Das Staudenschloss erwacht aus dem Dornröschenschlaf
Plus Das Kleinod im südlichen Landkreis nimmt Form an. In wenigen Wochen blüht es im neuen Renaissancegarten. Was in diesem Jahr noch passiert.
Das alte Mickhauser Schloss erwacht aus dem Dornröschenschlaf. Beinahe wäre das alte Gemäuer verfallen, wenn nicht Mäzen Hermann Messerschmidt mit einem Teil seines Vermögens den Erhalt des Kleinods aus der Frührenaissance ermöglicht hätte. In wenigen Wochen erlebt das Großprojekt den ersten Frühling - buchstäblich, denn im neuen Renaissancegarten blüht es.
Ein Hauch von Süden soll auf der symmetrisch angelegten Fläche südlich des Schlosses zu spüren sein: Dafür sorgen Zitrusgewächse und Palmen, die derzeit noch in einer frostsicheren Halle in Mickhausen untergebracht sind. Ein Brautpaar hat die Anlage mit Orangerie, Brunnen und überdachter Bühne bereits für Fotografien gebucht. Das Schloss wird in den nächsten Jahrzehnten sicherlich noch öfter als Kulisse dienen.
Ein neuer Turm wird aufgesetzt
Bis September sollen die Arbeiten am Dach beendet sein. Derzeit sind die Balken an der Ostseite des vierflügeligen Gebäudes freigelegt. Marode Balken müssen von Spezialisten ausgetauscht werden. Damit die Handwerker einen sicheren Stand haben, wurde die Decke des darunter liegenden Rittersaals befestigt. Der Ostflügel erhält in den kommenden Wochen eine neue Optik: Auf die Konstruktion wird ein Turm gesetzt. Er wurde 1819 abgerissen und nicht wieder aufgebaut. Auf früheren Abbildungen ist der Turm mit einem geschwungenen Spitzdach zu erkennen.
Damit das Schloss die nächsten Jahrhunderte nicht wieder in einen Dornröschenschlaf verfällt, wird seit zwei Jahren das Dach saniert und neu eingedeckt. Das war die erste große Teilprojekt der Hermann-Messerschmidt-Kulturerbe-Stiftung, die sich um den Erhalt des Staudenschlosses kümmert. An der Spitze des Stiftungsvorstands steht Wolfgang Knabe, der mit dem Mäzen Hermann Messerschmidt befreundet war. Er brachte ihn auf Mickhausen und das Schloss.
Selfmade-Millionär und Mäzen
Messerschmidt wollte der Nachwelt etwas Bleibendes hinterlassen. Das ist Aufgabe von Wolfgang Knabe, der mit Messerschmidt eine große Leidenschaft teilte: das Interesse an fremden Kulturen. Messerschmidt war wie Knabe Weltreisender. Mit 40 Jahren brach Messerschmidt - er war bereits Selfmade-Millionär - in Jeans und mit Rucksack auf. 125 Länder bereiste der technische Exportkaufmann. Er erlebte viele Abenteuer. Einmal galt er im Dschungel als verschollen und kehrte erst Wochen später mit Eingeborenen zurück. Im neuen Renaissancegarten erinnert eine Stele an Messerschmidt. Von dort blicken Besucher über die Anlage - links die neu gebaute Orangerie, rechts das mehrstöckige Schloss. Blickfang in der Mitte des neuen Gartens ist ein dreistufiger Brunnen.
Tonnenschwere Stahlkonstruktion für die Statik
Im Terminplan der Großbaustelle sind in den kommenden beiden Wochen noch etliche Projekte vermerkt. Beispielsweise sollen demnächst zwei Gewächshäuser für Pflanzen aufgebaut werden. Überwintern werden sie allerdings in der Orangerie mit ihren Arkadenbögen. In der warmen Jahreszeit soll das Gebäude auch für kleine Veranstaltungen genutzt werden. Am Schloss werden in diesem Jahr auch die Holzfenster gesetzt. Auch im entkernten Gebäude geht es weiter: Im Südflügel stützt jetzt eine kostspielige Stahlkonstruktion die statischen Gegebenheiten. Die Bauexperten hatten entdeckt, dass eine nachträglich eingezogene Wand im ersten Stock zu schwer ist für die Tonnengewölbe im Erdgeschoss. Die neue Konstruktion soll die Last deshalb verringern. Tatsächlich gab es den Gang, der heute auf der Innenhofseite rund um das Stockwerk führt, nicht. "Wer weiter wollte, musste von Zimmer zu Zimmer", erklärt Knabe.
Die "Reichsbauern" von Mickhausen
Das Staudenschloss hat viele Geheimnisse. Für Historiker veranschaulicht es das Herrschaftsverständnis des niederen Reichsadels im Südwesten Deutschlands und spiegelt die politischen und sozialen Verhältnisse der damaligen Gesellschaft des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation beispielhaft wider, erklärt Bezirksheimatpfleger Christoph Lang aus Dinkelscherben. “Als das Herzogtum Schwaben nach dem Untergang der Staufer in zahlreiche Kleinstherrschaften zerfiel, entstand auch die Herrschaft Mickhausen." In der Folgezeit bezeichneten sich die Mickhauser als „Reichsbauern“, die direkt dem deutschen König unterstellt waren. "Diesen Status behielt Mickhausen nicht, denn der König setzte einen Lehensmann als Inhaber der Herrschaft ein", so Lang. Nach mehreren Wechseln wurde Mickhausen und sein Schloss mit dem Kaiser als Mittelsmann an die Familie Fugger verkauft, die den Ort ganz im Sinne des damaligen Verständnisses adeliger Herrschaft ausbauten.
Lang: „Bauhistorisch kann das Schloss geradezu als archetypisch für die Ortsherrschaften in Süddeutschland bezeichnet werden. Die Vierflügelanlage mit dreigeschossigem Walmdachbau entstand im Stil der Renaissance. Mit einer integrierten Schlosskapelle, einem angefügten Wirtschaftsbau in Hufeisenform um das Gebäude sowie einer Parkanlage auf der Südseite besitzt es die zentralen Bauelemente, die für Schlösser dieser Größe, Bedeutung und Nutzung kategorisch sind. Es ist für Schwaben, aber auch darüber hinaus, eine große kultur- und architekturgeschichtliche Bereicherung, wenn derart beispielhafte Bauwerke erhalten bleiben.“