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Foto: Yurin Kadobnov, dpa
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Wladimir Putin ist im Westen isoliert, doch es gibt noch Länder, die zu ihm halten.

Krieg in der Ukraine
08.03.2022

Wer noch zu Putin hält – und warum

Von Margit Hufnagel

Die Konturen einer globalen Blockbildung werden durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine deutlich erkennbar. Doch was treibt Länder wie China, Venezuela oder Syrien an?

Nichts schweißt so sehr zusammen, wie ein gemeinsamer Gegner – diese Weisheit wird gerade auf vielfältige Weise bestätigt. Während der Westen zusammenrückt und zu einer Schicksalsgemeinschaft gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wird, gibt es auch eine kleine Gruppe von Ländern, die sich weiter loyal zum Kreml verhält. Die ersten Konturen einer globalen Blockbildung werden damit erkennbar. Deutlich wurde das nicht zuletzt bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat vor wenigen Tagen. Wer noch zu Putin hält – und warum:

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Foto: Xie Huanchi, dpa
Foto: Xie Huanchi, dpa

Chinas Präsident Xi Jinping scheut sich vor einem klaren Bekenntnis.

China: Nichts verbindet Autokraten mehr als gemeinsame Feindbilder. Den Hass vor allem auf Amerika teilt Wladimir Putin mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping. Immer wieder geißelt der gerade die Osterweiterung der Nato, stellt angebliche Sicherheitsinteressen Russlands heraus. Peking gehört deshalb zu den wichtigsten Verbündeten des russischen Präsidenten. Vor allem die Sanktionen, die der Westen verhängt hat, kann China zumindest teilweise auffangen. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, Peking habe Russland sogar darum gebeten, die Invasion in die Ukraine erst nach den olympischen Spielen zu starten. Und doch ist die Situation komplizierter als sie auf den ersten Blick erscheint. Denn politische Überzeugung ist das eine, wirtschaftliche Nöte das andere. Als die Vereinten Nationen bei ihrer Vollversammlung eine Resolution gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine verabschiedeten, stimmte China nicht dagegen, sondern enthielt sich. Das mag unterm Strich zum gleichen Ergebnis führen, ist aber ein deutliches Signal, wie schwer sich Peking damit tut, seine Rolle in diesem Konflikt zu finden.

Die Ukraine ist Teil von Chinas Seidenstraße

Denn so nah sich China und Russland auch sind – den Draht zum Westen will Xi nicht abreißen lassen. Und so versucht er sich in einem politischen Drahtseilakt. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat Peking viel zu verlieren. Dass die internationalen Energiepreise durch die Krise nochmal weiter in die Höhe getrieben werden, gefällt China ganz und gar nicht. Hinzu kommt, dass die Ukraine Teil der chinesischen Seidenstraßen-Initiative und wichtiger Lieferant von Agrarprodukten, Eisenerz und Rüstungsgütern ist. Zudem beliefert die von Putin angegriffene Ukraine China mit wichtigen Rüstungsgütern, unter anderem Gasturbinen-Motoren für Lenkwaffenzerstörer. Peking dürfte sich auch der Gefahr bewusst sein, dass der Westen in seiner neuen Geschlossenheit irgendwann die asiatische Großmacht ins Visier nimmt und seinen Kuschelkurs beendet. Ob daraus die Gewissheit folgt, dass sich China doch noch an die Seite des Westens stellt? Ungewiss.

Belarus: Russlands Nachbar spielt im Krieg gegen die Ukraine aktuell eine ganz entscheidende Rolle – denn Präsident Alexander Lukaschenko ist nichts anderes als Putins Handlanger. Von belarussischem Territorium aus konnte Putin in Richtung Westen marschieren. Als Manöver getarnt, verlegte Russland umfangreiche Truppen in das Land. Experten spekulieren längst, ob auch Lukaschenko aktiv mit Militär in den Konflikt eingreifen könnte. Auch deshalb geriet er ins Visier der EU, die ihn inzwischen mit Sanktionen belegt. Die EU wirft Belarus vor, dass Russland zum Beispiel ballistische Raketen von belarussischem Gebiet abfeuern dürfe. Zudem helfe Belarus dem russischen Militär, Soldaten und schwere Waffen zu transportieren und zu lagern. Dass das Land von seinem Kurs abrücken wird, ist ausgeschlossen – Wladimir Putin ist so etwas wie die Lebensversicherung von Lukaschenko, oft als „letzter Diktator Europas“ tituliert.

