Falsche Verwandte ergaunert 80.000 Euro von Senioren
Gutgläubige Bürger haben einer Fremden in Illertissen und Senden Tausende Euro übergeben. Die Kriminalpolizei ermittelt. Wer sind die Hintermänner?
Ein Verwandter oder Bekannter ist in eine Notlage geraten und braucht dringend Geld: Das klingt herzerweichend - ist oft aber frei erfunden. Zumindest wenn es um die Geschichten geht, die Kriminelle arglosen Bürgern auftischen, um an Geld zu kommen. Die Masche ist zwar nicht neu, aber recht wandelbar. Mit ihr machen Betrüger immer wieder Beute. Oft würden die Täter bei ihren Opfern zwar abblitzen, sagt Jürgen Salzmann von der Kriminalpolizei Neu-Ulm. Denn immer mehr Bürger hätten von diesen Betrugsmaschen gehört und reagierten richtig. Sprich: Beendeten das Telefonat und verständigten die Polizei. (Lesen Sie dazu auch: Aufmerksame Bürger lassen falsche Polizisten auflaufen). Trotzdem gibt es immer wieder Fälle, bei denen hohe Geldsummen erbeutet werden. Das geschah am Dienstag in Illertissen und Senden. Dort wurden Bürger insgesamt 80.000 Euro los. Die Polizei ermittelt.
Eine Frau rief bei älteren Bürgern an und gab sich als Verwandte und Bekannte aus. Mit Erfolg: In Senden erzählte die Betrügerin einer 86-jährigen Frau, sie sei eine Verwandte, die wegen eines Wohnungskaufes viel Bargeld benötige. Und bei dem Anruf in Illertissen meldete sich bei einem 84-Jährigen eine angebliche Bekannte am Telefon: Sie forderte Geld, um Schulden begleichen zu können. Da die Senioren nicht so viel Bargeld zu Hause hatten, forderte die Anruferin sie dazu auf, sofort zur Bank zu gehen. Die Angerufenen taten wie ihnen geheißen: Nach weiteren telefonischen Anweisungen übergab am Spätnachmittag die Sendenerin an ihrem Haus einer Frau insgesamt 18.000 Euro. Das Ehepaar aus Illertissen händigte am Abend in ihrem Haus 62.000 Euro an eine telefonisch angekündigte Frau aus.
In beiden Fällen wird die Geldabholerin als etwas 30-jährige Frau mit brünetten und eher kurzen Haaren beschrieben. Erst nach den Geldübergaben schöpften die Geschädigten Verdacht und erstatteten Anzeige.
Polizei: Die Kriminellen gehen "hoch professionell" vor
Wie konnten die Täter Erfolg haben? Diese Frage stellen sich auch die Ermittler. Meistens gingen die Kriminellen „hoch professionell“ vor, sagt Florian Wallner, der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West in Kempten. Die Opfer würden über längere Zeit unter Druck gesetzt und dazu mehrfach angerufen. „Sie kommen gar nicht zum Nachdenken.“ Zudem würden gezielt ältere Menschen auserkoren. Dieses Kriminalitätsfeld gleiche einer Industrie mit eigenen Call-Centern. Das zeige sich daran, dass auch in kleinen Bereichen oft in kurzer Zeit mehrere Fälle gemeldet würden.
Den Banken, die solch hohe Bargeldbeträge ausbezahlen, sei meistens kein Vorwurf zu machen, betont Kriminalpolizist Salzmann. Die Täter instruierten ihre Opfer, wie sie Nachfragen aus dem Weg gehen könnten. Sie gäben dann beispielsweise an, ein Auto mit Bargeld kaufen zu wollen, weil ein Rabatt gewährt werde. Auch gebe es ältere Bürger, die regelmäßig hohe Geldbeträge abheben, weil sie die Scheine lieber bei sich haben. „Dann fallen solche Summen nicht unbedingt auf“, sagt Salzmann. Es gebe auch Betrugsfälle, die durch die Meldung von Bankmintarbeitern aufgeflogen seien. Die nach Wert der Scheine passten auch größere Summen in unscheinbare Kuverts.
Die Hintermänner sitzen oft im Ausland
Die Kriminalpolizei Neu-Ulm ermittelt. Das könne sich hinziehen, sagt Salzmann. Oft säßen die Hintermänner solcher Betrugsdelikte im Ausland. Eine heiße Spur gibt es bisher nicht.
Angesichts der Fälle in Illertissen und Senden mahnt die Polizei erneut zur Vorsicht: Bürger sollten unter keinen Umständen am Telefon Fragen zu ihrer wirtschaftlichen Situation beantworten - und schon gar nicht an Fremde Geld übergeben (auch nicht wenn diese angeblich von Freunden oder Verwandten geschickt werden). Wer um Hilfe gebeten wird, sollte sich im Freundes- und Verwandtenkreis rückversichern. Und der wohl wichtigste Tipp: „Rufen Sie bei dem geringsten Zweifel den Polizeinotruf 110.“ Denn: „Lieber einmal zu oft den Notruf genutzt, als betrogen zu werden.“
Der Enkeltrick (und Abwandlungen davon) scheint derzeit bei Kriminellen hoch in Kurs zu stehen. Zuletzt registrierte die Polizei mehrere Fälle.