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Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner

Die Ultras in der FCA-Fankurve sorgen für Stimmung im Stadion. Vor allem außerhalb des Stadions gibt es allerdings immer wieder Ärger für den oder anderen Ultra. Der Fall eines Fans hat jetzt die Justiz beschäftigt.

Prozess
30.08.2018

Stadt sperrt FCA-Ultra für 14 Stunden aus Augsburg aus

Von Klaus Utzni, Michael Hörmann

Wenn der FCA spielt, soll ein 25-Jähriger weite Teile Augsburgs meiden. Zwei Gerichte weisen die Entscheidung zurück, der Fan muss dennoch Abstand halten.

Ultras sehen sich als Fans, die mit vollem Einsatz für ihren Verein leben. Viele tun dies friedlich, machen Choreografien im Stadion und feuern die Mannschaft frenetisch an. Es gibt aber auch Problemfans, die Streit suchen. Ihre „Gegner“ sind ähnlich strukturierte Ultras bei anderen Vereinen – und oftmals Polizeibeamte.

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Wenn der FCA am Samstag um 15.30 Uhr das erste Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach austrägt, mag man sich die Frage stellen, wie gefährlich ein Stadionbesuch ist und wie die FCA-Ultras einzuordnen sind. Einer, der Bescheid weiß, ist Bernd Waitzmann, Einsatzleiter der Polizei bei Heimspielen. Er sagt: „Spiele in der WWK-Arena sind Veranstaltungen, die man unbesorgt besuchen kann.“ Alles laufe jedoch nicht problemlos: „Die Fanszene ändert sich und passt sich an. Neben Jahren mit deutlich mehr Problemen und Straftaten – es war vor allem die Saison mit der Europa League-Teilnahme des FCA – war tendenziell die zurückliegende Saison eine erfreuliche Zeit.“ Einen Ausreißer habe es gegeben: Das Regionalligaspiel der zweiten FCA-Mannschaft gegen 1860. Hier gab es schwere Ausschreitungen, die sich auch auf die Innenstadt auswirkten.

Mike A. wird am Samstag nicht beim Spiel sein

Genau deshalb wird Mike A., 25, (Name geändert) am Samstag nicht im M-Block in der „FCA-Nordwand“ der WWK-Arena stehen. Mike ist bekennender Ultra aus der Gruppe „Legio Augusta“ und unterliegt derzeit einem bundesweiten Stadionverbot und einer Bewährungsauflage aus einem Strafurteil. Die Stadt Augsburg, die den 25-Jährigen als „Problemfan“ und „Gewalttäter Sport“ einstuft, wollte ihn anders an die Kandare nehmen: Sie verfügte – wohl erstmals überhaupt – ein „Betretungs- und Aufenthaltsverbot“. Mike A. sollte bei Spielen in der WWK-Arena und im Rosenaustadion am Spieltag 14 (!) Stunden lang weite Teile des Stadtgebietes nicht betreten. Die Justiz sah in der Anordnung ein juristisches Foul. Das Augsburger Verwaltungsgericht und der bayerische Verwaltungsgerichtshof hoben das Verbot auf. Mike A. siegte nach Punkten.

Die Ordnungsbehörde der Stadt hatte das Verbot nach dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz mit den Erkenntnisse der Polizei begründet, nach denen der Ultra in Zusammenhang mit 15 Vorfällen seit 2010 in Augsburg, München, Berlin, Fürth, Bayreuth und Regensburg sowie in Wien bei mehr oder weniger gewalttätigen Auseinandersetzungen unter Fans aufgefallen war. Im März 2014 sei er vom Polizeipräsidium Frankfurt in der Datei „Gewalttäter Sport“ ausgeschrieben worden. Überdies listete die Polizei zwölf FCA-Spiele auf, bei denen es im Umfeld zu Auseinandersetzungen zwischen FCA-Ultras und Fans der gegnerischen Mannschaft gekommen war, ohne dass Mike A. persönlich eine Beteiligung nachgewiesen werden konnte. Weil der 25-Jährige aber stets die Nähe zu dieser Szene suche, sei von ihm auch künftig ein „Gefährdungspotenzial“ auszugehen, prognostizierte die Stadt.

Sie setzte das Aufenthaltsverbot im August 2017 auf sechs Stunden vor den Spielen der Bundes- und der Regionalligamannschaft und sechs Stunden danach fest – insgesamt 14 Stunden am Spieltag. Beigelegt waren der Anordnung – Verwaltungskosten 104,11 Euro – zwei Stadtpläne, auf denen große Gebiete farbig markiert waren; ein Plan für das Rosenaustadion, einer für die WWK-Arena. Auf 25 Zeilen sind Straßen, Gehwege, Tramtrassen und Haltestellen bezeichnet, die die Gebiete umschließen. Über seine Anwältin Martina Sulzberger ging Mike A. zum Konter über: Er klagte beim Verwaltungsgericht Augsburg gegen den Bescheid.

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Anwältin kritisiert: „Nicht für alle Ultra-Vorfälle mit verantwortlich“

Anwältin Sulzberger kritisierte vor allem die Meinung der Stadt, ihr Mandant müsse sich sämtliche Vorfälle Augsburger Ultras persönlich anrechnen lassen, obwohl er teils nicht dabei gewesen sei. Ihr Mandant sei bislang lediglich einmal vom Amtsgericht wegen Beleidigung und Sachbeschädigung zu einer Bewährungsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Inzwischen bezog das Münchner Amtsgericht einen weiteren Vorfall in ein Urteil ein.

Das räumliche und zeitliche Verbot, so die Anwältin, sei so umfassend, dass ihr Mandant an Spieltagen weder zum Einkaufen noch zur Arbeit seine Wohnung verlassen könne. „Es ist ihm sogar unmöglich, bei Freitagsspielen die Berufsoberschule zu besuchen wo der Unterricht bis 17.15 Uhr dauert.“ Mike A. habe sich seit März 2017 „völlig legitim“ verhalten. Deshalb gehe keine konkrete Gefahr von ihm aus. „Das Verbot sprengt jegliche Grenzen des rechtlich Zulässigen“, so die Anwältin.

Die Stadt gab sich nicht geschlagen

Sie hatte Erfolg: Der Bescheid der Stadt sei rechtswidrig, urteilte die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts im September 2017. Formal sei ein solcher zulässig, im konkreten Fall aber „zeitlich und räumlich zu weitgehend und deshalb unverhältnismäßig“, heißt es im Urteil. Die Stadt gab sich nicht geschlagen, stellte Antrag auf Zulassung einer Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) München und holte sich eine erneute Abfuhr: Der VGH lehnte ab und rügte erneut den Betretungsplan der Stadt Augsburg, in dem nicht erkennbar sei, welcher Bereich bei welchem Spiel (WWK-Arena oder Rosenaustadion) betreten werden dürfe. Die Stadt muss 3500 Euro Gerichtskosten tragen.

Für Mike A. gilt bis nächstes Jahr ein bundesweites Stadionverbot für sämtliche Ligen. Bei Spielen des FCA, von Bayern München, 1860 München und der Würzburger Kickers darf er sich von vier Stunden vor dem Match bis vier Stunden danach dem Stadion in einem Umfeld von zwei Kilometern nicht nähern. Somit könne sich Mike A., so die VGH-Richter, für die Zukunft bewähren. „Das macht er“, versichert Anwältin Sulzberger gegenüber unserer Zeitung.

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