i
Foto: Bernhard Weizenegger (Symbolbild)
Foto: Bernhard Weizenegger (Symbolbild)

Ein kleiner Stich, und das war’s schon mit der Grippeimpfung. So sollte es zumindest sein. Viele Menschen sind in diesen Tagen jedoch frustriert, weil sie teilweise wochenlang warten müssen, bis sie geimpft werden können.

Influenza
03.11.2020

Grippeschutz: Gibt es in Bayern noch genug Impfstoff?

Von Maria Heinrich

Plus Viele Menschen wollen sich gegen Grippe impfen lassen. Bei den einen klappt das ohne Probleme, andere müssen dagegen wochenlang darauf warten. Woran das liegen könnte.

Inge Golla ist wütend. Ende September hatte die 78-Jährige aus Neu-Ulm sich bereits von ihrem Hausarzt ein Rezept für die Grippeimpfung ausstellen lassen. Doch nachdem sie es in einer Apotheke abgegeben hatte, hörte sie vier Wochen lang nichts mehr – bis das Rezept an sie zurückgeschickt wurde, ohne dass sie eine Impfung bekam. „Ich bin wirklich entsetzt, dass kein Impfstoff lieferbar war“, erzählt sie aufgebracht am Telefon. „Ich habe Bluthochdruck, Diabetes und lasse mich seit 50 Jahren impfen. Und jetzt stehe ich zum ersten Mal in meinem Leben ohne Grippeschutz da. Dabei hieß es doch, es gibt heuer genügend Impfstoff.“

Weiterlesen mit dem PLUS+ Paket
Zugriff auf alle PLUS+ Inhalte. Jederzeit kündbar.
JETZT AB 0,99 € TESTEN

Wegen Corona wurde bereits im Frühjahr mehr Impfstoff bestellt

So hatte es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zumindest im Oktober angekündigt. „Wir haben rechtzeitig vorgesorgt, damit sich jeder impfen lassen kann, der möchte. Wir haben 26 Millionen Dosen bestellt. Das ist fast doppelt so viel, wie in der vergangenen Saison verimpft wurde.“ Letzte Saison hätten sich 14 Millionen Bürger impfen lassen, wobei 20 Millionen Dosen zur Verfügung gestanden hätten. „Wir haben es in den letzten Jahren immer wieder erlebt, dass vier bis sechs Millionen Dosen vernichtet werden mussten, weil sich nicht genügend Menschen impfen lassen wollten.“

15 Bilder
Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher
Was in die Hausapotheke gehört
zurück
Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Das gehört in die Hausapotheke: Arzneimittel sollten an einem kühlen, trockenen Ort, möglichst vor Licht geschützt, aufbewahrt werden. Als Aufbewahrungsort scheiden damit Badezimmer oder Küche aus. Besser geeignet ist das kühle Schlafzimmer. Bild: dpa

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

So sollte es nicht sein: Arzneimittel sollten für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden. Bild: dpa

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Mindestens einmal im Jahr sollte die Hausapotheke überprüft und, wenn nötig, wieder aufgefüllt werden. Bild: dpa

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Augentropfen sind nur vier Wochen haltbar. Nach Behandlungsende aus der Hausapotheke entfernen. Bild: dpa

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Was unbedingt in die Hausapotheke gehört: Schmerz- und Fiebermittel. Bild: obs/Bayer

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Heftpflaster sind ebenfalls ein Muss in der Hausapotheke. Bild: dpa/gms

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Desinfektiosmittel ist nicht nur in der Grippezeit wichtig. Bild: Thorsten Jordan

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Ob digital oder wie hier noch mit Quecksilbersäule: Ein Fieberthermometer gehört in jeden Haushalt. Bild: dpa

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Auch Tabletten gegen Verdauungsbeschwerden, Sodbrennen und Heuschnupfen sollten im Schränkchen stehen. Bild: dpa

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Die Grippezeit kommt bestimmt: Mittel gegen Husten, Schnupfen und Halsschmerzen sollte man zuhause haben. Bild: Laura Loewel

