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Foto: Soeren Stache/dpa (Symbolbild)
Foto: Soeren Stache/dpa (Symbolbild)

Im Augsburger Land wird der Mangel an Landärzten immer sichtbarer. Besonders kritisch ist die Lage nun in Dinkelscherben.

Dinkelscherben
30.09.2022

Ärztemangel im Augsburger Land: "In ein paar Jahren gehen die Lichter aus"

Von Moritz Maier

Plus Der Ärztemangel kommt im Landkreis an. In Dinkelscherben ist die Lage besonders dramatisch. Nun fordern Ärzte aus dem Landkreis die Politik zum Handeln auf.

In Dinkelscherben wird es eng. Schon zuvor gab es im Ort für 6500 Menschen nur drei Allgemeinärzte. Einer hat nun unerwartet geschlossen. Das treibt die verbleibenden Medizinerinnen und Mediziner aus dem westlichen Landkreis Augsburg auf die Barrikaden. Sie trafen sich zu einer Krisensitzung. Ihre Forderung: Beim Landarzt-Mangel muss die Politik tätig werden. Andernfalls werde es für die Patientinnen und Patienten im Augsburger Land bald düster. Am größten ist der Hausarztmangel im sogenannten Versorgungsbereich Dinkelscherben (siehe Karte). Dort lag die Zahl der praktizierenden Hausärzte schon vor der jüngsten Praxenschließung unter dem als Idealwert angegebenen Versorgungsgrad von 100 Prozent.

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In Praxen droht ein Aufnahmestopp von Patienten

Überraschend hat Bernhard Meurers seine Praxis in Dinkelscherben geschlossen. Er folgte auf Jörg Bartusch, der die Praxis zuvor lange Zeit führte. Nun gibt es keinen Nachfolger. Das sorgt für Probleme. Denn es gibt zu wenig Medizinerinnen und Mediziner, die die Menschen noch versorgen können. Bei den verbleibenden zwei Praxen droht nun ein Aufnahmestopp. Bernd Reitz betreibt eine von ihnen und ist Mitglied des Vereins der Ärzteregion Augsburg West (Ära). "Trotz unserer Bemühungen vor Ort haben wir noch keinen Nachfolger gefunden", resümiert er bei der jüngsten Sitzung. Im ganzen Landkreis seien Gemeinden in der Bredouille. Beim Treffen in Horgau besprachen die Mitglieder, woher der Mangel rührt und was aus ihrer Sicht getan werden muss.

Das Hauptproblem sieht der Verein in der fehlenden Anziehungskraft der Arbeit auf dem Land. Alte Ärztinnen und Ärzte gehen in Pension, doch es kommen keine neuen nach. In Fischach, Welden und Langenneufnach gibt es dieselben Probleme. "Wenn das so weitergeht, gehen in sieben bis zehn Jahren die Lichter aus", beschreibt Wolfgang Eber, Mediziner aus Langenneufnach, die Lage. "Dann müssen künftig alle Kranken direkt nach Schwabmünchen, Augsburg oder Krumbach ins Krankenhaus." Die Nachfrage nach medizinischer Versorgung auf dem Land sei schon jetzt sehr hoch und werde nur noch weiter steigen.

So viele Allgemeinärzte gibt es im Landkreis Augsburg

Raum Dinkelscherben: 

Anzahl Ärzte: 24

Einwohner: 41.896

Versorgungsgrad: 94,22 Prozent

Durchschnittsärztealter: 55,9 Jahre

So viele Allgemeinärzte gibt es im Landkreis Augsburg

Raum Augsburg:

Anzahl Ärzte: 268

Einwohner: 395.863

Versorgungsgrad: 109 Prozent

Durchschnittsärztealter: 55,7 Jahre

So viele Allgemeinärzte gibt es im Landkreis Augsburg

Raum Meitingen:

Anzahl Ärzte: 40

Einwohner: 57.078 

Versorgungsgrad: 104,96 Prozent

Durchschnittsärztealter: 53,3 Jahre

So viele Allgemeinärzte gibt es im Landkreis Augsburg

Raum Schwabmünchen:

Anzahl Ärzte: 51

Einwohner: 75.272

Versorgungsgrad: 108,3 Prozent

Durchschnittsärztealter: 55,9 Jahre (Quelle: KVB, August 2022)

Jungen Menschen fehlt der Anreiz, auf dem Land zu arbeiten

Jungen Studierenden fehlt es oft an Anreizen, aufs Land zu kommen. Deshalb sollen die Vorteile der Arbeit außerhalb der Stadt betont werden. "Wir haben hier eine große Verbundenheit mit unseren Patienten und bekommen viel Dankbarkeit, das gibt es nur auf dem Land", sagt Eber. Außerdem sei der Zusammenhalt der Kolleginnen und Kollegen auf dem Land größer, weil es weniger Konkurrenz gebe als in der Stadt.

So viele Hausärzte gibt es im Landkreis Augsburg

Bei einem Blick auf den ganzen Landkreis Augsburg wird der Hausärztemangel an manchen Stellen nicht direkt ersichtlich. Vor allem in den Städten rund um Augsburg tummeln sich die Praxen. Der Versorgungsgrad in den einzelnen Versorgungsbereichen, zu denen jeweils mehrere Orte zusammengefasst sind, liegt mit Ausnahme des Bereichs Dinkelscherben im Kreis Augsburg jeweils bei über 100 Prozent. Der Mangel betreffe bisher nur einzelne Gemeinden, keine ganzen Regionen, heißt es dazu vom Ära. Doch die Tendenz der Versorgung gehe nach unten.

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Auf der Versammlung sahen die Anwesenden besonders die Bundespolitik verantwortlich für die Probleme. Dass es mehr junge Ärztinnen und Ärzte brauche, sei schon lange klar gewesen. Die Verantwortlichen seien sehenden Auges in die Situation gelaufen. "Am wichtigsten ist es jetzt, dass bei uns in der Region auf das Problem, aber auch die Möglichkeiten aufmerksam gemacht wird", sagt die Dinkelscherberin Anja Engel.

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Langfristig plädieren die Mitglieder auf erleichterte Zulassungsbeschränkungen für das Medizinstudium und weniger Bürokratie für praktizierende Ärztinnen und Ärzte. Mit ihrer Kampagne fährt der Ära-Verein zweigleisig. Man will junge Leute für den Beruf Landarzt begeistern, aber auch die Menschen im Augsburger Land auf den Notstand aufmerksam machen. Das sagt auch Allgemeinmediziner Wolfgang Eber. "Wir müssen die Bevölkerung informieren, was kommen wird – denn letztlich leiden die Patienten darunter."

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