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Foto: Sputnik Kremlin/Sergei Guneyev, dpa
Foto: Sputnik Kremlin/Sergei Guneyev, dpa

Präsident von Moskaus Gnaden: Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, mit Wladimir Putin im Kreml.

Lukaschenko hat selbst Angst vor der Demokratie

Die eigene Bevölkerung ist seiner längst überdrüssig, die letzte Wahl konnte er nur dank massiven Betrugs für sich reklamieren, im Exil wartet die Demokratiebewegung nur darauf, ihn aus dem Amt jagen zu können. Proteste hatte Lukaschenko brutal niederschlagen lassen, gegen Kritiker im Land geht er mit großer Härte vor – eine gesellschaftliche Bewegung, wie es sie in der Ukraine gegeben hat, ist für ihn das schlimmstmögliche Szenario. Auch wirtschaftlich ist Belarus beinahe komplett abhängig von Moskau, Russland ist einer der wichtigsten Abnehmer für belarussische Waren. Für Putin ist Belarus quasi ein politisch längst einverleibter Staat – auch wenn das nirgends so niedergeschrieben ist. Ein ähnliches Modell dürfte dem russischen Präsidenten auch für die Ukraine vorschweben.

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Indien: Wie auch Russland ist Indien eine Atommacht, die gerne auf der großen Bühne mitspielen möchte und um Anerkennung buhlt. Die Verbindungen sind eng – und dennoch sitzt das Land gerade zwischen allen Stühlen. Premierminister Narendra Modi hat Russlands Präsident Wladimir Putin zwar zu einem Ende der Gewalt in der Ukraine aufgerufen – doch zu einer echten Verurteilung des Angriffs kann er sich nicht durchringen. Im Sicherheitsrat blockiert das Land regelmäßig Aktionen, die gegen Moskau gerichtet sind. Auch Sanktionen hat Indien bisher nicht erlassen. Die beiden Länder unterhielten schon zu Zeiten der Sowjetunion enge Beziehungen. Indien ist auch strategisch stark mit Russland verbunden, da ein Großteil der indischen Militär-Hardware aus Russland stammt. Laut dem Friedensforschungsinstitut Sipri gingen allein in den Jahren zwischen 2016 und 2020 rund 23 Prozent aller russischen Waffenexporte nach Delhi.

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Foto: Indian government, dpa
Foto: Indian government, dpa

Indiens Premier Narendra Modi sitzt zwischen den Stühlen, er will es sich weder mit Russland noch mit dem Westen verderben.

Der Westen macht Druck auf Indien

Allerdings wächst der Druck westlicher Staaten auf die Regierung, zuletzt versuchte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock Modi umzustimmen. Auch im Land selbst nimmt der Unmut über die Haltung der eigenen Führung zu. Allerdings glaubt Indien, auch politisch auf Russland angewiesen zu sein. Immer wieder kommt es zu Spannungen zwischen Delhi und Peking, man hofft, dass Moskau die Chinesen in Schach halten kann. Doch genau darin liegt der gefährliche indische Drahtseilakt: Putins Rechtfertigungen für seinen Einmarsch in die Ukraine ähneln den territorialen Gebietsansprüchen Chinas auf indisches Staatsgebiet – die Rede ist von historischen Gebietsansprüche und ethnischen Verbindungen. Für Indien, selbst eine Demokratie, besteht zudem die Gefahr, dass die Bande mit dem Westen Schaden nehmen.

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Foto: Kreml , dpa
Foto: Kreml , dpa

Syriens Präsident Assad mit Wladimir Putin im Kreml. Der russische Präsident ist so etwas wie die Lebensversicherung von Assad.

