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Handball-WM 2019: Markus Baur: "In Deutschland sind die Ansprüche sehr hoch"

Handball-WM 2019

Markus Baur: "In Deutschland sind die Ansprüche sehr hoch"

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    Gewann 2007 mit Deutschland die Heim-WM: Markus Baur. Später war er als Bundestrainer im Gespräch – daraus wurde aber nichts.
    Gewann 2007 mit Deutschland die Heim-WM: Markus Baur. Später war er als Bundestrainer im Gespräch – daraus wurde aber nichts. Foto: Peter Tschauner, dpa

    Markus Baur, im neuen Buch von Stefan Kretzschmar wird Ihnen ein ganzes Kapitel gewidmet, in dem Sie als „genialer Künstler und letzter deutscher Spitzen-Spielmacher“ beschrieben werden, dessen Spielverständnis als Rückraum-Mitte-Mann „unfassbar war, der mit großem Handballsachverstand begabt war und der den perfekt getimten und punktgenauen Pass spielen konnte“. Gleichzeitig beschreibt Kretzschmar, dass Sie außerhalb des Spielfeldes der „größte Schussel“ waren. Derjenige, der etwa bei einer Schneeballschlacht bei der Handball-EM in Schweden seinen Ehering verlor, worauf die ganze Mannschaft den Ring suchte und ihn auch fand.

    Markus Baur: Das hört sich charmant an. Da ich das Buch aber noch nicht kenne, werde ich Kretzsche in Berlin sofort fragen, ob ich eins von ihm mit Signatur bekomme. Vor dem EM-Halbfinale 2002 war ich bei der Schneeballschlacht der einzige ohne Handschuhe und die Jungs haben mich in meiner Aufregung dann mit ihrer angeblichen Sucherei ausgetrickst. Ich hatte den Ring zwar verloren, aber Christian Rose hatte ihn blitzschnell unbemerkt eingesteckt. Da ich kurz darauf auch Geburtstag hatte, musste ich beides sehr teuer auslösen.

    Nach dem Sieg gegen Polen stand Handball-Deutschland Kopf: Trainer Heiner Brand hält den WM-Pokal zusammen mit seinen Spielern Michael Kraus, Torwart Henning Fritz und Kapitän Markus Bauer (von rechts).
    Nach dem Sieg gegen Polen stand Handball-Deutschland Kopf: Trainer Heiner Brand hält den WM-Pokal zusammen mit seinen Spielern Michael Kraus, Torwart Henning Fritz und Kapitän Markus Bauer (von rechts). Foto: Franz-Peter Tschauner, dpa

    Vor zehn Jahren haben Sie Ihre Länderspiel-Karriere beendet und danach die Trainerlaufbahn eingeschlagen. Unter anderem waren Sie zwischenzeitlich auch erfolgreich beim DHB Junioren-Nationaltrainer und wurden mit der U20 2016 Vize-Europameister. Wären Sie eigentlich selbst gerne Bundestrainer geworden, wenn Sie 2017 gefragt worden wären?

    Baur: Ich wurde ja gefragt. Damals habe ich klar gesagt, dass ich es machen würde. Allerdings hat sich der Verband dann für jemand anderen entschieden. So ist das Business eben.

    Sie haben 2007 die Nationalmannschaft als Spielmacher und Kapitän zum Titel geführt hat. Einen besseren Experten als Sie gibt es nicht. Was waren für Sie die größten Momente, wenn Sie an die WM 2007 denken?

    Baur: Ich erinnere mich besonders gern an viele extrem tolle Momente sowie mehrere Anekdoten, die uns zu einem verschworenen Team werden ließen, und an die ganze Euphorie um uns herum, die sich wegen einer unbeschreiblich großen Freude bei mir ins Gedächtnis gebrannt haben. Das beginnt damit, dass wir auf der Zugfahrt nach Berlin zum Auftaktspiel gegen Brasilien keine Sitzplätze hatten, dass wir uns alle über Blackys (Christian Schwarzer) Rückkehr gefreut haben und trotzdem das Vorrundenspiel gegen Polen verloren. An unsere Pizza-Affäre, als Heiner Brand wegen des zusätzlichen, nicht abgesprochenen Abendessens die Hutschnur platzte, an unserem Umzug in das vermeintlich ruhige Dorf Wiehl, wo aber tausende Menschen jubelnd mit Luftballons vor unserem Hotel standen. An unser Umherhüpfen nach dem Finalsieg mit aufgeklebten Heiner-Brand-Bärten und Pappkronen. Unfassbar war auch die gigantische Lautstärke beim Hauptrundenspiel gegen Slowenien in Halle und dann vor allem bei den K.o.-Spielen bis zum Finale in Köln. Da bekomme ich heute noch Gänsehaut.

