Nach Kritik vom Ministerium: Zweckverband will Krankentransportwagen für die Nacht
Plus Zu oft werden nach Ansicht des Innenministeriums Rettungswagen für Krankentransporte zweckentfremdet. Was die zuständigen Stellen in der Region dazu sagen.
Das Bayerische Innenministerium hat per E-Mail eine eindringliche Warnung unter anderem an die Integrierten Leitstellen und die Rettungsdienst-Organisationen verschickt. Das System einer flächendeckenden und zeitgerechten Notfallversorgung werde gefährdet, weil es regelmäßig Engpässe gebe, wenn Rettungswagen (RTW) zweckentfremdet würden - statt für Notfallpatienten für Krankentransporte. Dabei gebe es dafür die Krankentransportwagen (KTW). Diese "Kreuzverwendung" müsse eine Ausnahme sein und begründet werden. Die Zweckverbände werden aufgefordert, die Vorhaltung im Krankentransport anzupassen, sollten dort nun Engpässe entstehen. Doch wie einfach ist das im Rettungsdienstbereich Donau-Iller mit den Landkreisen Günzburg, Neu-Ulm, Unterallgäu und der kreisfreien Stadt Memmingen umzusetzen?
Die stellvertretende Geschäftsführerin des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) Donau-Iller mit Sitz in Günzburg, Margit Bendele, erklärt, das Thema Kreuzverwendung habe der Zweckverband schon immer kritisch gesehen. "Wir freuen uns, dass das Ministerium hier nun klar Stellung bezogen hat. Wir werden dies zum Anlass nehmen, in Zusammenarbeit mit dem INM (Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement des Klinikums der Uni München) die Krankentransport-Vorhaltung im gesamten Rettungsdienstbereich zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen." Das INM sei vom Ministerium beauftragt, unter anderem die rettungsdienstliche Versorgung der Bevölkerung stetig zu beobachten und zu optimieren.
Im Notfall wird das nächste verfügbare Rettungsmittel eingesetzt
Auf Basis der Auswertungen könne der Zweckverband eine Anpassung der Versorgung, also etwa mehr Rettungstransportwagen, Krankentransporte oder zusätzliche Standorte, anstreben und dies bei den Krankenkassen als Kostenträger beantragen. Bayernweit habe sich die Zahl der RTW-Einsätze in den vergangenen zehn Jahren um 31 Prozent erhöht, wobei der Anteil der Kreuzverwendung leicht rückläufig gewesen sei. Im Jahr 2011 habe der Anteil der Krankentransporte mit Rettungswagen noch bei 23 Prozent gelegen, im Jahr 2020 bei 16. Der Rettungsdienstbereich Donau-Iller habe hier im Jahr 2020 bayernweit leicht über dem Mittel mit 17 Prozent gelegen. "Auch im vergangen Jahr 2021 war die Kreuzverwendung etwas rückläufig, obwohl die Einsatzbindung der RTW im Krankentransport leicht gestiegen ist."
Man arbeite immer eng mit der Integrierten Leitstelle in Krumbach zusammen, um Optimierungen des Krankentransportmanagements zu erreichen. Hierzu zähle auch nach Absprache mit den Kliniken, dass die Patienten nach Möglichkeit frühzeitig angemeldet werden. Der Disponent entscheide, wann und ob entsprechende Gebiete durch die verfügbaren Rettungsmittel optimal für die Notfallrettung abgesichert seien und ob er „ausnahmsweise“ einen RTW für den Krankentransport „kreuzverwenden“ müsse. In der Regel sollten solche Fahrten mit Krankentransportwagen erfolgen. Falls es dann zu einem Notfalleinsatz komme, werde das nächstverfügbare Rettungsmittel eingesetzt. Dies werde grundsätzlich so gehandhabt, wenn eine „Duplizität“ von Notfallereignissen auftrete.
Transporte müssen unterschieden werden
Auch der Zweckverband bemühe sich stetig um eine Anpassung. Aufgrund vermehrter Krankentransporte wegen Corona und den dafür aufwendigeren Maßnahmen wie Schutzkleidung und Desinfektion in den Monaten Oktober und November 2020 sei mit den Kassen über eine Verlängerung der Schichtzeiten der Krankentransportwagen verhandelt worden. "Wir würden auch einen KTW in der Nacht anstreben, der für den Patiententransport eingesetzt werden kann. Unsere KTWs fahren bisher alle tagsüber. Gerade bei Corona haben wir das Problem, dass positiv getestete Patienten, die nicht krankenhauspflichtig sind, mit einem KTW wieder in häusliche Quarantäne gefahren werden", erklärt Bendele.
