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Foto: Bernhard Weizenegger
Foto: Bernhard Weizenegger

Alfred Sauter hat sämtliche Parteiämter in der CSU niedergelegt, will aber im Landtag bleiben.

Masken-Affäre
21.03.2021

Trotziger Abgang aus CSU-Fraktion: Jetzt spricht Alfred Sauter

Von Michael Stifter

Plus Dass die CSU-Landtagsfraktion ihn hinauswerfen will, trifft den 70-Jährigen hart. Doch schon sein Brief an Fraktionschef Kreuzer zeigt: Sauter wird nicht kampflos aufgeben.

Man muss sich Alfred Sauter als einen entspannten Mann vorstellen – sogar jetzt noch. Er ist keiner, der hektisch um sich schlägt oder laut wird, wenn es brennt. Seine manchmal geradezu provokante Gelassenheit trieb dem politischen Gegner oft die Zornesröte ins Gesicht. Momentan sind es eher die eigenen Parteifreunde, die daran verzweifeln. Die CSU hat den 70-Jährigen zur unerwünschten Person erklärt, seit die Generalstaatsanwaltschaft München gegen ihn ermittelt. Doch Sauter lässt sich nicht so einfach vertreiben.

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Es kommt eher selten vor, dass die CSU-Pressestelle an einem Sonntagmorgen um 7.58 Uhr eine Mail mit dem Betreff „EILT“ verschickt. Parteichef Markus Söder und sein Generalsekretär Markus Blume laden kurzfristig zu einer Pressekonferenz ein. Die Dringlichkeit könnte auch damit zu tun haben, dass am Vorabend durchgesickert war, Sauter werde sich am Sonntagnachmittag äußern. In einer Sondersitzung des Bezirksvorstands der CSU Schwaben will er seinen Verzicht auf sämtliche Parteiämter erklären. Und zwar, bevor ihn jemand dazu zwingt.

Ein letztes Mal stiehlt Alfred Sauter Parteichef Markus Söder die Aufmerksamkeit

Will die Parteispitze mit dem kurzfristig anberaumten Auftritt in der sonntäglichen Mittagsruhe demonstrieren, wer hier den Takt vorgibt? Beginnt hier ein Wettlauf um die Deutungshoheit über den Rückzug des ehemaligen Justizministers und langjährigen CSU-Strategen? Minuten bevor Söder ans Mikrofon tritt und eine neue CSU mit einem neuen Geist ausruft, stiehlt ihm Sauter noch einmal kurz die Aufmerksamkeit. Sein Schreiben an Thomas Kreuzer, Chef der Landtagsfraktion, wird an verschiedene Medien durchgestochen. Auch unserer Redaktion liegt es vor. Sauter erklärt darin seinen vorläufigen Rückzug aus der Fraktion. Den Ton des Briefes kann man aber nicht gerade als kleinlaut bezeichnen.

Kreuzer hatte seinen schwäbischen Parteifreund am Freitag öffentlich aufgefordert, den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Bestechlichkeit bis Montag um 12 Uhr auszuräumen. „Sehr geehrter Herr Vorsitzender, lieber Thomas, mit Schreiben vom 19.3.2021 hast Du mich ultimativ und gleichzeitig über die Medien aufgefordert, detaillierte Auskünfte zu dem Sachverhalt zu geben, der Gegenstand der gegen mich geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ist“, antwortet Sauter – um dann in gewohnter Ruhe klarzumachen, dass er dieser Aufforderung nicht nachkommen wird. Die Aufklärung sei schließlich Sache der Staatsanwaltschaft.

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Foto: dpa
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CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer hat Sauter ein Ultimatum gestellt.