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Wichtig für Sportbegeisterte: Salbe oder Gel gegen Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen. Bild: dpa

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Vor allem bei kleinen Kindern wichtig: Salbe oder Sprays gegen Verbrennungen. Bild: obs

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Auch Verbandszeug, Mullbinden und sterile Kompressen gehören in die Hausapotheke. Bild: Melanie Hofmann

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Auch mit einer Pinzette sollte man ausgerüstet sein. Bild: dpa

Foto: Sonja Krell/Joshena Diessenbacher

Im Zweifel beraten lassen: Über die Zusammenstellung der Hausapotheke gibt auch der Apotheker Auskunft. Bild: dpa

Für den Freistaat wurden nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) für die gesetzlich Versicherten rund 1,7 Millionen Impfdosen bestellt. Nicht eingerechnet ist darin der Bedarf zum Beispiel für Privatversicherte oder für Angestellte im öffentlichen Gesundheitsdienst. Als Basis dienten der KVB die Zahlen der vergangenen Grippesaison, wie Sprecher Axel Heise erklärt. „Vergangene Saison wurden 1,22 Millionen Dosen abgerechnet. Wegen der Pandemie wurde dazu ein coronabedingter Aufschlag von 12 Prozent aufgerechnet.“

Angesichts dieser Bestellzahlen betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Oktober jedoch auch, dass die Dosen erst nach und nach freigegeben würden und nicht an einem Tag alle auf einmal ausgeliefert werden. „Daher kann es im Moment lokal und zeitlich zu Lieferengpässen kommen. Das heißt aber nicht, dass wir Versorgungsengpässe haben.“

Manche Ärzte waren "händerringend auf die nächsten Lieferungen"

Diese Aussage sieht man in Bayern kritisch. Die Erklärung des Gesundheitsministers, es gebe keinen Engpass, will zum Beispiel Gerald Quitterer, Präsident der bayerischen Landesärztekammer, nicht einfach so stehen lassen: Fakt sei, dass in Bayern viele Praxen noch nicht einmal die vorbestellten Impfstoffe komplett erhalten hätten. In einigen Hausarztpraxen seien die Impfdosen bereits wieder ausgegangen. Quitterer appellierte daher: „Nicht nur die Bevölkerung zum Impfen aufrufen, sondern auch sicherstellen, dass die impfwilligen Patienten diese Impfung erhalten.“

Quitterer spricht damit wohl das aus, was sich vermutlich viele frustrierte Patienten wie Inge Golla aus Neu-Ulm denken – aber genauso auch Ärzte und Apotheker aus Bayern, die in diesen Tagen „händeringend auf die nächsten Lieferungen warten“, wie manche erzählen. Auch aus verschiedenen Regionen in Schwaben haben sich schon Hausärzte und Apotheker zu Wort gemeldet. „Die Lage ist katastrophal“, wird geklagt, oder: „Wir sind ratlos angesichts der Situation.“

Grippe oder Erkältung: Wie kann man sich schützen?

Die Nase läuft, der Hals kratzt, der Schädel dröhnt: Durch Deutschland rollt eine Erkältungs- und Grippewelle. Doch was unterscheidet eine Erkältung von einer richtigen Influenza? Und wie können sich Menschen schützen? Fragen und Antworten:

Grippe oder Erkältung: Wie kann man sich schützen?

WAS IST DER UNTERSCHIED ZWISCHEN EINER ERKÄLTUNG UND EINER GRIPPE? Ein grippaler Infekt, wie eine Erkältung auch genannt wird, hat mit der echten Grippe nichts zu tun. Beide werden durch verschiedene Erreger verursacht. Eine Grippe wird durch Influenzaviren ausgelöst, Erkältungen werden von mehr als 30 verschiedenen Erregern hervorgerufen wie zum Beispiel Rhino- und Coronaviren. Zu den Erkältungssymptomen zählen Halsschmerzen, Schnupfen und Husten, seltener auch erhöhte Temperatur oder Fieber. In Einzelfällen, etwa bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem, kann jedoch auch eine Erkältung zu schweren Komplikationen führen.

