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Foto: Ehrenfeld (Archivbild)
Foto: Ehrenfeld (Archivbild)

Bei einem der sogenannten "Spaziergänge" gegen die Corona-Maßnahmen kam es an der Ecke Augsburger Straße/ Maximilianstraße zu einer Rangelei zwischen Polizei und wenigen Teilnehmenden.

Neu-Ulm
15.04.2022

Gewaltbereite bei "Spaziergang" nicht aus rechter Szene – Polizei räumt "Fehler" ein

Von Michael Kroha

Plus Bei einem "Corona-Spaziergang" war es in Neu-Ulm zu einem Tumult gekommen. Die Gewalt sei von Personen aus der rechten Szene ausgegangen, hieß es. Doch dem war nicht so.

Es dürfte einer der größten Aufreger im Zusammenhang mit den sogenannten "Spaziergängen" in Ulm und Neu-Ulm gewesen sein: Ende Januar kam es bei einer der nicht angemeldeten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen an der Ecke Maximilianstraße/Augsburger Straße zu einer Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Teilnehmenden. Die Ermittler teilten kurz danach mit: Die Gewalt sei von Personen ausgegangen, die der "rechten Szene" zuzuordnen sind. Auf Nachfrage räumt die Polizei jetzt ein: Das stimmt nicht. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem "Kommunikationsversehen" – das Folgen haben könnte.

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Es geht um jenen Vorfall am Freitagabend, 28. Januar. Gegen 20 Uhr waren zehn bis 15 Teilnehmer des Protestzugs auf Höhe des früheren Sport Sohn in Neu-Ulm auf die Polizei zugegangen und wollten in die Maximilianstraße einbiegen. Auf mehreren Videos, die im Anschluss im Netz zu finden waren, ist zu sehen, dass Beamte mit Gesten und einer Megafon-Ansage Anweisungen gaben, zur Augsburger Straße zurückzugehen. "Spaziergänger" versuchten jedoch, die Polizeikette zu durchbrechen. Es kam zu einem kurzen Gerangel, der Einsatz von Schlagstöcken wurde angedroht. Eine Beamtin und zwei Beamte wurden dabei nach Polizeiangaben leicht verletzt.

Neu-Ulmer Polizei-Chef: "Das sind Kriminelle, die da mitlaufen"


Thomas Merk, zu diesem Zeitpunkt kommissarische Leiter der Polizeiinspektion Neu-Ulm, sagte kurz danach: "Das sind Kriminelle, die da mitlaufen." Am darauffolgenden Montag gab die Polizei in einer Pressemitteilung bekannt: Durch erste Ermittlungen seien fünf Verantwortliche dieses Tumults ermittelt und auch vorläufig festgenommen worden. Drei dieser Tatverdächtigen seien der rechten Szene zuzuordnen. Auf Nachfrage unserer Redaktion hatte ein Polizeisprecher damals erklärt, dass jene Personen in Verbindung mit Rechtsrockkonzerten stünden und zum Teil Mitglieder der rechtsextremen Partei "Der III. Weg" seien.

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Foto: Ehrenfeld (Archivbild)
Foto: Ehrenfeld (Archivbild)

Die Polizei teilte kurz nach dem Vorfall mit: Jene Tatverdächtige seien der rechten Szene zuzuordnen. Wie sich jetzt herausstellt, haben sie Ermittler hierzu aber noch gar keine Hinweise.

Groß war dementsprechend auch die Empörung – nicht nur seitens politischer Amtsträger. "Die Hintermänner und Rattenfänger zeigen ihr wahres Gesicht", sagte Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU). Seine Neu-Ulmer Kollegin Katrin Albsteiger (CSU) sah einen Beleg dafür, "dass hier offensichtlich konzentriert und organisiert Menschen in einen antidemokratischen und verfassungsfeindlichen Strudel hineingezogen werden". In der breiten Öffentlichkeit in der Region rund um Ulm sah man sich darin bestätigt, wovor Verfassungsschützer unlängst gewarnt hatten: Die Bewegung werde von rechtsextremen Gruppierungen unterwandert und würde auch nicht vor Gewalt zurückschrecken.

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Auf Nachfrage unserer Redaktion bei der Staatsanwaltschaft Memmingen, wie in diesem Fall denn der aktuelle Ermittlungsstand sei, teilt ein Sprecher mit: Das Verfahren werde noch bei der Kriminalpolizei in Neu-Ulm bearbeitet und liege der Staatsanwaltschaft noch nicht vor. Bei den Tatverdächtigen handle es sich zudem nicht um Personen, die der rechten Szene zugehörig seien. Hierbei habe es sich um "Kommunikationsversehen" gehandelt.

Herausgegeben hatte die Mitteilung damals die für Neu-Ulm zuständige Pressestelle des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West mit Sitz in Kempten. Der dortige Sprecher Holger Stabik bestätigt die Angaben der Staatsanwaltschaft: "Der Fall liegt noch auf Halde", sagt er. Man habe sich der Angelegenheit "noch nicht großartig angenommen". Und: "Wir können nach aktuellem Ermittlungsstand keine Szenenzugehörigkeit bestätigen."

Rechte bei "Spaziergang"? Polizei-Pressesprecher nennt es "Kommunikationsfehler"

Aber warum wurde das damals getan? Stabik nennt es einen "Kommunikationsfehler". Die Erklärung: Beinahe zeitgleich mit dem Tumult in Neu-Ulm habe die Ulmer Polizei die Information übermittelt, dass es auf der württembergischen Donauseite zu einer Straftat gekommen sei, an der drei Personen, die der rechten Szene zuzuordnen seien, beteiligt gewesen seien. Beim Blick auf das Einsatzprotokoll, auf Grundlage dessen die spätere Pressemitteilung entstanden sei, sei das fälschlicherweise "vermischt" worden. "Das hätte nicht passieren dürfen", sagt Stabik. "Den Schuh ziehen wir uns an."

Dass die Angelegenheit heikel ist, weiß der Polizeisprecher: "Im Bereich rechtsmotivierter Straftaten wären wir verpflichtet gewesen, fünf Mal ganz genau hinzuschauen." Doch über das Wochenende habe kein zuständiger Sachbearbeiter das Protokoll ganz genau überprüfen können. Jene Tatverdächtige, die die Polizeikette durchbrechen wollten, hätten sich nicht aufgrund einer "Vorverurteilung" gemeldet. Womöglich hätten sie es gar nicht mitbekommen, sie hätten keinen Ulmer oder Neu-Ulmer Bezug, sagt Stabik, der selbst davon erst im Zuge unserer Anfrage erfahren habe. Eine Richtigstellung seitens der Polizei sei derzeit nicht angedacht. Die Verdächtigen seien noch nicht gehört worden.

Für "Spaziergänger" dürfte das jetzt Wasser auf ihre Mühlen sein. Schließlich kritisierten Teilnehmende auch im Gespräch mit unserer Redaktion, sie würden zu Unrecht in ein radikales Licht gerückt: "Wir sind nicht rechts. Wir sind friedliche Bürger, die ihre Steuern zahlen", sagte ein Mann einst. Stabik gibt jenen allerdings zu bedenken: Es seien ja durchaus Personen, die mit der rechten Szene in Verbindung gebracht werden, polizeilich in Erscheinung getreten. Um welches Delikt es sich dabei handelt, ist unklar und war vom Ulmer Polizeipräsidium bis Donnerstag nicht zu erfahren. Mit dem Tumult in Neu-Ulm aber hätten sie – nach aktuellem Stand – nichts tun gehabt.

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