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Foto: Sven Hoppe, dpa
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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat einen Zehn-Punkte-Plan für die CSU vorgelegt, nachdem Abgeordnete in die Masken-Affäre verwickelt waren.

Masken-Affäre
22.03.2021

Söders Transparenz-Versprechen lässt viele Fragen offen

Von Uli Bachmeier

Plus Markus Söders Zehn-Punkte-Plan für Vertrauen und Integrität soll die CSU schnell vom Ruch der Korruption reinwaschen. Aber er ist nicht zu Ende gedacht.

Markus Söder versucht den Befreiungsschlag. Das „Maßnahmenpaket für Vertrauen und Integrität“, das der CSU-Chef am Wochenende in aller Eile vorgelegt hat, soll seine Partei in der Masken-Affäre so schnell wie möglich vom Ruch der Korruption reinwaschen und unsauberen Geschäften von Abgeordneten in Zukunft einen härteren Riegel vorschieben. Die eigentliche Arbeit aber ist damit noch nicht getan. Die Frage, wie weit die Freiheit von Abgeordneten ganz konkret eingeschränkt werden soll, führt nämlich direkt zu der Frage: Von wem wollen wir regiert werden?

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Bereits jetzt repräsentieren die 205 Abgeordneten des Bayerischen Landtags das Volk nicht wirklich. Wer versucht, sie nach ihrem beruflichen Hintergrund zu sortieren, findet eine Hausfrau, eine Krankenschwester, zwei Krankenpfleger, einen Berufsoffizier, einen Studenten, einen Berufsfeuerwehrmann sowie jeweils eine Handvoll Handwerksmeister, Ärzte, Journalisten und Architekten. Busfahrer, Bauarbeiter, einfache Angestellte oder Mitarbeiter der Straßenreinigung findet er nicht. Relativ klein ist auch die Zahl der Abgeordneten, die aus technischen und sozialen Berufen kommen. Wissenschaftler und Landwirte gibt es schon etwas mehr. Die überwältigende Mehrheit der Volksvertreter in Bayern aber sind Beamte, Juristen, Freiberufler und selbstständige Unternehmer. Im Bundestag ist es nicht viel anders.

Söder (CSU) will nach Maskenaffäre, dass Abgeordnete Nebentätigkeiten begrenzen

Hintergrund des Vorstoßes der CSU, geschäftliche Nebentätigkeiten von Abgeordneten zu begrenzen, ist der Verdacht, dass der Günzburger Rechtsanwalt und langjährige CSU-Abgeordnete Alfred Sauter in der Corona-Krise von einem unsauberen Geschäft mit Schutzmasken profitiert haben soll. Sie will damit Schluss machen, „dass Abgeordnete ihre Stellung für geschäftliche Zwecke missbrauchen oder gar die Krise zum Geschäft machen.“ Deshalb fordert sie unter anderem den „Ausschluss von gewerbsmäßigen Nebentätigkeiten bei Führungsaufgaben in den Parlamenten.“

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Foto: David-Wolfgang Ebener, dpa
Foto: David-Wolfgang Ebener, dpa

Der Landtagsabgeordnete Alfred Sauter (CSU) hat seine Parteiämter niedergelegt und ist aus der Landtagsfraktion ausgetreten.

Besonders zielgenau ist dieser Punkt in Söders Zehn-Punkte-Plan nicht. Auch ohne seinen am Montag erklärten Austritt aus der CSU-Fraktion wäre Sauter von so einer Neuregelung nicht betroffen, weil er im Parlament keine Führungsaufgabe hatte. Er war weder Mitglied im Fraktionsvorstand noch Leiter eines Fachausschusses oder eines CSU-Arbeitskreises. In dem konkreten Fall also hätte nur geholfen, es so zu regeln wie bei Ministern oder Bürgermeistern. Sie müssen ihre anwaltliche Tätigkeit beenden, sobald sie ihr Amt antreten.

Darf ein Landwirt künftig noch seinen Hof betreiben?

