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Kommentar: Wie Putin an einer neuen Weltordnung tüftelt

Kommentar

Wie Putin an einer neuen Weltordnung tüftelt

Margit Hufnagel
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    Dieses von der russischen Agentur Sputnik veröffentlichte Foto zeigt Wladimir Putin (links) und Xi Jinping beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO).
    Dieses von der russischen Agentur Sputnik veröffentlichte Foto zeigt Wladimir Putin (links) und Xi Jinping beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO). Foto: Sergei Bobylev, Sputnik/dpa

    Die Tage werden kürzer, die Nächte kälter. Wo im vergangenen Herbst schon gemütlich die Heizungen gegluckert haben, sind in diesem Jahr ratlose Gesichter zu sehen. Wie soll das nur werden? Wo ist sie hin, die Normalität, nach der sich alle so sehr sehnen in dieser toxischen Gemengelage aus Pandemie, Krieg, Inflation und Lieferengpässen? Die Antwort könnte sein: Die Normalität, wie wir sie über Jahrzehnte erlebt haben, wird nicht zurückkehren. Und das hat nicht nur etwas mit der Energiekrise zu tun. Denn während Deutschland dem Winter entgegenbibbert, tüftelt Wladimir Putin an Plänen, die viel weitreichender sind, als viele es sich gerade vorstellen können – mit Folgen, die jeden Einzelnen von uns über eine lange Zeit begleiten dürften. In diesem Krieg steht weitaus mehr auf dem Spiel als „nur“ die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer.

    Fernab der Schlachtfelder schmiedet der Autokrat aus dem Kreml Allianzen, die nichts anderes zum Ziel haben als eine neue Weltordnung. Zuletzt traf er sich in der vergangenen Woche in Usbekistan mit einer Riege aus Gleichgesinnten. Nicht mehr der Westen mit seinen Wertevorstellungen und seinem Wohlstandsstreben soll künftig den Lauf der Dinge zumindest maßgeblich bestimmen, sondern ein loses Bündnis aus Staaten, die seit Jahren mit ihrer eigenen Bedeutung und dem Mangel an internationalem Glanz und Gloria hadern. Die Türkei, der Iran, Indien, China – allesamt aufstrebende Länder, die sich nicht mehr mit dem politischen Katzentisch begnügen wollen. Hemmungen, eigene Interessen mit Gewalt durchzusetzen, haben sie nicht.

    Die Selbstradikalisierung von Putin, Xi, Erdogan und Co.

    Putin geht es genau wie den anderen Demokratieverächtern in seinem Männerbund um eine Destabilisierung der gegenwärtigen Ordnung, um persönliche Macht, um ein Selbstbild, das mit den Realitäten nicht in Einklang zu bringen ist. Und je länger Putin, Xi, Erdogan und Co. an der Macht sind, umso stärker schreitet ihre Selbstradikalisierung voran.

    Nun muss man die „grenzenlose Freundschaft“, die sich die Autokraten gegenseitig so gerne versichern, nicht überbewerten. Doch als Kitt reicht die feindselige Grundhaltung gegenüber dem Westen und vor allem den USA vorerst aus, um ihre unheilvolle Bindung stark zu machen. Sogar die Erzfeinde Indien und Pakistan bringt das an einen Tisch. Egal darf das dem Westen nicht sein. Wie schwierig es in einer globalisierten Welt ist, Moral und wirtschaftliche Interessen auf einen Nenner zu bringen, zeigt gerade eindrucksvoll der mühsame Kampf um Energievorräte. Weil sich vor allem Deutschland massiv vom Gas aus Russland abhängig gemacht hat, verletzt es sich nun durch die Sanktionen auch selbst. Das mag noch handhabbar sein, wenn es sich um einen Konflikt mit einem einzigen Land handelt. Doch schon eine wirtschaftliche Krise mit China mag sich hierzulande kaum jemand ausmalen. Dann würden im Winter nicht nur die Wohnzimmer kalt bleiben, sondern ganze Industriezweige zum Erliegen kommen. Die europäische Wirtschaft ist schlicht nicht darauf ausgelegt, von anderen Regionen unabhängig zu sein. Wer das verspricht, handelt mindestens unlauter.

    Wladimir Putin weitet seinen Einfluss in Afrika aus

    Autokraten wie Putin oder Xi haben damit ein Ass im Ärmel: Sie können den Westen vorführen, indem sie ihn dazu zwingen, sich zu entscheiden zwischen seinen Werten und seinem Wohlstand.

    Doch es geht um weitaus mehr als um wirtschaftliche Belange – auch wenn schon die erdrückend groß sind. Das Beispiel Mali zeigt, wie es Russland mit der dem Kreml nahestehenden Kampftruppe „Wagner“ innerhalb weniger Jahre geschafft hat, zu einem der wichtigsten Player in Afrika zu werden. Der Kontinent wird von europäischen Politikern gerne als lästiges Übel betrachtet, dem man hier und da auch etwas Aufmerksamkeit und Geld schenken muss. Putin war auch hier schlauer. Der Rohstoff-Reichtum der afrikanischen Länder, gepaart mit der politischen Instabilität, zwingt die Welt förmlich dazu, den Blick nicht abzuwenden. Der russische Präsident füttert die afrikanischen Despoten nur zu gerne mit seinen Waffen, um sich anschließend ihre Loyalität versichern zu lassen. Wie das ausgeht, lässt sich bei den Vereinten Nationen beobachten. In diesen Tagen werden im Hochhaus-Komplex in New York wieder engagierte Reden der westlichen Führungsfiguren gehalten – doch ihre Schlagkraft haben die UN längst verloren. Nur zur Erinnerung: Als bei der UN-Vollversammlung im März dieses Jahres der Rückzug der Russen aus der Ukraine per Resolution gefordert werden sollte, verweigerten sage und schreibe 25 afrikanische Staaten ihre Zustimmung. Es ist ein erster Vorgeschmack auf das, was die Zukunft bereithalten könnte: eine Verschiebung der Machtverhältnisse.

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