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Foto: Sebastian Kahnert
Foto: Sebastian Kahnert

Festgeklebt: Zwei Umweltaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ am Gemälde „Sixtinische Madonna“.

Klimaaktivisten
13.11.2022

Suppe und Kartoffelbrei: Wie sich Museen vor Klimaprotesten schützen

Von Theresa Osterried, Birgit Müller-Bardorff, Veronika Lintner

Plus Attacken auf van Goghs Sonnenblumen, auf Warhol und Monet. Wie können Museen auf Nummer sicher gehen? Wie angespannt ist die Stimmung?

Mag man auch noch so frösteln, die Jacke muss ins Schließfach oder in die Garderobe. Ganz zu schweigen von Taschen, die größer als ein DIN-A4-Blatt sind. "Bitte geben Sie alles ab", sagt die Dame in der Eingangshalle des Potsdamer Museums Barberini mit freundlichem, aber unmissverständlich entschiedenem Ton jedem, der durch die gläserne Drehtüre kommt. Wer nun die Surrealisten-Sonderschau sehen oder die hauseigene Impressionisten-Sammlung in Augenschein nehmen möchte, muss ablegen – und kann dann auch im zweiten Stock vor Monets leuchtendem "Getreideschober"-Gemälde stehen, das vor zwei Wochen Ziel einer Kartoffelbrei-Attacke der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" wurde. Mit ihren Angriffen auf wertvolle Gemälde will die Gruppe Aufsehen erregen, um damit Aufmerksamkeit auf die Klimakatastrophe zu lenken. Nicht nur in Potsdam machen sich Museumsleiter und ihre Kolleginnen derzeit Gedanken, wie sie ihre Schätze vor diesen Angriffen schützen können.

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Viele Museen schweigen zu den Klimaprotesten

Nicht alle möchten die Ergebnisse dieser Gedankengänge auch öffentlich teilen. "Wir sind nicht bereit, dieser Art von Klimaprotesten mehr Präsenz in der Berichterstattung zu geben", sagt eine Pressesprecherin der Pinakotheken München. Denn das sei genau das, was die Aktivisten mit ihren zerstörerischen Aktionen bezwecken. Daher möchte sie weder über Sicherheitskonzepte noch über die Verschärfung von Regeln in den Museen sprechen. Für Klimaaktivisten gebe es drei Jahre Hausverbot, mehr möchte sie dazu nicht sagen. Ende August hatten sich in der Alten Pinakothek zwei Klimaaktivisten an den Rahmen des Gemäldes "Bethlehemitischer Kindermord" von Rubens geklebt.

Anruf bei einem namhaften Museum in Stuttgart. Auch hier schweigt man. "Wir möchten die Aktivisten nicht auf uns aufmerksam machen", heißt es von einer Pressesprecherin. Deshalb möchte das Museum auch nicht namentlich genannt werden.

Hermann Parzinger: "Wir sind natürlich alarmiert"

Eine Verunsicherung ist in der Museumsszene deutlich zu spüren. "Wir sind natürlich alarmiert", sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. "Wenn drängende Zukunftsdebatten mit Attacken auf Kunstwerke in Museen verbunden werden, dann werden die Museen keine offenen Orte des Vertrauens mehr sein." Hinzu komme die Gefahr von Trittbrettfahrern.

So wie neulich in der Alten Nationalgalerie in Berlin. Eine Besucherin verschmierte das Werk "Clown" von Henri de Toulouse-Lautrec mit Kunstblut und klebte sich dann daneben fest. Weil es hinter Glas lag, wurde das Werk nicht beschädigt. Nach eigenen Angaben habe die Frau für mehr Demokratie protestieren wollen. "Wo soll das noch hinführen? Wir wollen unseren Besucherinnen und Besuchern vertrauen können und unsere Häuser nicht zu Hochsicherheitszonen ausbauen", sagt Parzinger. Man könne nicht neben jedes Werk eine Aufsicht stellen – das sei auch nicht das Ziel.

