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Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild)
Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild)

Bayerns Schülerinnen und Schüler müssen im Inneren weiterhin Maske tragen.

Corona-Pandemie
05.03.2022

Corona-Schutz an Schulen: Top oder Flop?

Von Sarah Ritschel

Plus Nach den Ferien sitzen Bayerns Schülerinnen und Schüler weiter mit Maske im Klassenzimmer, testen sich mehrmals die Woche. Nützlich? Unnötig? Das sagen Experten.

Seit vier Monaten tragen Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer Maske – und tun es nach den Faschingsferien auch weiterhin. Am kommenden Montag fallen lediglich die Masken im Sportunterricht. Auch regelmäßige Tests im Klassenzimmer sind weiter Pflicht, PCR-Pool-Tests werden sogar ausgeweitet und ersetzen in den Jahrgangsstufen fünf und sechs ab sofort die als weniger sicher geltenden Schnelltests. Aber ist das Sicherheitsnetz auch die beste Art und Weise, Schülerinnen und Schüler vor Omikron zu schützen, ohne sie gleichzeitig unnötig zu quälen?

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Maskenpflicht am Sitzplatz?

Vor allem der Mundschutz am Sitzplatz ist mittlerweile höchst umstritten, Eltern berichten gegenüber unserer Redaktion von körperlichen und sozialen Problemen ihrer Kinder durch die Maske. Der Regensburger Kinderarzt Dr. Dominik Ewald, Landesvorsitzender der Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ), steht hingegen auf der Seite der Maskenbefürworterinnen und -befürworter. „Sie ist zwar lästig, aber immer noch der effektivste und einfachste Schutz vor einer Infektion“, erklärt er – gerade angesichts der Enge im Klassenzimmer. „In der Arbeitswelt versucht man, unbedingt zu vermeiden, dass 30 Leute miteinander in einem Raum sitzen. An Schulen geht das nicht.“ Er sieht das Risiko, dass Schülerinnen und Schüler gerade nach den Ferien das Virus mit ins Klassenzimmer bringen könnten. „Im Innenbereich sollte man die Maskenpflicht meiner Meinung nach noch den März über aufrechterhalten.“

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Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild)
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Geimpft sind gerade viele der jüngeren Schülerinnen und Schüler noch nicht.

Wie die Aerosole im Klassenzimmer fliegen, untersucht Prof. Christian Kähler seit Beginn der Pandemie. Auch der Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Münchner Universität der Bundeswehr ist grundsätzlich für Masken im Unterricht. Die jetzige Regelung hält er trotzdem für weitgehend sinnlos. Denn an Schulen sind lediglich OP-Masken vorgeschrieben, für die Jüngsten sogar nur Alltagsmasken aus Stoff. "Das ist nutzlos. OP-Masken bieten gerade mal einen Spuckschutz, schützen aber nicht vor Infektionen." Heißt: Um Ansteckungen so gut wie möglich auszuschließen, muss es Kähler zufolge FFP2-Standard sein.

Tests im Klassenzimmer?

Mit dem Wissen, dass Schnelltests bei der Omikron-Variante nur sehr unzuverlässig anschlagen, stellen Kinderärztinnen und Jugendmediziner eine eindeutige Forderung: „Anlasslose Antigen-Schnelltests/PCR-Pooltests sollten ab sofort eingestellt werden“, schreibt die DGKJ in ihrer neuen Empfehlung. Insbesondere bei jüngeren Kindern seien die Ergebnisse unzuverlässig. Getestet werden solle also nur auf Wunsch des Kindes oder bei Covid-19-Symptomen. „Nur bei positivem Antigentest sollte eine häusliche Isolation erfolgen und ein Bestätigungstest mittels PCR eingeleitet werden.“

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Foto: Matthias Balk, dpa
Foto: Matthias Balk, dpa

Schnell- und Pooltests sind mittlerweile Alltag für die Schülerinnen und Schüler.

Um die Sicherheit an Schulen zu erhöhen, setzen das Kultus- und das Gesundheitsministerium nach den Ferien nicht mehr nur in den Jahrgangsstufen eins bis vier, sondern auch in den fünften und sechsten Klassen auf das als höchst sensibel geltende PCR-Pool-Verfahren. Dabei werden Watteproben einer ganzen Klasse zunächst zusammengeworfen und gemeinsam ausgewertet - ist der sogenannte Pool positiv, folgen Einzeltests. Auch das sei bei hohen Inzidenzen nicht sinnvoll, moniert die DGKJ. PCR-Tests stünden aktuell nicht ausreichend zur Verfügung und würden unnötig Ressourcen binden.

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Der Aerosol-Experte Kähler sieht bei den Tests den Vorteil, dass sie zumindest Superspreader-Events "detektieren", sprich anzeigen können. Das wiederum macht zum Beispiel sinnvolle Quarantäne-Maßnahmen möglich.

Was bringt ein Luftfilter?

Um den Beitrag von Luftreinigungsgeräten zur Sicherheit an Schulen zu bewerten, muss man etwas ausholen. Denn wie viele es in Bayern gibt, um diese Frage ist zuletzt ein Kampf um die Deutungshoheit entbrannt. Das Bayerische Kultusministerium meldet , dass in mittlerweile über 70 Prozent aller Klassenzimmer Luftfilter im Einsatz sind. Die Grünen im Landtag - und auch die Gewerkschaft GEW sowie viele Eltern im Freistaat - bezweifeln das. Das Ministerium beruft sich auf die Fördergelder des Staates, die für die Anschaffung von Luftreinigern schon bewilligt wurden - und rechnet sie hoch auf die Anzahl der Klassenzimmer.

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Foto: Marijan Murat, dpa
Foto: Marijan Murat, dpa

Mobile und fest installierte Luftreinigungsgeräte sind nicht in allen Klassenzimmern vorhanden.

Max Deisenhofer, Bildungsexperte der Grünen, hält das für eine „konstruierte Fantasiezahl“: „Die Systematik ist so, dass bereits vor der Anschaffung Gelder beantragt und bewilligt werden, die Auszahlung erfolgt aber erst nach der Anschaffung mit der entsprechenden Rechnung.“ Seine Partei geht eher von 30 Prozent mit Luftfiltern ausgestatteten Klassenzimmern aus. „Der Kultusminister rechnet sich die Lage schön.“

Auch Physiker Christian Kähler sieht Versäumnisse bei der Politik: „Schutzmaßnahmen wie die Maske sind nur deshalb nötig, weil Luftfilter und auch transparente Schutzwände nicht flächendeckend installiert wurden.“ Sein Forschungsteam empfahl im Herbst 2020 ein Modell mit mobilen Raumluftreinigern und transparenten Schutzwänden zwischen den Pulten der Schüler. Dieses Paket hatte in Experimenten am besten abgeschnitten – unter der Voraussetzung, dass die Geräte die Luft mindestens sechs Mal pro Stunde austauschen. Eine weitere Münchner Studie bescheinigt auch dezentralen Lüftungsanlagen, wie es sie in modernen Schulgebäuden gibt, gute Ergebnisse.

Es sei noch nicht zu spät, flächendeckend mit Luftfiltern nachzurüsten, sagt Kähler: „Wir werden in Zukunft mit neuen Varianten des Virus zu tun haben. Man sollte die Raumluftreiniger jetzt installieren – und sie dauerhaft betreiben.“

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