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Foto: Marcus Merk (Symbolbild)
Foto: Marcus Merk (Symbolbild)

Beinahe hätte eine dritte Klasse in Meitingen in den Distanzunterricht wechseln müssen. Im letzten Moment gab es eine Lösung - über einen außergewöhnlichen Weg.

Meitingen/Neusäß
29.03.2022

Im Landkreis Augsburg gehen die Lehrkräfte aus

Von Jana Tallevi

Plus Keine Aushilfen mehr: Die Versorgung mit Lehrkräften erfordert viel Fantasie von den Schulen. Helfen könnte aber eine Entscheidung aus dem Kultusministerium.

Gute Verbindungen zu den entsprechenden Lehrstühlen an der Uni, ein Kollegium, das monatelang mehr als 100 Prozent leistet oder auch mal der Ausfall einzelner Randstunden: Die Schulen im Landkreis Augsburg sind inzwischen kreativ und oft auch auf die eigene Initiative angewiesen, wenn es darum geht, einen zu großen Ausfall an Unterricht zu verhindern. Für eine Grundschulklasse in Meitingen schien es nun jedoch, als ob gar nichts mehr helfen könnte außer erneutem Distanzunterricht. Doch dann hatte eine Mutter den rettenden Einfall.

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Eigentlich gibt es ein pragmatisches Instrument, um zu verhindern, dass durch erkrankte Lehrerinnen und Lehrer zu viel Unterricht an Grund- und Mittelschulen ausfällt: die mobile Reserve. Die kann immer dort innerhalb des Landkreises eingesetzt werden, wo Lehrkräfte akut fehlen. Doch in diesem Schuljahr war die Situation von Anfang an anders. Wegen der Corona-Pandemie hatte das Kultusministerium kurz vor dem Beginn des Schuljahres angeordnet, dass schwangere Lehrerinnen aus Vorsicht nicht mehr vor Ort in den Schulen unterrichten dürften. Und damit sei die mobile Reserve praktisch schon im September vollständig und langfristig eingesetzt worden, um diese Lehrerinnen zu vertreten, hatte der fachliche Leiter des Schulamts im Landkreis Augsburg, Thomas Adleff, damals berichtet.

Schule hatte nicht einmal mehr eine Kraft für die Aufsicht zur Verfügung

"Und die Situation ist nicht besser geworden", sagt er heute. Weiterhin sei die gesamte mobile Reserve für Grund- und Mittelschulen im Einsatz, aktuell müssten im Landkreis 57 Lehrerinnen und Lehrer ersetzt werden. Besonders hart hat es in den vergangenen Wochen die Grundschule in Meitingen getroffen. Als dort die Lehrerin einer dritten Klasse nun von ihrer Schwangerschaft erfuhr, war das nicht der erste Fall in diesem Schuljahr. Es habe geschienen, als bliebe nur noch eine Lösung, berichtet Schulleiterin Claudia Bschorr: Distanzunterricht wie zu Zeiten des Lockdowns.

Nicht einmal eine Aufsicht hätte es mehr gegeben, die die Kinder in der Schule betreuen konnte, während die Lehrerin ihren Unterricht ins Klassenzimmer übertragen hätte. Einzige Lösung: Alle Kinder sollten zu Hause bleiben und die Eltern die Aufsicht übernehmen. In dieser Situation hatte eine betroffene Mutter eine Idee. Über Facebook sandte sie einen "Hilferuf" an pensionierte Lehrkräfte oder Kolleginnen in Elternzeit. Und das hat im letzten Moment geklappt.

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Foto: Marcus Merk
Foto: Marcus Merk

Leere Klassenzimmer, weil die Kinder im Distanzunterricht sind: Das soll es möglichst nicht mehr geben. Die Schulen müssen jedoch oft genug eigene Lösungen finden.

Lehrermangel an Grundschule Meitingen: Lehrerin meldet sich aus Elternzeit

Bei der Schule hat sich tatsächlich eine Lehrerin in Elternzeit gemeldet. Zumindest bis Ostern ist der Unterricht nun gesichert. Wie es dann weitergeht, sei aber noch offen, so die Schulleiterin. Denn der Markt an Lehrerinnen und Lehrern sei komplett leer, sagt Schulamtsleiter Thomas Adleff. Geschaffen hat das Kultusministerium zwar die Möglichkeit, Personen mit zumindest einer fachlichen Ausbildung in Deutsch, Mathematik, Geschichte oder einem anderen Schulfach als Team-Lehrkräfte oder über eine Weiterbildung als Lehrerinnen und Lehrer an die Schulen zu holen. "Aber wer die Kompetenz und die Bereitschaft dazu hat, den haben wir längst eingestellt", macht Adleff deutlich.

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Die Schulen sind deshalb inzwischen dabei, an ihren eigenen Lösungen zu arbeiten. Der Leiter der Realschule in Meitingen, Michael Kühn, sagt, dass an seiner Schule im Moment gar nicht so viel Unterricht ausfalle. "Wir haben immer wieder Aushilfen gefunden, auch mittel- und langfristig." Dazu hat Kühn ein eigenes Netzwerk aufgebaut, sucht über spezialisierte digitale Portale und hat Verbindungen zur Uni in Augsburg, um möglichst früh an Studentinnen und Studenten zu kommen. "Das ist praktisch wie beim sogenannten Recruiting in der freien Wirtschaft. Man muss Kontakte aufbauen und sie auch halten."

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Foto: Marcus Merk (Archivbild)
Foto: Marcus Merk (Archivbild)

Am Justus-von-Liebig-Gymnasium ist das Ziel, dass der Kernunterricht möglichst immer stattfinden soll.

Immer wieder gibt es auch unter Lehrkräften Corona-Wellen

Von Situationen, die sich von Tag zu Tag ändern können, berichtet der Schulleiter des Justus-von-Liebig-Gymnasiums in Neusäß, Stefan Düll. Immer wieder seien phasenweise besonders viele Lehrerinnen und Lehrer von Corona-Erkrankungen oder Quarantänen betroffen. Die Schule versuche dann, hausinterne Lösungen zu finden. "Da wird der Unterricht von zu Hause ins Klassenzimmer übertragen, oder es fallen auch mal Randstunden aus. Der Kernunterricht sollte aber immer stattfinden", so Düll. Für die Gymnasien gebe es zwar, ähnlich der mobilen Reserve, auch eine integrierte Lehrerreserve. "Aber da steht nicht immer das Fach zur Verfügung, das gerade gebraucht wird." Das Kollegium würde sich deshalb selbst aushelfen - auch mit Mehrarbeit.

Arbeiten mit über 100 Prozent Einsatz - das könne schon mal eine Weile gut gehen, aber nicht auf Dauer, sagt Thomas Adleff. Die Folge wären nämlich ein hoher Krankenstand bei ebendiesen besonders engagierten Lehrkräften. Er sieht nur einen Ausweg aus der Situation: "Vielleicht bewertet das Kultusministerium die Gefährdungssituation für schwangere Lehrerinnen doch wieder anders." Nur, wenn diese wieder bis zum Mutterschutz unterrichten dürften, ließe sich das Problem des Lehrkräftemangels dauerhaft in den Griff bekommen.

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