Verantwortung für den Erfolg des Kampfes gegen das Coronavirus auf der Politik. Denn erst jetzt kommt der viel zitierte Zeitpunkt, den „Impfturbo“ zu zünden.

Das Dümmste, was die Politik nun tun könnte, wäre es, jetzt entspannt einen Gang zurückzuschalten, nach dem Motto: Nun ist es an den Bürgern, das „Impfangebot“ anzunehmen. Die ersten Rufe nach Strafen für Impftermin-Sünder weisen leider genau in diese Richtung.

Nein, die Politik muss schnell ihre Rolle wechseln: Statt des unpopulären Mangel-Verwalters muss der Staat nun in das Gewand eines attraktiven Verkäufers schlüpfen. Jetzt muss die Stunde großer zuversichtlicher Werbe- und Aufklärungskampagnen beginnen, anstatt den Menschen Angst vor Strafe und Nachteilen zu machen.

Impfungen in Israel und USA kein Vorbild mehr für Deutschland

Denn Deutschlands Impf-Vorbilder von gestern werden zu warnenden Beispielen von heute: In Israel kommt die Zahl der Erstimpfungen seit Wochen kaum voran, die USA sind sogar hinter Deutschland gefallen. Auch Großbritannien verliert an Tempo, hat aber immerhin die Schwelle einer zu zwei Dritteln erstgeimpften Bevölkerung überschritten. Angesichts der ansteckenden Deltavariante reicht das, anders als lange gedacht, nicht mehr für eine Herdenimmunität. Jetzt kommt es darauf an, für möglichst viele Impfungen zu werben. Impfzentren müssen mangels Schlangen vor der Türe jetzt mit dem Stoff raus in die Gemeinden und Stadtviertel.

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Die Delta-Variante des Virus wird aller Voraussicht nach spätestens im Winter jeden suchen, den es erwischen kann und auf vielen Wegen sein Ziel erreichen. Die Frage wird sein: Will man sich den Immunschutz über eine Infektion oder über eine Impfung holen?

Impfen wird mit Delta-Variante Frage der Verantwortung

In jedem Fall ist die Impfung nicht nur für jeden selbst die deutlich harmlosere und weniger riskante Alternative im Vergleich zu einer Corona-Infektion. Die Impfung ist auch die wesentlich verantwortungsvollere Variante gegenüber den Mitmenschen.

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Dabei geht es nicht nur um das Risiko, andere zu infizieren. Ansteckendere Virusvarianten könnten durchaus zur Belastungsprobe für das Gesundheitswesen werden und zum Rückfall in die Lockdown-Politik führen, wenn Millionen – aus welchen Gründen auch immer – keinen Impfschutz haben. Vor allem senken die Impfungen die Gefahr des Ausbreitens neuer Varianten.

Schulen zu durchseuchen wäre unverantwortlich

Deshalb wäre es auch unverantwortlich, eine Delta-Welle durch die Schulen rauschen zu lassen und eine ganze Generation Kinder zu durchseuchen. Eine Masse infizierter Kinder wäre eine extrem riskante Belastungsprobe, ob neue Varianten den Impfschutz der Erwachsenen überlisten können.

Noch prüft die Ständige Impfkommission, ob sie die Impfung von Schulkindern empfehlen wird. Vieles spricht dafür. Doch die Politik sollte weder Druck auf die Kommission, noch auf Eltern ausüben, sondern ihre Hausaufgaben zum Schutz der Schulen und zur Beschleunigung der Impfkampagne machen.

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Denn die Impfstoffe sind ein Geschenk der modernen Wissenschaft, eine Jahrhundertkrise zu überwinden.

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