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Foto: Sebastian Gollnow, dpa
Foto: Sebastian Gollnow, dpa

Derzeit kommen besonders viele kleinere Kinder mit einer RSV-Infektion ins Krankenhaus.

Gesundheit
01.12.2022

Die RSV-Welle rollt: Wie dramatisch ist die Lage in den Kinderkliniken in der Region?

Von Christina Heller-Beschnitt

Plus Kinder, die in Aufenthaltsräumen schlafen oder nicht wie geplant ins Krankenhaus gehen können. Das passiert in Kliniken in der Region gerade häufig. Ein Grund: das RS-Virus.

Weil die Zahl der RSV-Infektionen – einer Viruserkrankung, die die Atemwege befällt – bei Kindern momentan rasch ansteigt, spricht der Kinderintensivmediziner Florian Hoffmann von einem dramatischen epidemischen Geschehen. Oder anders ausgedrückt: Unter Klein- und Kindergartenkindern gibt es gerade eine Epidemie. Viele von ihnen werden krank und einige müssen ins Krankenhaus. Das Robert-Koch-Institut sagt, die Zahl der RSV-Infektionen liege höher als üblich. Viele Kinderstationen in Krankenhäusern sind überlastet. Das ist die deutschlandweite Lage. Aber wie sieht es in der Region aus?

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Zunächst einmal vorweg: Dass sich Menschen im Winter mit dem RS-Virus – kurz für Respiratorischen Synzytialvirus – anstecken, ist normal. Vor allem bei kleineren Kinder, die sich zum ersten Mal infizieren, kann die Krankheit schwerer verlaufen. Dass sie ins Krankenhaus müssen, ist nicht ungewöhnlich. Doch die Anzahl der Kinder, die momentan wegen einer RSV-Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist in diesem Jahr ungewöhnlich hoch. Dazu kommt: Die Krankheit tritt momentan fast überall gleichzeitig auf. Auch das war früher anders. Oliver Götz, leitender Oberarzt der Kindermedizin am Klinikum in Kempten, beschreibt es so:. „In der Vergangenheit gab zum Beispiel erst eine Welle im Augsburger Raum und dann, etwas später, im Allgäu. Die Infektionen haben sich zeitlich verteilt.“ Das macht die momentane Lage aus seiner Sicht so dramatisch, weil es den Kliniken schwerer falle, sich untereinander auszuhelfen.

Kinderstationen in der Region sind fast alle voll besetzt

Und tatsächlich ist es so: Egal bei welchem Krankenhaus in der Region man nachfragt, alle berichten davon, dass ihre Kinderstationen momentan fast voll, voll oder übervoll seien. Nicht nur wegen des RS-Virus, aber auch deswegen. So fasst es zum Beispiel Michael Steidl, Leitender Oberarzt der Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum in Landsberg zusammen. Er sagt außerdem: "Die Auslastung ist hoch, wobei nie vergessen werden darf, dass es neben Atemwegserkrankungen auch noch andere stationär behandlungsbedürftige Krankheitsbilder gibt."

Florian Wild, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin in Neuburg verdeutlicht die Lage in seinem Haus mit Zahlen. Dort könnten 45 Kinder behandelt werden, sagt er. "Momentan sind mehr als die Häfte dieser Patienten wegen einer RSV-Infektion oder einer Influenza bei uns." Und es kämen täglich neue hinzu. Im Schnitt entlasse er am Tag zehn bis 15 Kinder und nehme genauso viele wieder auf. Das sei deutlich mehr als üblich.

Ein Blick in das Intensivregister bestätigt die angespannte Lage. Auf den Kinderstationen der Krankenhäuser in der Region stehen fast alle Ampeln auf gelb oder rot. Das heißt, der Platz dort ist begrenzt oder sogar gänzlich belegt.

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Was das in der Praxis heißt? Im Krankenhaus in Memmingen zum Beispiel können nur noch akute Fälle behandelt werden. Geplante Krankenhaustermine müssen verschoben werden. Der Kemptner Oberarzt Oliver Götz berichtet, sie kämen zwar noch zurecht, müssten aber jeden Tag neu planen, wie sie die Kinder versorgen können. Er könne fast nur dann noch neue Patienten aufnehmen, wenn er Genesene entlasse. „Uns fehlen auch die Betten. Die Kinder liegen inzwischen überall, auch in Aufenthaltsräumen“, sagt er.

Gesundheitsminister Klaus Holetschek will die Kinderkliniken entlasten

Dazu kommt, dass er häufig Anfragen bekomme, Kinder aus anderen Kreisen aufzunehmen, weil die Häuser dort überlastet sind. "Wir haben fast täglich verzweifelte Kolleginnen oder Kollegen aus München oder anderen Orten am Telefon, die nach einem Bett suchen", sagt er. Ähnliches berichtet auch der Landsberger Oberarzt Steidl. Auch deshalb würde Götz sich wünschen, dass die Politik der Überlastung auf den Kinderstationen mehr Beachtung schenke, und an Lösungen arbeite.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek ist sich des Problems bewusst und sagt, das Gesundheitsministerium arbeite derzeit daran, die Krankenhäuser zu entlasten. "Angesichts der Dramatik der geschilderten Ausnahmesituation müssen wir dabei auch unliebsame Maßnahmen in Erwägung ziehen", sagt Holetschek. So könne er sich zum Beispiel vorstellen, dass auf Kinderstationen Pflegepersonaluntergrenzen nicht mehr eingehalten werden müssen. Eine andere Idee sei, Pflegepersonal von Erwachsenenstationen einzusetzen, um die Lücke zu schließen. Eine andere Überlegung ist es, ältere Kinder oder Jugendliche mit Knochenbrüchen auf Erwachsenenstationen zu behandeln, um Kapazitäten auf Kinderstationen zu schaffen. Wie genau die Lösungen aussehen könnten, soll nach Angaben des Ministers demnächst mit Expertinnen und Experten aus der Kinder- und Jugendmedizin erarbeitet werden.

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