Wie war das neulich in Florenz? Vergessen online die Besichtigungszeit für die Uffizien klarzumachen, dann sehr lange in der Schlange gestanden - und schließlich aufgegeben. Doch dem Gedränge kann man entgehen. Man muss nur die Metropolen links liegen lassen und sich auf unbekannte Entdeckungen einlassen. Aber darum geht es ja beim Reisen. Neun Plädoyers für die großen Vorteile kleiner Städte.
Nächster Stopp nicht nur für Ferrari-Fans: Modena

Modena kennt man! Zumindest theoretisch. Der Ferrari hat hier seine Heimat. Der Balsamico auch. Und doch fährt man an Modena auf dem Weg in den Süden meistens vorbei, stoppt eher in Bologna oder macht einen Städtetrip nach Florenz. Dabei ist das beschauliche Modena mit seinem großen Altstadtkern einen Besuch wert. Und der romanische Dom kann in seiner Schönheit locker mit dem berühmten Gegenstück von Florenz mithalten, aber das ist natürlich Geschmackssache. In jedem Fall muss man nicht stundenlang anstehen, um einen Blick hinein werfen zu dürfen. Oft hat man ihn sogar für sich allein. Ein paar Fußminuten von der Piazza Grande entfernt der Mercato Storico Albinelli voll gestopft mit italienischen Spezialitäten. Ein Fehler, wenn man sich hier nicht ein paar frische Scheiben Porchetta, den mediterran gewürzten Schweinebraten, einpacken lässt. Natürlich geht es nicht ohne Enzo Ferrari in Modena. Auf dem Weg zurück zur Autobahn kommt man fast automatisch an dem Museum voller ikonischer Rennwagen vorbei. Deswegen nächster Stopp: Modena.
Manchester überzeugt mit seinem herben Charme

Die Insel hat sehr viel mehr zu bieten als London. Und wer Großstadt erleben möchte, aber sich nicht einer Millionenmetropole verlieren möchte, der kann einen Stop in Manchester einplanen. Denn die ehemalige Arbeiterstadt in Nordengland hat mehr zu bieten als die beiden großen Fußballclubs United und City. Manchester, das war einmal Textilindustrie. Läuft man dort an den Kanälen entlang, sieht man teilweise auch noch die großen Fabrikgebäude. Und man spürt, was Strukturwandel bedeutet und wie eine Stadt davon profitieren kann. Neue Wohn- und Büroviertel sind dort entstanden, wo früher die Textilmaschinen standen. Die Stadt versprüht einen herben, aber nicht unsympathischen Charme. Der hohe Migrationsanteil schlägt sich auch kulinarisch nieder, geschmacklich kann man in Manchester überallhin Ausflüge unternehmen. Und kulturell hat sie auch einiges zu bieten. Die Manchester Art Gallery kostet keinen Eintritt und hat neue Wege gefunden, ihre Kunstschätze zu präsentieren. In der alten Börsenhalle ist das Royal Exchange Theater untergebracht. Auch da lohnt ein Besuch.
Lyon: Ein Toptipp nicht nur für Gourmets

Wer feines Essen liebt, ist in Lyon genau richtig. Die Stadt am Fuße der französischen Alpen gilt noch immer Toptipp unter Gourmets. Dutzende Brasserien, Bistros und Bouchons, wie die auf Lyoner Küche spezialisierten Restaurants heißen, reihen sich in den verwinkelten Gassen der Altstadt aneinander. Auch Paul Bocuse, Wegbereiter der Nouvelle Cuisine und einst einer der bekanntesten Köche des Landes, war hier ansässig. Ihm ist die riesige Markthalle im Zentrum der Stadt gewidmet, in der regionale Delikatessen angeboten werden. Von der Altstadt mit ihren Renaissance-Bauten gelangt man in einer halben Stunde hinauf auf den Hügel Fourvière, auf dem die Notre-Dame de Fourvière thront. Unweit der Basilika liegt das römische Amphitheater, wo im Sommer Konzerte stattfinden und Besuchende den Blick über die Stadt genießen. Wem die Steinstufen auf den Hügel zu anstrengend sind, der kann auch am Ufer der Rhône spazieren. Kleiner Tipp: Der Garten des Musée des Confluences ist eine kleine Oase am Zusammenlauf zwischen Rhône und Saône.
Fachwerk und mehr: In Erfurt gibt es viel zu tun

Leipzig boomt ja gerade total. Aber wer das charmante Erfurt nicht kennt, sollte das unbedingt ändern. Endlos könnte man durch die alten Gassen voller Fachwerkhäuser bummeln. Lokale und viele hübsche Geschäfte haben sich dort angesiedelt, auch auf der berühmten Krämerbrücke, wo es sich direkt am Tor sehr gut frühstücken lässt. Auch der Eisladen auf der Brücke ist eine Sünde wert. In diesem Jahr wird übrigens das 700. Jubiläum des Erfurter Wahrzeichens gefeiert, das als die längste mit Häusern bebaute Brücke Europas gilt. Über eine beeindruckende Freitreppe mit 70 Stufen steigt man hinauf zum Erfurter Mariendom. Nicht weit entfernt liegt die Zitadelle Petersberg. Wer will, kann in der Stadtfestung hoch über der Altstadt sogar in einem Hotel übernachten. Viel zu tun gibt es in Erfurt. Wer dann noch Zeit hat, fährt in den Egapark - und erholt sich im Grünen.
Nordspanien jenseits des Pilgerstroms: Pontevedra bietet viel Geschichte

