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Foto: Julian Stratenschulte, dpa
Foto: Julian Stratenschulte, dpa

Einheitliche Erleichterungen für Geimpfte und Genesene sollen auf den Weg gebracht werden. Karl Lauterbach glaubt, dass auch Impfverweigerer noch umgestimmt werden können.

Lesetipp
04.05.2021

Einige wollen keine Impfung: Wie geht die Politik damit um?

Von Bernhard Junginger

Plus Laut Umfragen wollen sich 20 Prozent der Deutschen derzeit nicht impfen lassen. Karl Lauterbach räumt mit einem verbreiteten Irrtum über Herdenimmunität auf. Was Experten raten.

Es geht voran mit den Corona-Impfungen in Deutschland. Doch bald schon könnte die mangelnde Impfbereitschaft eines Teils der Bevölkerung den Fortschritt gefährden – und damit auch die Rückkehr zur Normalität. Da die Bundesregierung mehrfach beteuert hat, dass es keine Impfpflicht geben wird, nimmt die Diskussion darüber, wie mit den Impfverweigerern umzugehen ist, allmählich Fahrt auf.

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SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist überzeugt, dass die Mehrzahl derer, die eine Impfung ablehnen, ihre Meinung ändern wird. Unserer Redaktion sagte er: „Wer nicht geimpft ist, wird erkranken, gerade im Herbst wird es wieder mehr Fälle geben. Nur verbreitet sich die Krankheit dann nicht mehr exponentiell. Das werden die Leute schnell begreifen.“

RKI-Umfragen: 20 Prozent der Menschen in Deutschland nicht zur Corona-Impfung bereit

Nach Umfragen des Robert Koch-Instituts sind gut 20 Prozent der Menschen in Deutschland nicht bereit, sich gegen Corona impfen zu lassen. Die Universität Erfurt hat in einer Studie festgestellt, dass sich rund zwei Drittel der Erwachsenen eine schützende Spritze gegen Covid-19 geben lassen wollen – während das rund 16 Prozent ablehnen. Von einer so genannten Herdenimmunität gehen Fachleute aus, wenn zwischen 70 und 80 Prozent der Menschen vor einer Corona-Infektion geschützt sind. Dann kann die Ausbreitung des Virus entscheidend eingedämmt werden. Der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger sagte unserer Redaktion: „Damit wir in Deutschland eine Herdenimmunität erreichen, müssen sich mindestens 70 Prozent der Bevölkerung impfen lassen.“ Er glaubt: „Dann wird auch die Normalität komplett zurückkehren.“

Durchschnittlich 650.000 Menschen täglich werden derzeit geimpft. Immer mehr Impfstoff kommt bei Impfzentren und Hausärzten an. Nach Senioren und chronisch Kranken erhalten nun zunehmend weitere Personengruppen die Spritze, die vor einer Covid-19-Erkrankung schützt. Nach einer Modellrechnung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) könnten Ende Mai bereits über die Hälfte der Impfberechtigten mindestens eine Corona-Erstimpfung erhalten haben. Bis Mitte Juni könnten demnach sogar schon drei Viertel der Berechtigten eine Erstimpfung erhalten haben. Wohl ab Juni sollen auch die Betriebsärzte Corona-Impfungen verabreichen, dafür sind mindestens 500.000 Impfdosen pro Woche vorgesehen. Noch bestimmt die Verfügbarkeit der Vakzine den Impffortschritt, doch schon bald könnte es mehr als genug davon geben.

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Ob und wann die Herdenimmunität erreicht wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Es wird entscheidend darauf ankommen, wie sich die Impfbereitschaft entwickelt. Zudem ist noch unklar, wie es mit der Impfung von Kindern und Jugendlichen weitergeht.

Karl Lauterbach: Niemand darf glauben, dass man bei Herdenimmunität auf Impfung verzichten kann

Niemand dürfe glauben, so Karl Lauterbach, dass selbst er auf eine Impfung verzichten könne, wenn bereits genügend Mitbürger geschützt seien. Der SPD-Politiker sagte: „Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Corona-Ausbreitung automatisch stoppt, wenn 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind.“ Corona-Schutzmaßnahmen würden deshalb noch lange nötig sein. Lauterbach: „Auch wenn die so genannte Herdenimmunität erreicht ist, können wir nicht alles öffnen. Für Nicht-Geimpfte wird es noch lange die Testpflicht für viele Angebote geben. Ich rechne deshalb nicht damit, dass es viele Impf-Verweigerer geben wird.“

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Ähnlich sieht es CSU-Mann Pilsinger: „Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen und keine Immunität nachweisen können, werden sich weiter auf Corona testen lassen müssen.“ Er glaubt, dass viele Zögernde sich dann letztlich doch für eine Impfung entscheiden würden: „Ohne negativen Test können Ungeimpfte bis zum Erreichen der Herdenimmunität nicht an Orte wie Kinos oder Bars gehen, am denen Abstand halten nicht möglich ist.“

Die Opposition warnt indes davor, dass es zu einer Art Impfpflicht durch die Hintertür kommt. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte unserer Redaktion: „Einen Impfzwang lehnen wir klar ab. Damit es zu keinem mittelbaren Druck kommt, sich nur durch eine Impfung gesellschaftliche Teilhabe erkaufen zu können, braucht es auch verantwortbare Öffnungskonzepte für Getestete.“

Um möglichst viele Menschen zu einer Impfung zu bewegen, empfehlen Experten, die Hürden so niedrig wie möglich zu halten. „Sehr relevant wird vermutlich das Impfen am Arbeitsplatz und in den Universitäten - und perspektivisch möglicherweise auch Schulen“, sagt Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt. „So können große Gruppen mit vielen Kontakten erreicht werden und der Aufwand, an eine Impfung zu kommen, wird reduziert. Es sollte alles daran gesetzt werden, dass Impfen so einfach wie möglich ist.“ Von einer Impfpflicht hält sie indes wenig, dies könnte sogar weiteren Widerstand und Trotzreaktionen auslösen.

Einen positiven Effekt könnte hingegen die freie Auswahl des Impfstoffes haben - sobald genügend Impfdosen vorhanden seien. „Die Entscheidung, die jeder in dieser Pandemie zu treffen hat, ist: krank werden oder Impfung“, sagt Betsch. Die Entscheidung bleibe eine Risikoabwägung, keine der beiden Alternativen sei „absolut sicher“. Allerdings würde die Gefahr von Covid durch die Gewöhnung inzwischen von vielen unterschätzt. „Daher sollte über beide Risiken - auch vergleichend - aufgeklärt werden.“

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