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Exklusiv: Audi-Betriebsrats-Chef fordert kleineres Elektro-Auto für Ingolstadt

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Audi-Betriebsrats-Chef fordert kleineres Elektro-Auto für Ingolstadt

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    Peter Mosch ist Betriebsrats-Vorsitzender von Audi. Er ist zufrieden mit der Arbeit des neuen VW-Chefs.
    Peter Mosch ist Betriebsrats-Vorsitzender von Audi. Er ist zufrieden mit der Arbeit des neuen VW-Chefs. Foto: Ralf Mattes, Audi AG

    Herr Mosch, unter dem neuen VW-Chef Oliver Blume bleibt es klar bei der Elektrifizierung. In einer Hinsicht ändert sich die Strategie radikal: Erst wird die Software entwickelt, dann kommen neue Modelle auf den Markt. Was hat das für Folgen für Audi?

    Peter Mosch: Wir diskutieren gerade noch, welche Auswirkungen die Strategie-Änderung für den Konzern und auch für Audi hat. Deswegen haben wir die VW-Planungsrunde, also die Frage, wann welche Modelle in bestimmten Werken produziert werden, verschoben. Es steht noch nicht fest, wie wir den Anlauf neuer Fahrzeuge staffeln. Ein Ergebnis wird wohl erst im Februar vorliegen. Es sind also bei VW und der Tochter Audi derzeit einige Bälle in der Luft. Wir sortieren diese Bälle jetzt nach Marken und Standorten.

    Ist die Strategie von Blume richtig, Autos erst dann zu verkaufen, wenn die Software hält, was sie verspricht?

    Mosch: Das ist eine logische, also richtige Strategie. 

    Die aber unter Ex-VW-Chef Diess nicht umgesetzt werden konnte. Da zwickte es bei der Software immer wieder hinten und vorn.

    Mosch: Deswegen haben die Betriebsrätinnen und Betriebsräte schon lange darauf hingewiesen, dass wir Kundinnen und Kunden nur das versprechen dürfen, was wir auch leisten können. Visionen sind zwar gut. Man muss den Menschen aber auch reinen Wein einschenken. Dieser Grundsatz wurde in der Ära Diess verwässert. Den Kunden wurden Dinge versprochen, die so nicht zu halten waren. Besser ist es, den Menschen zu sagen, dass Visionen erst zu einem bestimmten Zeitpunkt in fertigen Produkten umgesetzt werden können. Und so machen wir das jetzt. 

    Diess hat also Fehler gemacht.

    Mosch: Herr Diess war ein großer Ankündiger. Er hat Probleme nach dem Motto "Das wird schon, das kriegen wir schon" zugekittet. Doch leider konnte er nur wenige seiner Ankündigungen auf die Straße bringen. Es kam zu einigen gravierenden Fehlern, bewusst oder unbewusst. Da will ich nichts unterstellen. Letztlich konnten sich weder die Kunden noch die Beschäftigten von dem "Das wird schon, das kriegen wir schon" etwas runterschneiden. Wir hatten unter Diess ein Umsetzungs-Problem. Das ändert sich grundsätzlich unter Oliver Blume. 

    Was macht Blum besser als Diess?

    Mosch: Herr Blume ruft mich auch von sich aus an. Wenn mir ein Thema auf dem Herzen liegt, kommen wir innerhalb von 24 Stunden telefonisch zusammen. Das ist ein gutes Zeichen. Herr Blume hat mir angeboten, dass er gerne auf einer Betriebsversammlung in Ingolstadt sprechen würde. Er hat ein positiveres Verhältnis zur Mitbestimmung als Diess. Letzterer hatte gegenüber mir nie den Wunsch geäußert, vor den Beschäftigten in Da sind wir als Arbeitnehmer-Vertreter mit von der Partie

    Blume ist also der bessere Diess.

    Mosch: Herr Blume ist eben nicht nur ein Stratege, sondern auch ein Praktiker, der aus dem operativen Geschäft kommt. Ich kenne ihn schon lange. Er war früher Unterabteilungs-Leiter im Karosseriebau bei Audi in Ingolstadt. Bis heute pflegt er Kontakte mit Kollegen von damals, was von seiner Bodenständigkeit zeugt. Herr Blume hat sich über viele andere Stationen, ob bei Seat, VW oder Porsche, nach oben gearbeitet. Der neue VW-Chef weiß also, wovon er spricht. Er kennt die Stellhebel, wie neue Modelle in der versprochenen Qualität pünktlich ausgeliefert werden. Deswegen sortiert er die Bälle jetzt noch einmal neu. 

    Was hat das für Folgen?

    Mosch: Das kann für den ein oder anderen im VW-Konzern schmerzlich werden, weil bestimmte neue Modelle später als gedacht kommen. Doch dafür können wir sicherstellen, dass Autos, die jetzt geplant werden, auch auf die Straße kommen. Langfristig betrachtet ist die Strategie von Blume besser als die von Diess. 

    Am Ende ist es besser, knietief wie Blume im operativen Geschäft zu stecken, als wie Diess Gespräche mit Elon Musk zu führen.

    Mosch (lacht): Genauso ist es. Das ist auch aus Sicht der Beschäftigten besser. Herr Blume weiß eben, wo er welche Schraube drehen muss. Er macht jetzt Tabula Rasa, stellt also alles auf dem Prüfstand. 