Ein bisschen länger als eine halbe Stunde dauert die Zugfahrt von Santiago de Compostela, dem weltberühmten spanischen Pilgerort nach Pontevedra. Und dieser Abstecher lohnt sich. Platzt der Pilgerort aus allen Nähten, drängen sich dort durch die Altstadt die Massen, lässt einen Pontevedra zur Ruhe kommen. Geschichte satt bietet sie ebenfalls, selbst wenn die mythische Stadtgründung durch Teukros, einen Helden des trojanischen Kriegs, bloß eine Legende war. In Römerzeiten entstand die erste Brücke über den Burgos, die der Stadt den Namen gab. In der Altstadt spürt man auch, dass dieser Ort einmal sehr gute Tage erlebt hatte. Pontevedra war einmal der wichtigste Hafen in Galizien, in der Epoche, als die Spanier ihr Weltreich geschaffen hatten. Von dem Glanz von einst bleiben prachtvolle Bauten. Und Pontevedra punktet dazu auch noch mit einer autofreien Innenstadt. Und dann gibt es da auch diese enge, schmale, verwinkelte Gasse, die einem vorkommt wie ein großes, häuserübergreifendes Restaurant. Ein Spektakel, dort einzukehren.
In Linz ist die Zukunft schon greifbar

Frühling in Linz. Warum weiterfahren bis Wien? Am Donauufer, wo das moderne Kulturmuseum Lentos steht, liegen schon die ersten Sonnenanbeter im Gras. Von hier aus schauen sie hinüber zum Ars Electronica Center, das des Abends wie ein bonbonfarbiger Dampfer vor Anker liegt. Hier darf Zukunft gedacht werden. Unter dem Motto „Navigating the Future“ haben Besucher jede Menge futuristischer Möglichkeiten: Sie können künstlicher Intelligenz beim „Denken“ zuschauen, selbstfahrende Autos trainieren, Roboter programmieren oder die eigene DNA mit der Genschere bearbeiten. Wie wäre es mit noch mehr Zukunft? Mit mehr als 300 Graffitis zieren die alten Industriebauten und grauen Häuserwände im Linzer Hafen in Europas größte Graffiti und Muralismo Galerie verwandelt. Besichtigt werden können die Kunstwerke im Rahmen von Führungen. Wer mag, kann sich dabei auch selbst als Sprayer versuchen.
Auf Kopernikus Spuren in der Lebkuchenhauptstadt Toruń

Mit seiner bezaubernden mittelalterlichen Altstadt und süßen Lebkuchen lockt die polnische Kleinstadt Toruń. Warum also weiterfahren nach Danzig? Das Städtchen an der Weichsel ist die Lebkuchenhauptstadt Polens. Sogar zwei Museen informieren über die traditionelle Backkunst. Im Muzeum Torunskiego Piernika können sich die Gäste auch selbst am Backen ausprobieren. Zum Probieren, also Essen, eignen sich die „Kathrinchen“ aber besser als Zierlebkuchen. Der berühmteste Sohn der Stadt machte sich im 16. Jahrhundert europaweit einen Namen: Nikolaus Kopernikus stellt die Sonne ins Zentrum des damaligen Weltbilds. Sein Geburtshaus kann besichtigt werden und gibt den Besucherinnen und Besuchern Einblicke in die Zeit um das Jahr 1473.
Nach dem Surfen im Pub aufwärmen in Sligo

Wassersportler und Wanderer entdecken die raue Westküste Irlands für sich. Als Urlaubsort und Startpunkt vieler kleiner und größerer Abenteuer bietet sich die muntere, kleine Stadt Sligo an. In den Pubs in der lebhaften Innenstadt spielen lokale Künstler Livemusik. Im Irland fern der Hauptstadt treffen sich hier wirklich noch alle - gerade volljährig und jenseits der Erwerbstätigkeit, nie das County verlassen und nur auf der Durchreise. Das Guinness schmeckt besonders gut nach einem ausgedehnten Spaziergang am Strandhill Beach am südwestlichsten Punkt der Bucht von Sligo. Am Fuß des Tafelbergs Ben Bulben, der oft in dicken Wolken steckt, liegt der Nationaldichter W.B. Yeats begraben. Am Garavogue River tummeln sich Surferinnen und Stand-Up-Paddleboarder. Die meiste Zeit des Jahres trotzen sie dem irischen Atlantik-Klima mit Ganzkörperneoprenanzügen. Zum Aufwärmen nach der Surfstunde eben wieder zurück in den Pub. Vielleicht ein Irish Coffee? Dabei nur nicht umrühren! Denn das ist auf der grünen Insel strengstens verboten.
In Lüttich auf den Spuren von Georges Simenon

Wer hat das nur verbrochen? Die Stadtführerin, die gerade eine Gruppe durch Lüttichs Altstadt lotst, würde wohl am liebsten gleich in diesem Fall ermitteln. Tatort Rathausplatz: Sie haben dem ehrwürdigen Georges Simenon – eine Brille auf die Nase gesetzt! Also zumindest seiner Bronze-Statue am Lütticher Rathaus. Dieser Fleck ist sogar nach dem größten Romanhelden des Krimi-Meisters benannt: „Place du Commissaire Maigret“. Die belgische Stadt hat viel zu bieten, der wunderbare Ausblick vom Bueren-Berg zum Beispiel, das Museum La Boverie oder die Kathedrale St. Paul. Aber viele kommen, um Simenon und seinem Helden Maigret nachzuspüren. Simenons weißes Elternhaus steht noch. Oder das alte Kommissariat an der Maas. Natürlich die im Krimititel verewigte Kirche von St. Pholien. Eine Buchhandlung hat sich ganz dem Werk Simenons verschrieben.
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