
Augsburger Allgemeine
Stefan Dosch
Kultur und Journal

Stefan Dosch ist gebürtiger Augsburger. Nach dem Studium der Literatur- und Theaterwissenschaften in München absolvierte er ein Volontariat bei der Augsburger Allgemeinen. Danach war er fast zwei Jahrzehnte lang Redakteur mit Schwerpunkt Kultur bei der Allgäuer Zeitung in Kaufbeuren.
Seit 2008 ist er Mitglied des Feuilletons der Augsburger Allgemeinen. Kultur und die Künste interessieren ihn in allen ihren Erscheinungsformen – ganz besonders aber hat er ein Faible für klassische Musik und die Literatur vergangener Epochen.
Artikel von Stefan Dosch

Von Norden, Osten, Westen
Optimistisch, wie die Jazzliebhaber sind, werden sie denken: Wenn das Wetter jetzt im Frühling grauslich ist, dann wird es, ausgleichende Gerechtigkeit, im Sommer herrlich sein - und also dürfte den Freiluftkonzerten im Botanischen Garten, in denen auch in diesem Jahr der Augsburger Jazzsommer seine Hauptakteure präsentiert, nichts im Wege stehen. Wobei die Akustikkenner unter den Jazzfreunden auch gegen feuchte Witterung nichts einzuwenden hätten. In der Ausweichspielstätte, dem Glashaus im Botanischen Garten, herrschen nämlich beste Klangverhältnisse.

Helden und Sünden
"Musik kennt keine Grenzen", schreibt Augsburgs Generalmusikdirektor Dirk Kaftan im Editorial der Programmvorschau für die Orchester-Spielzeit 2010/11, und damit hat er wohl recht. Ob die Philharmoniker nun in der Kongresshalle spielen oder, wie die komplette kommende Saison, in der Stadthalle Gersthofen, das ist für die Musik letztlich unwesentlich: Hauptsache, sie erklingt.

Klingt gut im neuen Haus
"Schön, dass Sie da sind!" Schriftlich bestätigt bekam Augsburgs Philharmoniker-Publikum die Erleichterung darüber, dass es offensichtlich gewillt ist, seine bisher gewohnte Konzertstätte, die Augsburger Kongresshalle, mit dem Ausweichquartier in Gersthofen, der dortigen Stadthalle, zu vertauschen. Weshalb es am Saaleingang ein mit oben genanntem Stoßseufzer bedrucktes Konfekttäfelchen gab, gewissermaßen, um mit 13,5 Gramm Milchschokolade den sauren Apfel des nun zwei Jahre dauernden Pendelnmüssens zu versüßen.

Ein Sommer voller Geigen
Bloß gut, dass der Terminplan der Mozartiade 2010 nicht so eng gedrängt ist wie das Programm des zeitgleich startenden Augsburger Mozartfests. Wo das städtische Festival zehn prall gefüllte Tage umfasst, zieht sich der privat veranstaltete "Schwäbische Musiksommer" im Zeichen Mozarts bis in den Herbst. Gut deshalb, weil der Mozartiade-Kalender (ab 9. Mai) auch in diesem Jahr reich gefüllt ist mit hochkarätigen Namen und interessanten, den Schwerpunkt auf Kammermusik setzenden Programmen.

Mit Wolfgang Amadé quer durch Italien
Mozart und Italien: ein unerschöpfliches Thema. Der Komponist und die Eindrücke, die er als Jugendlicher jenseits der Alpen empfing und sich produktiv anverwandelte - das ist ein reiches Feld, welches allemal das Motto für ein Musikfestival abzugeben vermag. Um so mehr, wenn sich wegen des länderübergreifenden Bezugs EU-Mittel für solch ein Fest lockermachen lassen.

In weiter Ferne, aber auch ganz nah
"Ferne Klänge": Über diesen ersten Teil des Mottos zum jüngsten Philharmoniker-Sinfoniekonzert - vom zweiten Teil wird noch zu reden sein - konnte man durchaus ins Sinnieren geraten. Etwa dahingehend, dass chronologische Ferne und gefühlte Ferne nicht unbedingt identisch sein müssen: Beethoven, in der zweiten Konzerthälfte gegeben, wurde vom Publikum warm applaudiert; Franz Schreker und Alban Berg, deren Musik mehr als ein Jahrhundert jünger ist als diejenige Beethovens und von den Philharmonikern unter Friedemann Layer keineswegs weniger fesselnd vorgetragen wurde - diese Musik der Moderne, das war der Reaktion der Zuhörerschaft zu entnehmen, steht in ihrer Akzeptanz doch in merklich weiterer Ferne als diejenige der Wiener Klassik.