    Was fordern Sie hier für Audi ein?

    Mosch: In der Planungsrunde muss sichergestellt werden, dass die Audi-Werke mindestens bis 2030 ausgelastet werden. Erst dann können wir darüber reden, dass das ein oder andere Projekt auch einmal an einem anderen Standort im VW-Konzern gefertigt wird. Unsere Devise heißt also: Audi First! 

    Was heißt das konkret?

    Mosch: Die Standorte in Ingolstadt und Neckarsulm sowie das gesamte Audi-Produktionsnetzwerk müssen gefüllt werden. Das ist der Job des Audi-Vorstands. Wir werden den Audi-Vorstand daran messen, ob er unseren Anspruch im Februar erfüllt. Dabei sind wir schon bis 2025 auf der sicheren Seite bei Audi. Bis dahin befinden sich alle Projekte im Rohr. Ende nächsten Jahres läuft der Q6 e-tron in Ingolstadt vom Band. Das Jahr darauf folgt dort der A6 e-tron. Das sind für den Standort wichtige, volumenstarke Modelle, die zur Beschäftigungssicherung beitragen

    Und was passiert nach 2025?

    Mosch: Jetzt muss der nächste Schritt bis 2030 folgen. Auch wenn es zu Verschiebungen kommt, weil die Software für geplante Modelle nicht fertig ist, müssen die Audi-Standorte ausgelastet werden. 

    Dazu braucht Audi in Ingolstadt ein zusätzliches Modell.

    Mosch: Genau darüber müssen wir uns Gedanken machen. Wir setzen uns dafür ein, dass in Ingolstadt ein elektrisches Einstiegsmodell unterhalb des A3 gebaut wird. 

    Also eine Neuauflage des Spar-Autos A2 in elektrischer Form?

    Mosch: Noch zieht der Audi-Vorstand bei dem Thema nicht. Wir geben aber als Betriebsrat nicht auf. Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solches kleineres Elektroauto für uns als Marke wichtig ist. Bei dem Thema ist noch nicht die letzte Messe gelesen. Vielleicht gibt es jetzt bessere Chancen für einen solchen kleineren Elektro-Audi, weil der VW-Konzern durchgerüttelt und durchgeschüttelt wird. Klar ist aber: Audi darf die untere Mittelklasse nicht vernachlässigen, zumal Einstiegsautos wie der A1 und der Q2 wegfallen. 

    Was die Beschäftigung betrifft, geht es bei Audi aufwärts: Nach dem Abbau tausender Stellen werden wieder Jobs geschaffen. Was heißt das für Ingolstadt?

    Mosch: Nach dem Abbau befinden wir uns in der Phase des Umbaus und Aufbaus von Arbeitsplätzen, um die Elektrifizierung zu stemmen. Wir haben vereinbart, dass etwa 9000 Stellen sozial verträglich wegfallen und dafür aber auch rund 2000 in neuen Bereichen wie der Elektrifizierung und Digitalisierung entstehen. Von dem neuen Kuchen wollen wir als Audi-Betriebsrat aber ein größeres Stück abbekommen, etwa was die Wertschöpfungskette im Bereich Batterie, wie das Recycling von Batterien oder neue digitale Geschäftsfelder rund um das Thema Carsharing oder Leasing betrifft. Da ist noch Job-Potenzial für Audi drin. Nach dem Personalabbau haben wir die Untergrenze bei der Beschäftigung erreicht. Diese Untergrenze müssen wir halten und gegebenenfalls die Personalzahl sogar erhöhen. 

    Wo liegt diese Job-Untergrenze für Ingolstadt und Neckarsulm?

    Mosch: In Ingolstadt liegt diese Grenze bei rund 40.000 und in Neckarsulm bei rund 16.000 Beschäftigten. Positiv ist auch, dass sich das Formel-Eins-Team von Audi in Neuburg nahe Ingolstadt angesiedelt hat. Dort entstehen rund 350 Arbeitsplätze. 

    Audi-Chef Markus Duesmann hat sich stark für das Formel-Eins-Engagement von Audi eingesetzt. Sind Sie zufrieden mit seiner Management-Leistung?

    Mosch: Mit Herrn Duesmann haben wir einen brillanten Techniker an der Spitze von Audi. Er kann über die Technik die Menschen begeistern. Wir als Arbeitnehmer sind sehr zufrieden mit ihm als Chef

    Doch immer wieder gibt es Berichte, es gäbe Konflikte zwischen Blume und Duesmann, ja der Audi-Chef habe sogar schon mal überlegt, alles hinzuschmeißen.

    Mosch: Da ist nichts dran. Natürlich gibt es im Hintergrund immer wieder Leute, die solche Dinge befeuern. Herr Blume und Herr Duesmann arbeiten sehr professionell zusammen. In einem so großen Konzern ist Platz für beide.

    Peter Mosch, 50, ist seit 2006 Vorsitzender des Audi-Gesamtbetriebsrats. Der gebürtige Neuburger hat zudem wichtige Positionen beim Mutterkonzern Volkswagen inne: Er ist Mitglied des Präsidiums des Aufsichtsrats der Volkswagen AG und stellvertretender Vorsitzender des Volkswagen-Konzernbetriebsrates. 

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