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Viele Museen haben ihr Sicherheitskonzept verschärft

"Viele unserer Werke sind ohne Schutz, sodass die Besucher die Aura des Originals wahrnehmen können", erklärt der Stiftungspräsident. "Die Angriffe der vergangenen Wochen gefährden diese unmittelbare Art, den Menschen Kunst und Kultur nahezubringen." Dieser Wunsch nach einem offenen Ausstellungsraum kollidiert momentan mit der Tatsache, dass im Wochentakt neue Klebe- und Beschmieraktionen in europäischen und amerikanischen Museen stattfinden. Wie da auf Nummer sicher gehen?

"Wir schulen unsere Aufsichten regelmäßig und bauen auch auf die Wachsamkeit unserer Besucherinnen und Besucher", sagt Parzinger. Natürlich habe man das Sicherheitskonzept verstärkt, dringend Notwendiges – zum Beispiel ein Asthmaspray – könnten Besucherinnen und Besucher in einem durchsichtigen Beutel in die Ausstellung mitnehmen, Jacken und Taschen sind aber tabu.

Wie können Aufsichten die Klimaproteste verhindern?

Den Aufsichten stehe das Hausrecht und das Recht auf Notwehr zur Seite. Beim Fall in der Alten Nationalgalerie habe die Aufsicht den Farbanschlag nicht verhindern können, "dafür ging alles viel zu schnell". Sie hätten laut Parzinger aber zügig reagiert, die Besucher nach draußen geleitet und die Polizei gerufen.

Wirkt sich diese Verunsicherung, die angespannte Lage auch auf die Versicherungen für Kunstwerke aus? "Das wissen wir noch nicht", sagt Parzinger. "Wir ahnen aber, dass es kritischer werden könnte. Denken Sie beispielsweise an private Leihgeber. Dort ist die Verunsicherung ja noch viel größer als bei uns. Wir werden hier also abwarten müssen."

Der Chef des Buchheim Museums versteht die Klimasorgen

Abwarten und schweigen will Daniel Schreiber nicht. Der Direktor des Buchheim Museums am Starnberger See bezieht Stellung zu den Protestaktionen: "Bei uns liegt der Schwerpunkt auf der Prävention", erklärt er. Deshalb habe sein Museum die Regeln leicht verschärft: "Wer eine kleine Tasche mit in die Ausstellungsräume nehmen will, die nicht größer als etwa ein DIN-A-Format sein darf, der muss der Museumsaufsicht vorher kurz einen Einblick in die Tasche geben."

Die Ängste der Aktivisten wiederum, die könne er durchaus nachvollziehen: "Wir haben natürlich Verständnis für die großen Sorgen um das Klima, und wir verstehen auch die Frustration, dass sich da auf politischer Ebene noch zu wenig bewegt", sagt Schreiber. "Aber es kann keine Lösung sein, die Bewahrung der Kunst gegen den Kampf um Aufmerksamkeit für den Klimawandel auszuspielen."

Klimafreundliche Museen? "Im Grunde muss alles auf den Prüfstand"

Schmieren, kleben, dann für ein Bild posieren – vor allem die Art der Proteste in den Museen scheint ihn zu irritieren: "Ich bin der Direktor eines Hauses, das sich Museum der Phantasie nennt. Und deshalb sage ich auch: Es ist doch etwas fantasielos, immer wieder dieselben Aktionen zu wiederholen. Warum nicht mehr Fantasie? Ohne dabei Kunst zu gefährden?" Und dann weist er auf die Bemühungen vieler Museen hin, den eigenen Betrieb klimaschonend zu gestalten. Bei jeder Ausstellung stelle er sich mit seinem Team die Frage: Transport, Aufbau, Abbau, wie funktioniert das klimaneutral? "Im Grunde muss alles auf den Prüfstand."

Die Angst mancher Museen, sich jetzt zu den Protesten zu äußern, kann Schreiber nachvollziehen. Aber: "Man kann sich vor dieser Thematik nicht wegducken, das hilft nicht weiter."

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