    Nach der zuletzt vergeigten EM wurde öffentlich heftig über die Rolle des Bundestrainers Christian Prokop diskutiert. Was sollten Ihrer Meinung nach das Selbstverständnis und die Grundsätze eines Bundestrainers sein?

    Baur: Ich maße mir dazu keine Antwort an. Nur wenn ich der Bundestrainer wäre, würde und könnte ich darauf etwas sagen.

    Was hat sich für Sie im Handball grundlegend im Vergleich zu Ihrer eigenen aktiven Zeit und zum Jahr 2007 verändert, als Sie Weltmeister wurden?

    Baur: Am stärksten verändert hat sich die Athletik der Spieler. Die individuelle Ausbildung der jungen Spieler, die Jugendarbeit an sich ist in allen Ländern extrem viel besser geworden. Die Weltspitze ist sehr viel enger zusammengerückt. So gibt es viel, viel mehr gute Spieler als zu meiner Zeit. Extrem viele Topleute sieht man schon in der Champions League. Wir mussten zu meiner Zeit mit viel mehr Abläufen und Sperren arbeiten, um uns gute Wurfchancen zu erarbeiten. Heute braucht aufgrund der schnellen, athletischen Qualität der Spieler kein Rückraumspieler mehr viele Chancen.

    Es ist sehr auffällig, dass im Vorfeld der jetzigen WM immer wieder der Zusammenhalt beschworen wird und wie nötig er ist. Früher war das fürs Nationalteam nie ein Thema. Der Zusammenhalt war selbstverständlich, einfach da und das wurde auch nach außen so vermittelt. Warum muss der Zusammenhalt jetzt so betont werden?

    Baur: Es ist einfach so, dass in den vergangenen zwölf Jahren auch im Handball eine kulturelle Veränderung stattgefunden und sich vieles in den multimedialen Raum verlagert hat. Eine andere Generation, andere Spielertypen sind da, die allein schon überall, wo sie aufkreuzen, der Selfie-Mania ausgesetzt sind. Auch bei uns war die Eigendarstellung dem Einzelnen wichtig, aber die Kommunikation und das Miteinander unter den Leuten hat sich verändert, sodass heute mehr über WhatsApp kommuniziert als miteinander gesprochen wird. Vielleicht müsste man daran mehr arbeiten.

    Mit Heiner Brand gewann Deutschland 2007 die WM im eigenen Land. Auf dieses „Wintermärchen“ hofft man nun auch wieder.
    Mit Heiner Brand gewann Deutschland 2007 die WM im eigenen Land. Auf dieses „Wintermärchen“ hofft man nun auch wieder. Foto: Franz-Peter Tschauner, dpa

    Ex-Erfolgs-Bundestrainer Heiner Brand sagt, für diese Heim-WM sollten die Ansprüche an die Nationalmannschaft hoch sein. Was sagen Sie dazu?

    Baur: In Deutschland sind die sportlichen Ansprüche generell hoch. Im Handball haben wir uns den Anspruch selbst auferlegt, und das ist gut so, weil wir ein sehr großer Verband sind, eine super Bundesliga haben und gute Jugendarbeit. Wir gehören zu den besten Nationen weltweit und so muss bei einer Heim-WM das Halbfinale das Minimalziel sein. Wir spielen um Medaillen, denn wer im Halbfinale ist, kann dann auch den Titel gewinnen.

    Wer sind ihrer Meinung nach die Favoriten bei der WM?

    Baur: Ich hoffe natürlich auf Deutschland. Zu den Favoriten zählen die Franzosen, die trotz ihres Umbruchs in der Breite dank ihrer Jugendarbeit noch stärker aufgestellt sind als wir. Die Dänen zählen mit zu den Favoriten und die Norweger, die viele besondere Spieler mit richtig guter Qualität aufbieten.

    Worauf können wir uns bei dieser WM freuen?

    Baur: Ich freue mich wahnsinnig auf die Euphorie, denn Deutschland wird wieder Handball schauen. Es war in den beiden letzten Testspielen schön zu sehen, wie viele der Fans sogar noch Trikots von 2007 anhatten.

    Alle Informationen zur Handball-WM 2019 finden Sie hier:

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