Grippe oder Erkältung: Wie kann man sich schützen?

WIE ÄUSSERT SICH EINE VIRUSGRIPPE? Im Gegensatz zu einer normalen Atemwegserkrankung, die meist nach wenigen Tagen überstanden ist, schlägt die Virusgrippe schnell und heftig zu. Symptome sind in der Regel plötzlich auftretendes hohes Fieber über 39 Grad Celsius, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Schweißausbrüche, allgemeine Schwäche, Kopf- und Halsschmerzen, Schnupfen und trockener Reizhusten. Nicht jeder Infizierte erkrankt allerdings auch. Zudem sind eine echte Grippe und eine Erkältung nicht immer anhand der Symptome zu unterscheiden. In Zweifelsfällen lässt sich eine Grippe durch einen Rachen- und Nasenabstrich im Labor nachweisen.

Grippe oder Erkältung: Wie kann man sich schützen?

WIE KANN ICH MICH SCHÜTZEN? Vor allem Ältere und chronisch Kranke sollten sich gegen Influenza impfen lassen. Ein einfacher und effektiver Schutz gegen Infektionen ist aber auch das Händewaschen. Mehrmals am Tag sollten die Hände für 20 bis 30 Sekunden mit Wasser und Seife gewaschen werden. In einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von 2016 gab allerdings nur knapp jeder Zweite an, sich in der kalten Jahreszeit beim Nachhausekommen regelmäßig die Hände zu waschen.

Grippe oder Erkältung: Wie kann man sich schützen?

Es ist in jedem Fall ratsam, die Hände vom Gesicht fernzuhalten und aufs Händeschütteln zu verzichten, um die Ansteckungsgefahr zu mindern. Wenn viele Menschen zusammenkommen wie zum Beispiel im Karneval, ist das Übertragungsrisiko besonders hoch. Wechselduschen und Saunagänge härten den Körper ab und machen ihn weniger anfällig für Infekte. Zudem befeuchten nasse Tücher auf der Heizung und regelmäßiges Lüften die Raumluft, denn Heizungsluft trocknet die Schleimhäute aus und macht sie anfälliger für Viren.

Grippe oder Erkältung: Wie kann man sich schützen?

WELCHE ERKÄLTUNGS- UND GRIPPEMITTEL HELFEN? Gegen Grippeviren gibt es Medikamente, die allenfalls die Dauer der Erkrankung leicht verkürzen können. Sie können aber zu Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen führen. In der Regel hilft es nur, auszuruhen und abzuwarten. Es gibt freilich eine Reihe von Mitteln, die Beschwerden lindern, darunter Schmerzmittel wie Ibuprofen und Paracetamol sowie abschwellende Nasensprays.

Grippe oder Erkältung: Wie kann man sich schützen?

Antibiotika helfen nicht gegen Erkältungensviren, sondern sind höchstens sinnvoll, wenn eine bakterielle Infektion der Atemwege hinzukommt und mögliche Komplikationen drohen. Auch Präparate mit Zink, Vitamin C oder Echinaceaextrakten werden oft bei Erkältungen empfohlen, zuverlässige Nachweise über die Wirksamkeit gibt es aber nicht. Wer sich rezeptfreie Medikamente aus der Apotheke holt, der sollte besser jedes Symptom einzeln bekämpfen, rät die Stiftung Warentest. Die viel beworbenen Kombipräparate, die gleich mehrere Wirkstoffe enthalten, sind nach Ansicht der Verbraucherexperten gegen Erkältung wenig geeignet.

Grippe oder Erkältung: Wie kann man sich schützen?