Dass Kreuzer die CSU-Landtagsfraktion am Donnerstag über seinen Rauswurf abstimmen lassen will, trifft Sauter trotz aller Coolness hart, erzählen Insider. Seinen Schmerz kleidet der Jurist in Sätze, die auch in ein Plädoyer vor Gericht passen würden: „Einen Abgeordneten – in meinem Fall nach einer 31-jährigen Mitgliedschaft – vor einer rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Sachverhaltsaufklärung auf Verdacht hin auszuschließen, ist mit den verfassungsrechtlichen Statusrechten des Abgeordneten unvereinbar.“

Sauter gibt sich in Gesprächen hinter den Kulissen noch immer überzeugt davon, dass er sich mit den fragwürdigen Masken-Deals nicht strafbar gemacht hat. Doch auch ihm ist klar: Darum geht es in der CSU längst nicht mehr. Es geht um den moralischen Aspekt. Und da gibt es wenig Zweifel. Sauter hat, genau wie der Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, mit der Krise ein dickes Geschäft gemacht und das Vertrauen in die Politik erschüttert. Zur Wahrheit gehört auch: Er selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sein Geld vor allem als Anwalt verdient und das Abgeordnetenmandat als Nebenjob betrachtet. Doch die Zeit, in der man die Kollegen im Landtag mit solchen Aussagen beeindrucken konnte, ist vorbei. Vor 20 Jahren wäre das Prädikat „Schwaben-Pate“ wohl noch als Kompliment durchgegangen – heute klingt es selbst in den Ohren der Parteifreunde eher nach Mafia als nach seriöser Politik. „Man muss letztlich erklären, wem man mehr dient – dem Amt oder dem Geld“, sagt Söder. Das Mandat sei der Haupt- und nicht der Nebenjob.

Alfred Sauter gibt auch seinen Posten im engsten Parteizirkel der CSU ab

Als Sauter am Nachmittag dann tatsächlich im Bezirksvorstand der schwäbischen CSU seinen Verzicht auf sämtliche Parteiämter verkündet, herrscht eine Mischung aus Erleichterung und Wehmut. Die graue Eminenz, der Macher tritt nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze des Kreisverbands Günzburg zurück. Sauter gibt auch seinen einflussreichen Posten als Vorsitzender der CSU-Finanzkommission auf, mit dem ein Sitz im CSU-Präsidium – also im engsten Führungszirkel der Partei – verbunden ist. Über Jahrzehnte war er eines der prägenden Gesichter der Partei. Selbst Söder ringt sich in seiner Tabula-Rasa-Pressekonferenz ein paar lobende Worte ab. Doch nun geht die lange gemeinsame Geschichte einem unrühmlichen Ende entgegen.

Das letzte Kapitel wird noch zu schreiben sein. Erstens macht Generalsekretär Blume klar, dass der Parteispitze Sauters bisherige Konsequenzen nicht konsequent genug sind. Und der CSU-Bezirksverband fordert Sauter und Nüßlein einstimmig dazu auf, ihre Mandate in Landtag und Bundestag niederzulegen. Selbst ein Parteiausschlussverfahren behält man sich vor. Und zweitens ist der schwäbische Strippenzieher nicht der Typ, der sich geräuschlos vom Acker macht.

Sein Disput mit Stoiber hat ihm einst das Image des Unbeugsamen eingebracht

„Er ist ein Kämpfer und er wird auch weiter kämpfen“, sagt einer, der ihn seit vielen Jahren begleitet. Erinnerungen werden wach an 1999. Damals wollte ihn Ministerpräsident Edmund Stoiber als Justizminister absetzen. Doch der Schwabe fühlte sich als „Menschenopfer“ – und weigerte sich tagelang, seinen Posten zu räumen. Zudem brüskierte er seinen Chef öffentlich, indem er dessen Worte auf einer Pressekonferenz als „Schafscheiß“ abqualifizierte. Das Ministeramt konnte er damals nicht retten. Doch der bockige Abgang verschaffte ihm die respekteinflößende Aura eines Unbeugsamen, der sich von niemandem etwas vorschreiben lässt.

Heute geht es um weit mehr als einen Posten. Es geht um seinen Ruf. Sauter hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es ihn nicht so brennend interessiert, was andere über ihn denken. Viele hat das beeindruckt, manche hielten es für arrogant. Wie es hinter der Fassade aussieht, wissen die wenigsten.


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