Syrien: Das Land im Nahen Osten war einer der vier Staaten, der bei der UN-Vollversammlung gegen die Resolution gegen Russland gestimmt hat. Auch hier zahlt sich aus, dass Wladimir Putin in den vergangenen Jahren massive Abhängigkeiten geschaffen hat. Nur dank seiner Hilfe ist es dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gelungen, wieder weite Teile des Landes unter Kontrolle zu bekommen. Während der Westen Assad vom Thron stoßen wollte, unterstützte Putin den autoritären Herrscher. Russland griff immer wieder in den Bürgerkrieg ein, stellte sich gegen die internationale Allianz. Syrien war für das Land auch so etwas wie eine militärische Spielwiese: Dort konnte Wladimir Putin Waffensysteme austesten, Strategien erproben. Im Jahr 2015 sagte Präsident Putin: „Ein besseres Manöver kann man sich schwer vorstellen. Wir können in Syrien lange trainieren ohne wesentliche Verluste für unseren Haushalt.“ Auch, dass der Westen gerne rote Linien zieht, aber keine Konsequenzen, lernte er dort.

Putin will den Westen mithilfe von Flüchtlingen destabilisieren

Da überrascht es wenig, dass Assad in einem Telefonat mit Putin Verständnis für den russischen Angriff auf die Ukraine gezeigt hat und dazu die Erzählung Moskaus aufgreift: „Was heute geschieht, ist eine Korrektur der Geschichte und die Wiederherstellung des Gleichgewichts in der Welt“, zitiert Syriens staatliche Nachrichtenagentur den Präsidenten. Aus dem Krieg in Syrien hat Putin zudem eine für ihn wichtige Lehre gezogen: Die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, die sich 2014/2015 aufmachten, ließen die EU fast implodieren. Und nichts ist für den russischen Präsidenten nützlicher, als wenn sich seine Gegner streiten und damit selbst blockieren. Insofern dürfte ihm die Fluchtbewegung, die er in der Ukraine losgetreten hat, nur allzu Recht sein.

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Foto: Prensa Miraflores/Marcelo Garcia, dpa
Foto: Prensa Miraflores/Marcelo Garcia, dpa

Nicolas Maduro, Präsident von Venezuela, ist einer der Unterstützer Wladimir Putins in Lateinamerika.

Venezuela: Venezuela gehört neben Kuba und Nicaragua zu den engsten Verbündeten Russlands in Lateinamerika. Alle Länder werden autoritär regiert, alle Länder teilen die Ideologie Putins, sind Links-Diktaturen, alle drei Länder sehen in den USA ihr Feindbild. Präsident Nicolás Maduro übernimmt deshalb einfach die Erzählweise seines russischen Amtskollegen – nicht Russland sei der Aggressor, sondern die Ukraine und der Westen. Er will Moskau aktiv unterstützen, indem er die Wirtschaftsbeziehungen aufrechterhält. Viel nützen wird das unterm Strich kaum, denn das Land hat selbst mit massiven wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Es geht also eher um ein politisches Zeichen, dass man treu zum Partner steht. Venezuela ist wirtschaftlich weitaus abhängiger von Russland als umgekehrt: Seit 2006 wurden rund 17 Milliarden Dollar an Krediten an das Land in Lateinamerika vergeben, damit ist Moskau einer der größten Gläubiger. Venezuela hat sich mit dem Geld vor allem militärisch hochgerüstet. In den vergangenen Jahren waren zudem immer wieder russische Soldaten für Schulungen und gemeinsame Manöver in Venezuela.

"Europa facht die Flammen an"

Interessant ist das Land für Putin nicht nur wegen der gemeinsamen Weltanschauung, Venezuela verfügt über gigantische Erdölreserven. Auch die Länder Kuba und Nicaragua gehören zu Putins Unterstützerkreis. In einem Bericht über Russlands Anerkennung zweier sogenannter Volksrepubliken in der Ostukraine hieß es Ende Februar bei Granma, der Zeitung der Kommunistischen Partei Kubas: „Der Kreml agiert sehr zurückhaltend und ruft zu einer friedlichen Lösung auf, während Europa die Flammen anfacht und das Feuer schürt.“ Nach der Kubanischen Revolution von 1959 war die Sowjetunion bis zu ihrem Zerfall der wichtigste Verbündete des sozialistischen Karibikstaates.

Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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