WARUM IST BEI SCHNUPFENSPRAYS VORSICHT ANGEBRACHT? Werden bestimmte abschwellende Nasentropfen oder -sprays länger als fünf bis sieben Tage nacheinander angewendet, kommt es zu einem dauerhaft starken Anschwellen der Nasenschleimhaut. Es entsteht ein sogenannter medikamentenbedingter Schnupfen, der dann eine oft monate- oder jahrelange Verwendung der Mittel nach sich zieht. Patienten werden regelrecht süchtig. Auf Dauer wird die Funktion der Nasenschleimhaut dadurch zerstört. (AFP)

Doch das Erstaunliche ist: Gleichzeitig gibt es auch nach wie vor Praxen, die erklären, dass es keine Engpässe gebe und noch genügend Impfstoffe verfügbar seien. Wie ist das zu erklären? Warum können sich manche Menschen nach wie vor ohne Probleme und ohne Wartezeit impfen lassen, während andere wochenlang darauf warten müssen?

Eine Erklärung könnte der Bestelltermin für die Impfdosen im Frühjahr gewesen sein, sagt ein Sprecher des Bayerisches Apothekerverbandes: Ärzte und Apotheker bestellen zu diesem Zeitpunkt die Menge an Impfstoff vor. Das Problem dabei: Wenn Ärzte und Apotheker zu viel Impfdosen bestellen, bleiben sie selbst auf den Kosten dafür sitzen. „Aber wer wusste im Frühjahr schon, wie die Situation im Herbst sein wird?“

Gesundheitsminister Spahn: Grippeschutzimpfung schützt dreifach

Eine weitere Erklärung, vermuten Fachleute, könnte auch sein, dass von der Politik in diesem Jahr erst relativ spät die dringende Empfehlung kam, sich während der Corona-Pandemie gegen Grippe impfen zu lassen. Gesundheitsminister Spahn sagte erst Mitte Oktober zum Beispiel: „Wenn viele Menschen an Covid-19 und dazu noch viele an Grippe erkranken würden, dann kann unser Gesundheitssystem – zumal es sich um zwei Atemwegserkrankungen mit ähnlichen Symptomen handelt – an seine Grenze stoßen.“ Dieser kleine Picks bedeute dreifachen Schutz: „Er schützt mich, andere in meinem Umfeld, und das Gesundheitssystem vor einer Überlastung.“

Ein weiterer Grund könnte sein, vermutet ein Kinderarzt aus Schwaben, dass neuerdings der Wunsch vieler Eltern aufkommt, auch ihre Kinder gegen Grippe impfen zu lassen. Normalerweise sei die Impfung bei chronisch kranken Kindern üblich. Ansonsten sei es nicht zwingend nötig, dass ein an sich gesundes Kind gegen Grippe geimpft werden muss. Ähnliches bestätigt auch die Bayerische Landesärztekammer– Die Nachfrage bei Grippeimpfungen sei in diesem Jahr in Bayern einfach besonders hoch.

 

Doch ist derzeit eigentlich schon absehbar, wie schlimm die Grippesaison heuer wird? Grundsätzlich ist eine Prognose noch nicht möglich, erklärte eine Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. „Wie stark eine Grippewelle ausfällt, hängt unter anderem von den aktuell vorkommenden Virustypen, von der Immunität in der Bevölkerung sowie vom Wetter ab.“ Zum Vergleich: Bislang wurden in diesem Jahr bis Anfang Oktober 55.037 Influenza-Fälle gemeldet. Im gleichen Zeitraum im vergangenen Jahr waren es 45.844.

Ungeachtet dessen ist in der Regel die Hochphase der Grippewelle für Januar und Februar zu erwarten. Erwachsene seien etwa zwei Wochen nach der Injektion geschützt. Es wäre nach Aussage von Ärzten und Apothekern also durchaus sinnvoll, sich auch noch im Dezember oder Januar impfen zu lassen. Denn führende Virologen in Deutschland warnen: Eine Doppelinfektion von Corona und Grippe würde sehr, sehr schwer verlaufen. (mit jvoss, mari, corh, fene)

Lesen Sie dazu auch:

Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

Facebook Whatsapp Twitter Mail