i
Foto: Georg Wendt, dpa
Foto: Georg Wendt, dpa

Was tun, wenn der Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler besteht?

Verbraucherschützer warnen
12.11.2022

Wie unabhängig ist die Patientenberatung künftig noch?

Von Bernhard Junginger

Gesundheitsminister Karl Lauterbach will eine neue Stiftung gründen, zahlen sollen die Krankenkassen. Doch Verbraucherschützern bereitet das heftige Bauchschmerzen.

Welche Behandlung muss meine Krankenkasse bezahlen? Was tun, wenn ich den Verdacht habe, von Ärzten falsch behandelt worden zu sein? Ist die Klinik in meiner Stadt die richtige für mich? Helfen bestimmte Medikamente oder Behandlungen mir wirklich? Wer Fragen wie diese hat, kann sich seit rund 20 Jahren an die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) wenden. Doch weil es immer wieder Zweifel gab, ob die Organisation gut genug und frei von allen Fremdinteressen berät, hat die Ampel-Regierung sich im Koalitionsvertrag auf eine grundlegende Reform der Patientenberatung verständigt.

„Die Unabhängige Patientenberatung überführen wir in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen", heißt es bei SPD, FDP und Grünen. Aber der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kürzlich dazu vorgelegte Gesetzentwurf überzeugt Verbraucherschützer und Verbraucherschützerinnen nicht.

Wenn der Versichertenstatus darf keine Rolle spielen darf

Vor Beginn der Anhörung der betroffenen Verbände und Organisationen in der kommenden Woche bezweifeln sie, dass Patienten künftig wirklich unabhängig beraten werden, wenn der Lauterbach-Plan umgesetzt wird. Denn ihrer Meinung nach gibt er den Krankenkassen und dem Staat eine zu gewichtige Rolle im System. Das geht aus der Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) zu dem Vorhaben hervor, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt.

In dem Schreiben heißt es: „Zur Sicherstellung einer finanziellen wie organisatorischen Unabhängigkeit muss die neue UPD vom Bund errichtet und aus Zuschüssen des Bundes finanziert werden.“ Die Chefin der Verbraucherzentralen, Ramona Pop, sagte dazu im Gespräch mit unserer Redaktion: „Eine Errichtung und Finanzierung durch die Krankenkassen würde die Unabhängigkeit der Patientenberatung in Zweifel stellen. Das wäre kein echter Neustart für die UPD und ordnungspolitisch fragwürdig.“ Die Information und Beratung aller Verbraucherinnen und Verbraucher sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der Versichertenstatus dürfe dabei keine Rolle spielen, ergänzte Pop.

Vollständige Finanzierung durch Krankenkassen vorgesehen

Hinter den Einwänden steht die Erfahrung, dass sich viele strittige Fälle ja gerade zwischen Patienten und Krankenkassen abspielen. Etwa, wenn es um die Übernahme der Kosten für bestimmte Behandlungen oder die Zahlung von Krankengeld geht. Der VZBV findet deshalb, dass die Kassen künftig keinesfalls Geldgeber sein dürfen, wie Lauterbach dies plane. Denn nicht einmal ein Anschein von Abhängigkeit dürfe entstehen.

Lesen Sie dazu auch

Dem Referentenentwurf aus dem Gesundheitsamt zufolge soll die UPD-Stiftung durch den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen als Stiftung bürgerlichen Rechts errichtet werden. Ebenso ist die vollständige Finanzierung durch die Kassen vorgesehen - durch einen jährlichen Zuschuss von 15 Millionen Euro, eine Million davon würden die privaten Versicherer beisteuern. Das Ministerium hat keine Bedenken, dass die Stiftung trotzdem unabhängig beraten kann.

VZBV: Stiftung soll staatsfern sein

Pop fordert, dass die Befugnisse der Stiftungsorgane so angepasst werden, „dass der Stiftungsrat dem Vorstand unterstützend und beratend zur Seite steht. Um die Staatsferne der Stiftung zu gewährleisten, darf es keine Eingriffsrechte der Politik geben“. Deutschlands oberste Verbraucherschützerin schlägt vor, dass die Patientenorganisationen den Vorstand stellen, denn diese verfügten über jahrzehntelange Erfahrung in institutioneller Patientenberatung. Dazu zählt der VZBV neben sich selbst die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP), den Sozialverband Deutschland (SoVD) und den Sozialverband VdK. „Ziel muss es sein, die Weichen für eine bürgernahe, barrierefreie, qualitätsgesicherte und unabhängige Patientenberatung zu stellen“, sagte Pop.

i
Foto: Martin Schutt, dpa
Foto: Martin Schutt, dpa

Bei der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) suchen Patienten Rat, wenn sie sich von ihrer Krankenkasse gedrängt fühlen, wieder zu arbeiten.

Die Einwände der Verbraucherschützer haben historische Gründe. Denn ihr Bundesverband gehörte nach der Gründung der Beratungsorganisation zusammen mit dem Sozialverband VdK und dem Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) selbst zu den Trägern. Nach einer Ausschreibung übernahm dann 2016 die Firma Sanvartis die Federführung - ein privater Gesundheitsdienstleister. Seither hat es immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit der Beratung gegeben. So monierte der Bundesrechnungshof 2020 in seinem Prüfbericht, dass die Abhängigkeit der UPD von einem gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen geeignet sei, Unabhängigkeit und Neutralität der Beratung infrage zu stellen.

Krankenkassen erstellen Satzung selbst

Für den VZBV erweckt die von Lauterbach geplante neue Struktur keinesfalls den Anschein dieser Neutralität. Vielmehr entstehe der Eindruck einer „Abhängigkeit von den Krankenkassen“. Dass sogar die Satzung laut Entwurf von den Kassen selbst erstellt werden soll, gefährde „jedwede Glaubwürdigkeit der Stiftung“.

Pop weist zudem darauf hin, dass im aktuellen Entwurf zur Neuaufstellung der UPD „ein klares Bekenntnis zur Stärkung der regionalen Patientenberatung“ fehle. Gerade diese sei aber wichtig für eine bürgernahe und niederschwellige Patientenberatung. „Hier sehen wir deutlichen Nachbesserungsbedarf.“

Nach den Plänen des Gesundheitsministeriums soll der Bundestag im kommenden Frühjahr über die Neuregelung der Patientenberatung entscheiden. Der VZBV hofft nun, dass seine Bedenken in der Debatte aufgegriffen und im endgültigen Gesetz berücksichtigt werden.

Facebook Whatsapp Twitter Mail