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Foto: Jens Kalaene, dpa
Foto: Jens Kalaene, dpa

Die elektronische Patientenakte soll persönliche medizinische Daten verschlüsselt in einem digitalen System zusammenführen. Das soll die Behandlung effizienter machen.

Gesundheit
03.04.2023

Ärzte sehen Nachholbedarf bei der elektronischen Patientenakte

Von Paula Binz

Plus Alle Versicherten sollen eine elektronische Patientenakte bekommen. Bayerische Ärzte befürchten eine deutliche Mehrbelastung. Auch die Stiftung Patientenschutz äußert Bedenken.

Röntgenbilder auf CD oder Arztbriefe per Fax – das soll es nach den Plänen des Bundesgesundheitsministers bald nicht mehr geben. Karl Lauterbach (SPD) möchte die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Sein Ziel: Ab 2024 soll für alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) eingerichtet werden. Das bedeutet: Wer nicht aktiv widerspricht, ist dann automatisch dabei.

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Bislang ist das Vorhaben nicht gerade von Erfolg gekrönt. Obwohl die ePA bereits seit 2021 freiwillig nutzbar ist, wird sie von nicht einmal einem Prozent der Versicherten genutzt. Auch einige Ärzte im Freistaat verfolgen Lauterbachs Pläne mit Skepsis. Mit Blick in die Praxen sei die bisherige Version nicht alltagstauglich, die Nachfrage der Patientinnen und Patienten gleich null, heißt es.

Elektronische Patientenakte soll die Behandlung effizienter machen

Doch vorab: Was ist eine elektronische Patientenakte überhaupt? Damit können Versicherte medizinische Daten – etwa Blutwerte, Untersuchungsbefunde oder Notfalldaten – gebündelt und verschlüsselt in einem digitalen System zusammenführen. Dafür laden sie die Akten in einer App auf dem Handy hoch oder bitten ihre Ärztin oder ihren Arzt darum. 

Welche Medikamente nimmt eine Patientin oder ein Patient ein? Welche Untersuchungen wurden bereits durchgeführt? Bislang liegen viele solcher Informationen nur zerstreut in diversen Aktenordnern in Praxen und Kliniken vor. Durch die ePA soll die Datenvermittlung zwischen behandelnden Ärzten vereinfacht und die Behandlung verbessert werden, indem sich etwa Doppeluntersuchungen vermeiden lassen. 

"Die ePA ist eine medizinisch sinnvolle Lösung, nicht aber in der jetzigen Version"

Beim Bayerischen Hausärzteverband lehnt der Landesvorsitzende das Konzept zwar nicht pauschal ab, sieht eine flächendeckende Einführung jedoch skeptisch. "Die ePA ist eine medizinisch sinnvolle digitale Lösung, nicht aber in der jetzigen Version", betont Dr. Wolfgang Ritter in einer schriftlichen Stellungnahme. Das System müsse im täglichen Umgang in den Praxen leicht zu verwalten sein und eine sinnvolle interne Struktur haben. Das sei zum jetzigen Stand nicht ausreichend gegeben.

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Nach Ritters Einschätzung liege die niedrige Akzeptanz der ePA nicht an den technischen Voraussetzungen. Denn 98 Prozent der Arztpraxen seien auf dem notwendigen Stand. Vielmehr kritisiert der Landesvorsitzende den "aufwendigen Anmelde- und Identifizierungsvorgang". Der Ärger der Patientinnen und Patienten sowie die zusätzliche Arbeit bleibe dadurch bei den Hausärztinnen und Hausärzten hängen.

Um eine ePA einzurichten, müssen sich Versicherte bislang selbstständig bei ihrer Krankenkasse registrieren und eine dafür vorgesehene App herunterladen. Die Daten müssen bei jeder Nutzung freigeschaltet werden – über eine persönliche Identifikationsnummer (PIN) oder eine Zwei-Faktor-Authentifizierung. Außerdem besteht die Möglichkeit, für jedes Dokument einzeln zu bestimmen, wer darauf zugreifen darf. Damit Ärztinnen und Ärzte die Akte einsehen können, benötigen sie ihren Heilberufsausweis und ebenfalls eine PIN. 

Das Befüllen der elektronischen Akte kostet die Ärzte viel Zeit

In diesem Verfahren sieht auch Dr. Marc Metzmacher, Experte für Digitalisierungsfragen beim Bayerischen Hausärzteverband, große Herausforderungen: "Dadurch, dass nur die Ärzteschaft die Akte befüllen darf, kann diese Aufgabe nicht an Arzthelferinnen oder -helfer delegiert werden." Wie viel zusätzliche Arbeit und Zeit das Befüllen der digitalen Akten kosten werde, zeichne sich bereits an den Krankmeldungen ab, die seit 1. Januar nur noch elektronisch ausgehändigt werden dürfen. "Das ist ein großer Mehraufwand."

Jedoch sei eine ePA eben nur dann sinnvoll, wenn sie konsequent und stetig befüllt werde. Als leitender Notarzt ergänzt Metzmacher: "Wenn sich Notärzte darauf verlassen, dass die Akte vollständig ist, das aber nicht der Fall ist, kann das sehr gefährlich werden." Dazu kommt, dass die Nachfrage der Patientinnen und Patienten verschwindend gering sei. "Ich hatte in meiner Praxis noch niemanden, der eine digitale Akte wollte und kenne auch keine Kollegen, bei denen es anders ist."

Stiftung Patientenschutz äußert Bedenken zur Datensicherheit

Die Stellungnahme der Deutschen Stiftung Patientenschutz beginnt mit einem klaren Bekenntnis. "Es wird allerhöchste Zeit, dass die E-Patientenakte kommt", sagt Vorsitzender Eugen Brysch, richtet aber scharfe Worte an den Bundesdatenschutzbeauftragten: "Anstatt sich seiner Verantwortung als Datenschützer bewusst zu sein, richtet Ulrich Kelber sein Handeln anscheinend eher nach parteipolitischen Interessen aus." Bei der Weitergabe anonymisierter Daten zu Forschungszwecken liege "noch einiges im Dunkeln". 

Zudem kritisiert Brysch, dass alle Versicherten ab 2024 eine ePA bekommen sollen, solange sie nicht aktiv widersprechen: "Schweigen heißt nicht automatisch Zustimmung." Außerdem müssten auch "digital unerfahrene Menschen" in den Blick genommen werden. Brysch fordert daher: "Der Bundesgesundheitsminister muss bei seinem Gesetz für mehr Klarheit sorgen."

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