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Foto: Franziska Gabbert/dpa
Foto: Franziska Gabbert/dpa

So sieht er aus, der Organspendeausweis. Das Kärtchen gibt es bei den Krankenkassen, in vielen Apotheken und Arztpraxen. Auf der Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kann man den Ausweis als Plastikkarte kostenlos bestellen.

Organspende
08.09.2018

Wer im Landkreis Dillingen hat einen Spenderausweis?

Von Jakob Stadler, Simone Bronnhuber

Damit mehr Organe gespendet werden, will Gesundheitsminister Spahn ein Gesetz ändern. Was der Landrat, ein Arzt, ein Pfarrer und ein Bestatter dazu sagen.

Was passiert mit den Organen nach dem Tod? Ein Herz, eine Lunge, eine Niere können einem kranken Menschen das Leben retten. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stehen 84 Prozent der Deutschen dem Thema Organspende positiv gegenüber. Einen Organspendeausweis haben aber nur 36 Prozent. Deshalb steht nun ein Vorschlag des Gesundheitsministers Jens Spahn im Raum: die Widerspruchslösung. Dann könnten die Organe eines Toten gespendet werden, wenn dieser oder seine Angehörigen der Spende nicht ausdrücklich widersprechen. Bisher ist eine ausdrückliche Zustimmung nötig. Etwa durch den Organspendeausweis. Wir haben den Landrat, einen Arzt, einen Pfarrer und einen Bestatter gefragt, ob sie so einen Ausweis haben.

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Landrat: Aufklärungskampagne starten

Landrat Leo Schrell erzählt, dass er sich vor einigen Jahren eigentlich sicher war, dass er einen Organspendeausweis haben will. Eigentlich. Aber dann sei der Skandal rund um das Thema in den Medien hochgekocht. „Das hat mich bewogen, keinen Spenderausweis zu haben“, sagt Schrell. Diese Entscheidung sei eine sehr persönliche, und gehöre auch zur Menschenwürde. Er könne jeden verstehen, dem die Unversehrtheit seines Körpers auch nach dem Tod wichtig sei. „Ich denke, man muss das Thema neu diskutieren. Der Organspendeskandal liegt nun lange zurück. Man kann neues Vertrauen schöpfen und schaffen“, sagt der Landrat. Er hofft, dass sich viele freiwillig für die Spende entscheiden, zwingen solle man aber niemanden. Deshalb habe er auch zum Vorschlag des Gesundheitsministers eine zweigeteilte Meinung. „Das Thema ist höchstsensibel. Man darf da nichts übers Knie brechen. Ich wünsche mir, dass erst eine Aufklärungskampagne gestartet wird.“

Arzt: "Ich stelle auch Ausweise aus"

Dr. Achim Neumayr, Sport- und Allgemeinmediziner in Villenbach, hat auch keinen Organspendeausweis. Das hat einen plausiblen Grund: „Ich bin in einem Alter, in dem es nicht mehr sinnvoll ist, Organspender zu sein. Meine Organe sind ja auch dementsprechend alt. Früher hatte ich einen Ausweis“, sagt der 65-Jährige. Als Arzt kenne und kannte er genügend Menschen, die dringend ein neues Organ brauchen. „Deshalb finde ich es prinzipiell richtig, dass man die Kausalität umdreht. Wenn jemand nicht spenden will, dann soll er das zum Ausdruck bringen“, so Neumayr.

Der Vorschlag von Gesundheitsminister Spahn sei nicht neu, viele europäische Staaten würden das schon lange so handhaben. „Wir sind keine Vorreiter. Das System hat sich ja bereits als vernünftig herausgestellt, etwa in Spanien. Dort gibt es wesentlich mehr Spender als bei uns.“ Neumayr sagt, dass Organspende auch in seiner Praxis immer wieder Thema sei, Patienten sich regelmäßig darüber informieren. „Ich stelle auch Ausweise aus. Die haben wir im Repertoire“, sagt der Villenbacher Arzt. Bei all der Diskussion koche aus seiner Sicht eine ganz andere Frage hoch: Wer kriegt ein Organ? Und: Wie lang soll man jemanden die Organspende gewähren? „Man muss auch diskutieren, wann Organspende Sinn macht.“

Pfarrer: Solche Dinge schiebt man vor sich her

Dillingens Stadtpfarrer Wolfgang Schneck hat einen Organspendeausweis – unausgefüllt, auf seinem Zu-erledigen-Stapel. „Das auszufüllen ist ein sehr persönlicher Akt“, sagt der Pfarrer. Das sei wie mit einem Testament oder einer Patientenverfügung, solche Themen schiebe man vor sich her. „Und dann wird man älter und sagt: Ach, meine alte Leber, wer will die denn noch?“ Ein Testament habe er aber nach langem Zaudern aufgesetzt. Der Organspendeausweis könne also noch folgen. „Ich warte auf den Augenblick der Muse.“

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Die Widerspruchslösung sieht Schneck kritisch. „Es ist ein pädagogischer Ansatz“, sagt er. Er verstehe den Minister und dass die Not groß sei. „Aber das sollte eine bewusste Entscheidung sein.“ Gleichzeitig sehe er auch die Wartenden, die ein Organ benötigen. Dann wird er grundsätzlich: „Wenn der Wille für andere einzustehen in einer Gesellschaft schwindet, dann wird das Miteinander in jeder Hinsicht schwierig.“ Und aus christlicher Sicht spreche nichts dagegen, Organe zu spenden. Er vergleicht das mit der Urnenbestattung – da habe es anfangs auch Skeptiker gegeben. Eine Skepsis, die man respektieren sollte. Aber inzwischen sei die Urnenbestattung Normalität und sogar eher häufiger als eine Erdbestattung.

Bestatter: Der Mensch gilt nach dem Tod als Sache - die Würde muss erhalten bleiben

Bestatter Wolfgang Düthorn hat von Berufs wegen mit dem Tod zu tun – mit Organspenden allerdings nicht. „Wenn die Angehörigen zu uns kommen, ist das schon entschieden“, sagt er. Bei ihm sei es aber manchmal Thema, dass der Körper eines Verstorbenen an das anatomische Institut gespendet werden soll, wo Medizinstudenten lernen. Auf die Frage nach dem Organspendeausweis antwortet er: „Ehrlich gesagt habe ich mich damit noch nicht wirklich befasst.“ Vielleicht liege es sogar an den Situationen, die er im Beruf erlebe, dass er die Entscheidung selbst nicht getroffen hat.

Die Widerspruchslösung findet er falsch. „Der Mensch muss das selbst entscheiden“, sagt er. Es sei ein heikles Thema. Und wie verhalte es sich bei Dementen oder bei Kindern, die diese Entscheidung nicht treffen können? Zwar gelte der Mensch nach dem Tod juristisch als Sache, „aber man muss die Würde erhalten“. Der Vorschlag betrachte den Bürger als staatliches Eigentum. „Das finde ich fast schon skandalös.“ In seinem Beruf erlebt Düthorn, dass manche Verstorbenen vor ihrem Tod klar erklärt haben, was sie sich wünschen – etwa eine Urnen- oder Erdbestattung. Andere haben diese Entscheidungen nicht getroffen. Dann sind die Angehörigen gefragt. „Wesentlich ist immer: Wie hätte er das selbst gemacht?“ Den Angehörigen hilft es, wenn darüber vor dem Tod geredet wurde.

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