Umgekehrt aber stellt sich die Frage, was das für andere Abgeordnete bedeutet. Darf ein Landwirt, der noch einen Hof sein Eigen nennt, künftig als Abgeordneter nicht mehr den Agrarausschuss leiten? Muss ein Architekt als Mitglied des Landtags oder des Bundestags sein Architekturbüro aufgeben, ein Arzt seine Praxis, ein Unternehmer seine Firma? Würden Vertreter dieser Berufsgruppen unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch kandidieren? Und soll das Parlament tatsächlich auf all das Expertenwissen verzichten, das insbesondere Freiberufler und selbstständige Unternehmer mitbringen?

Diese Fragen sind in der CSU noch längst nicht erschöpfend diskutiert. Im Fokus der aktuellen Affäre stehen vor allem Abgeordnete, die als Anwälte, Berater oder Vermittler Mandanten vertreten, die in Rechtsstreitigkeiten oder bei Geschäften den Staat als Gegner oder als geschäftliches Gegenüber haben. Hier liegen die eigentlichen Interessenkollisionen, die in der Masken-Affäre offenkundig wurden und die es in Zukunft von vorneherein auszuschließen gilt.

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Foto: Sven Hoppe, dpa
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Parteichef Markus Söder will die CSU transparenter machen.

Offen ist auch die Frage, wie eine „tief greifende Reform des Parlaments- und Abgeordnetenrechts auf allen Ebenen“ aussehen soll, wie Söder sie in seinem Zehn-Punkte-Plan fordert. Wer zum Beispiel darüber klagt, dass man Juristen im Parlament brauche und Anwälte nicht mit einem „Quasi-Berufsverbot“ belegen kann, wenn sie für den Landtag kandidieren, der kann auch nicht darüber hinwegsehen, dass Busfahrer, Angestellte oder Krankenpfleger ihren Job aufgeben müssen, wenn sie in den Landtag gewählt werden. Nur Beamte haben ein Rückkehrrecht in ihren Beruf. Ein reines „Beamten-Parlament“ aber will aus guten Gründen auch niemand haben.

Als vielversprechend gilt in der CSU die Idee, von Bewerbern um ein Mandat eine „Integritätserklärung“ zu fordern. Dahinter steckt eine Logik, die in der Vergangenheit in Ansätzen auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannt wurde. Ist ein Abgeordneter einmal gewählt, ist er nur seinem Gewissen verpflichtet. Vor der Wahl aber steht seine Nominierung durch die Partei. Nur durch die Partei schafft er es überhaupt in den Bundestag oder in den Landtag.

Deshalb kann ihn die Partei, das ist der Grundgedanke, auf die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln verpflichten – etwa die Offenlegung aller Nebeneinkünfte, die detaillierte Anzeigepflicht für direkte und mittelbare Beteiligungen an Unternehmen oder für jede Art von Gegenleistung für Nebentätigkeiten. Im Falle einer Zuwiderhandlung soll der Parteivorstand ein Einspruchsrecht gegen die Nominierung eines Bewerbers in den Stimm- oder Wahlkreisen bekommen. Zudem will die CSU ihren verschärften Verhaltenskodex in die Parteisatzung aufnehmen und bei Verstößen unmittelbare Sanktionen bis hin zum Parteiausschluss möglich machen.

Markus Söder muss Details des Zehn-Punkte-Plans noch klären

Den Verantwortlichen in der CSU ist klar, dass Söders Zehn-Punkte-Plan unter dem Eindruck der öffentlichen Empörung über die Masken-Geschäfte mit heißer Nadel gestrickt wurde. Was politisch gewollt und rechtlich tatsächlich möglich ist, soll im Parteivorstand diese Woche noch einmal diskutiert werden. Einigkeit scheint darüber zu bestehen, dass für die CSU in Zukunft nur kandidieren darf, „wer sich zuvor zur politischen Integrität bekennt und zu voller Transparenz bereit ist.“ Was darüber hinaus an schärferen Regeln in den Parlamenten durchgesetzt werden kann, muss sich erst noch zeigen.

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