Das Ministerium habe nicht vorgegeben, bis wann die Kreuzverwendung reduziert werden muss. Eine Ausweitung der KTW-Vorhaltung sei aber in jedem Fall erforderlich. Als Basis dienten wissenschaftlich erhobene und ausgewertete Daten des INM. Bei den Wartezeiten im Krankentransport sei zu unterscheiden, ob der Transport bei der Leitstelle angemeldet wurde oder ob dies nicht möglich war. Angemeldet gelte ein Transport, wenn mindestens 60 Minuten zwischen der telefonischen Bestellung und der gewünschten Ankunftszeit des Fahrzeugs liegen. Durchschnittlich würden aber nur circa 25 Prozent der Transporte angemeldet.
BRK-Kreisgeschäftsführer hält Statistik für "verbesserungswürdig"
Der Geschäftsführer des Günzburger Kreisverbands des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), Daniel Freuding, betont, dass man nur Auftragnehmer sei und nichts steuern könne. "Aus unserer Sicht bedeutet eine konsequente Umsetzung, dass mehr RTW für Notfallpatienten zur Verfügung stehen, da sie zeitlich weniger mit den Krankentransporten gebunden sind." Die Statistik zu den Wartezeiten sei jedenfalls "verbesserungswürdig".
Die Einsatzzeiten beim Krankentransport würden aus BRK-Sicht zum Teil falsch erfasst, wenn etwa bei einer Verlegungsfahrt vom Klinikum Krumbach ins Klinikum Ulm zwar der Einsatzbeginn mit Übernahme des Patienten in Krumbach dokumentiert werde, dieser Einsatz dann aber mit Übergabe des Patienten in Ulm in der Dokumentation „beendet“ sei. Der KTW stehe ja noch in Ulm und müsse erst wieder zum Standort zurückfahren, um dann in seinem zugewiesenen Dienstgebiet zur Verfügung zu stehen. "Auch aufgrund dieser ,falschen' Statistiken ist es schwierig, die Verhandlung mit den Kostenträgern zu führen. Hier geht es ja dann auch um Personalkosten wie Überstunden und Schichtüberschreitungen."
Krankenkassen weisen Kritik des Roten Kreuzes zurück
Die Problematik der Kreuzverwendung werde seit Jahren diskutiert, vor allem vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. "Wir können nur vorhersagen, dass weitere Krankentransportmittel mit entsprechendem Fachpersonal benötigt werden, um den Bedarf zu decken. Die Kostenträger sehen das aber nicht so." Diese gäben zu wenig und zu zögerlich die finanziellen Mittel frei, um der Entwicklung gerecht werden zu können. Zeitlich falle der Hinweis des Ministeriums mit der Fertigstellung des Rettungsdienstberichts 2021 zusammen. Daher gehe das BRK davon aus, dass es sich um eine Erinnerung handele. Vermutlich, weil es in einzelnen Rettungsdienstbereichen zu hohen Quoten bei der Kreuzverwendung gekommen sei.
Auf die Kritik von Freuding an den Kostenträgern antwortet Helga Leirich von der AOK Bayern für die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände im Freistaat, für Rettungs- und Krankentransporte sei das Bayerische Innenministerium als oberste Rettungsbehörde federführend zuständig. Dieses beauftrage das INM mit Strukturanalysen und insbesondere auch mit der Bedarfsermittlung. Auf dieser Basis legten Zweckverbände, Durchführende und Kostenträger den Einsatz von Rettungsdienstmitteln und die Finanzierung fest. Zum Thema Kreuzverwendungen habe es bereits Gespräche zwischen den Beteiligten gegeben. "Von einer zögerlichen Finanzierung durch die Kostenträger kann deshalb nicht die Rede sein."
Die Johanniter, die einen Standort in Kötz betreiben, haben bislang nicht auf die Anfrage unserer Redaktion geantwortet, was die Folgen des Ministeriums-Schreiben in der Region sein könnten. Und das Krankentransportunternehmen Däubler Ambulanz aus Gundremmingen verweist lediglich an die Landesvereinigung der privaten Rettungsdienste.