Ein Kuss? Nicht nur einen!
Es musste erst ein Filmemacher aus dem Norden kommen, um in die Tat umzusetzen, was eigentlich so nahelag: diejenigen, welche Bertolt Brecht in seinen jungen Jahren in Augsburg nahegestanden hatten und die in den 1970er Jahren ja vielfach noch am Leben waren, sie allesamt vor die Filmkamera zu bitten und erzählen zu lassen, wie es war mit dem aufstrebenden Dichter. Heinrich Breloer war 1976 in einem Augsburger Hotel abgestiegen, hatte müßig im Telefonbuch geblättert und gesehen: Tatsächlich, da standen noch viele der Namen aus Brechts frühem Kreis. So kam es vor über 30 Jahren zur Filmdokumentation "Bi und Bidi in Augsburg", die der Regisseur, inzwischen vielfach ausgezeichneter Dokudrama-Spezialist, nun selbst beim Brecht-Festival im Thalia-Kino vorstellte. Ein "bescheidener Erzählfilm", wie Breloer zu untertreiben meinte; enthält die Doku doch nichts weniger als Perlen der Brecht-Memoria.

Ein Kuss? Nicht nur einen!
Es musste erst ein Filmemacher aus dem Norden kommen, um in die Tat umzusetzen, was eigentlich so nahelag: diejenigen, welche Bertolt Brecht in seinen jungen Jahren in Augsburg nahegestanden hatten und die in den 1970er Jahren ja vielfach noch am Leben waren, sie allesamt vor die Filmkamera zu bitten und erzählen zu lassen, wie es war mit dem aufstrebenden Dichter. Heinrich Breloer war 1976 in einem Augsburger Hotel abgestiegen, hatte müßig im Telefonbuch geblättert und gesehen: Tatsächlich, da standen noch viele der Namen aus Brechts frühem Kreis. So kam es vor über 30 Jahren zur Filmdokumentation "Bi und Bidi in Augsburg", die der Regisseur, inzwischen vielfach ausgezeichneter Dokudrama-Spezialist, nun selbst beim Brecht-Festival im Thalia-Kino vorstellte. Ein "bescheidener Erzählfilm", wie Breloer zu untertreiben meinte; enthält die Doku doch nichts weniger als Perlen der Brecht-Memoria.

Kompromisslos rein ins Geschehen
Acht Sinfoniekonzerte bestreitet das Philharmonische Orchester Augsburg in der laufenden Saison, und wenn man die Sonderkonzerte dazunimmt, sind es gar noch zwei mehr. In diesen zehn Programmen ist heuer Platz für genau ein großes, eine Konzerthalbzeit tragendes Werk der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der "Zweiten Moderne", um Ulrich Becks Begriff für die doch sehr eigenständigen Dimensionen der Musik seit den 1950er Jahren zu entlehnen. Ein umfangreiches, cum grano salis zeitgenössisches Stück - das ist gar kein schlechter Schnitt für ein kommunales Orchester in Zeiten, in denen die jüngere komponierte Musik einen lausigen Stand im Konzertsaal hat. Umso mehr freute man sich, Witold Lutoslawskis Konzert für Orchester als Top-Programmpunkt des vierten Sinfoniekonzerts zu finden.

Geboren am 24. Dezember
In der Besonderheit des Geburtsdatums mag man schon das Außergewöhnliche dieses Lebenswegs erkennen. An Heiligabend des Jahres 1709 kommt Johann Holzer im kleinen Ort Burgeis in Südtirol zur Welt. Bereits wenige Jahrzehnte später steht er im Ruf, einer der hervorragendsten Maler der Zeit zu sein. Doch Johann Holzer, der später den Beinamen Evangelist erhält und die meiste Zeit seines Lebens in Augsburg verbringt, ist lediglich ein knappes Dutzend an Schaffensjahren vergönnt.