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Kommentar: Deutsche Wirtschaft macht sich von China zu abhängig

Kommentar

Deutsche Wirtschaft macht sich von China zu abhängig

Stefan Stahl
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    VW in China: Fahrzeugbauer in einer Werkshalle in Shanghai.
    VW in China: Fahrzeugbauer in einer Werkshalle in Shanghai. Foto: Ding Ting, XinHua, dpa

    Im Jahr 2014 kam der US-Ökonom Larry Summers zum Schluss, seine wirtschaftswissenschaftlichen Kollegen würden die Wachstumsmöglichkeiten Chinas zu optimistisch sehen. Gerade im zweiten Corona-Jahr ist klar: Summers hat sich getäuscht. Die Wachstumsstory Chinas setzt sich fort, auch weil das Land die Pandemie mit drakonischen Maßnahmen bekämpft. In Demokratien ist ein solches gegenüber den Interessen Einzelner rücksichtsloses Vorgehen zum Glück nicht möglich.

    Doch rein ökonomisch betrachtet, zahlt sich der rabiate Kurs für das Riesenreich aus. Während Europa durchhängt, scheint China die Krise überwunden zu haben. Darin steckt für wirtschaftlich schwer gebeutelte europäische Länder eine bittere Erkenntnis: Ausgerechnet das Land, von dem die Pandemie ihren Ausgang nahm, überwindet das Desaster als einer der ersten Staaten.

    Chinas Wirtschaft wächst nach Corona wieder stark

    Die chinesische Wirtschaft brummt nach der Corona-Pandemie wieder kräftig.
    Die chinesische Wirtschaft brummt nach der Corona-Pandemie wieder kräftig. Foto: Zhou Mu, dpa

    Analog zum Wort „Krisengewinnler“ lässt sich China – zumindest wirtschaftlich betrachtet – letztendlich als Profiteur der Pandemie bezeichnen. So ist die Volkswirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres um 18,3 Prozent gewachsen. Der exorbitant hohe Wert relativiert sich zwar, wenn man berücksichtigt, dass China in den ersten drei Monaten des Vorjahrs abgestürzt ist, weil die Pandemie dort früher als in anderen Ländern aufschlug.

    Doch selbst wenn der Sondereffekt rausgerechnet wird, ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal, wie Experten der Bank HSBC schreiben, noch um satte 5,4 Prozent angeschwollen. Für 2021 gehen Ökonomen davon aus, dass die chinesische Wirtschaft um mehr als sechs Prozent zulegt, also Deutschland um Längen abhängt.

    Die Stärke Chinas ist Segen und Fluch zugleich für uns. Ein Segen, weil die hohe Nachfrage entscheidend zu den Milliardengewinnen gerade deutscher Autobauer beiträgt. VW hat knapp eine Million der in den ersten drei Monaten dieses Jahres verkauften 2,43 Millionen Autos in China abgesetzt. Das sichert hierzulande zehntausende Jobs ab. Der Fluch ist nur: Die kommunistischen Machthaber spielen die Karte gnadenlos aus, wenn es darum geht, Kritik an eklatanten Menschenrechtsverstößen von deutscher Seite abzublocken.

    VW-Chef in der moralischen China-Zwickmühle

    Vor allem Automanager wie VW-Chef Herbert Diess befinden sich in einer Zwickmühle: Er weiß um das drakonische Vorgehen der Machthaber etwa gegen die im Gebiet Xinjiang lebenden Uiguren. So sollen, rechnen Menschenrechtsaktivisten hoch, rund eine Millionen dieser Menschen im Nordwesten Chinas in Lagern festgehalten werden. Das niederländische Parlament spricht von einem „Völkermord“. EU hat deshalb endlich Sanktionen gegen die Verantwortlichen für die Unterdrückung der muslimischen Minderheit erhoben Die. Ausgerechnet in der chinesischen Region betreibt VW ein Autowerk.

    VW-Vorstandschef Herbert Diess kommt beim Thema „Uiguren“ regelmäßig ins moralische Schwimmen.
    VW-Vorstandschef Herbert Diess kommt beim Thema „Uiguren“ regelmäßig ins moralische Schwimmen. Foto: Sebastian Willnow, dpa

    Der sonst, was Klimaschutz und Elektromobilität betrifft, glaubwürdig auftretende Diess, kommt beim Thema „Uiguren“ regelmäßig ins moralische Schwimmen. Das schadet dem Image von Volkswagen. Doch die Abhängigkeit von dem Automarkt ist zu groß, um sich, was konsequent wäre, aus der Region zurück zu ziehen.

    Ein starkes Europa ist die beste Anti-China-Strategie

    Der Fall VW zeigt, wie gefährlich die zu hohe Abhängigkeit Deutschlands von China ist. Dagegen gibt es nur eine realistische Langfrist-Strategie: Wenn Europa wirtschaftlich auf die Beine kommt und Konzerne wie VW dort deutlich mehr Autos verkaufen, verringert sich die Abhängigkeit von China zumindest etwas. Die Machthaber des Landes, wie Staatspräsident Xi Jinping, treten aufreizend siegesgewiss, ja überheblich auf. Von dem Politiker stammt der Satz: „Der Osten steigt auf, der Westen steigt ab.“ Ökonomisch mag das zutreffen, moralisch steigt China zunehmend ab.

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