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Foto: Matthias Becker (Symbolfoto)
Foto: Matthias Becker (Symbolfoto)

Der Münchner Kinderarzt Steffen Rabe gehört dem Vorstand eines Vereins impfkritischer Ärzte an. Er kritisiert unter anderem die fehlende Überwachung möglicher Nebenwirkungen.

Corona-Impfkritiker
15.01.2021

Warum ein Münchner Arzt sich nicht gegen Corona impfen lässt

Von Markus Bär

Plus Ministerpräsident Söder will eine Impfpflicht für medizinisches Personal. Doch würde das etwas nützen? Was ein Vertreter impfkritischer Ärzte dazu sagt.

Eine heftige Debatte ist in den vergangenen Tagen darüber entstanden, ob per Gesetz eine Corona-Impfpflicht für medizinisches und pflegerisches Personal in den Kliniken und Seniorenheimen verordnet werden soll. Es gibt immer wieder Hinweise, dass sich Teile des Personals nicht impfen lassen wollen. Die Rede ist davon, dass die Quote bei Pflegekräften in manchen Heimen bei über 50 Prozent liegen soll. Wobei es dafür allerdings keine repräsentativen Erhebungen gibt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war nun mit der Forderung nach einer Impfpflicht vorgeprescht. Er hatte sich dabei aber sofort auch zahlreiche Absagen eingehandelt. Nicht zuletzt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Doch was sind überhaupt die Gründe dafür, dass Fachpersonal einer Corona-Impfung kritisch gegenübersteht?

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Langfristige Risiken noch nicht bekannt: Was für Steffen Rabe gegen eine Covid-19-Impfung spricht

Einer, der ganz offen bekennt, dass er sich nicht impfen lassen will, ist der Münchner Kinderarzt Steffen Rabe. Er ist auch Vorstandsmitglied des bundesweiten Vereins "Ärzte für individuelle Impfentscheidung" mit Sitz in Berlin. Dem Verein gehören 500 impfkritische Ärzte und 800 Fördermitglieder an. "Ich werde mich bis auf Weiteres nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Unser Verein sieht den Impfstoff aber durchaus als möglichen sinnvollen Baustein, dem Erreger zu begegnen, vor allem für Risikopatienten", erläutert Rabe.

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Foto: Steffen Rabe
Foto: Steffen Rabe

Steffen Rabe ist Kinderarzt aus München und Vorstandsmitglied des bundesweiten Vereins impfkritischer Ärzte.

"Ich selbst sehe mich derzeit als kritischen Beobachter." Denn die Impfstoffe seien noch so neu, dass die Risiken, die sie in einer Langzeitwirkung aufweisen können, nicht bekannt seien. "Ich bin 54 Jahre alt, in körperlich guter Verfassung und habe keine relevanten Vorerkrankungen. Darum sehe ich mich selbst nicht als jemanden, der – schon rein statistisch betrachtet – gefährdet ist, bei einer Covid-Infektion in einen schweren Verlauf zu geraten."

Dass Corona grundsätzlich für sehr betagte Menschen und jene mit Risikofaktoren sehr gefährlich werden kann, bestreitet der Kinderarzt überhaupt nicht. Ihm ist es aber wichtig, wie dem Verein auch, bei einer Impfung Nutzen und Wirkung für sich individuell abzuwägen.

Führt der Corona-Impfstoff überhaupt zur Herdenimmunität?

"Nun könnte man mich fragen, ob es nicht unverantwortlich ist, ungeimpft Patienten zu behandeln." Das sei ja auch die "moralische Keule", die Söder gegenüber impfskeptischen Pflegekräften und Ärzten in die Hand nehme. "Dabei ist überhaupt noch gar nicht geklärt, ob Geimpfte das Coronavirus nicht trotzdem weiterverbreiten." Selbst seitens der Herstellerfirmen wie Biontech gebe es dazu keine Aussage. Das Problem existiere ja auch bei anderen Impfstoffen. Wer sich etwa gegen Keuchhusten impfen lässt, kann den Erreger trotzdem weiterverbreiten. Bei der Masernimpfung hingegen sei das beispielsweise nicht der Fall. Diese führe, auch wenn Rabe die Masern-Impfpflicht kategorisch ablehnt, immerhin zu einer gewissen Herdenimmunität. "Was an dieser Stelle die Impfung, nicht die Impfpflicht, zumindest ein Stück weit rechtfertigen würde."

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Diese Frage sei bei der Corona-Impfung aber noch völlig offen: "Niemand weiß, ob die Impfkampagne zur Herdenimmunität führt. Auch wenn das derzeit viele Politiker gern glauben." Insofern sei eine kritisch-beobachtende und abwartende Haltung des Personals weder moralisch verwerflich noch unverständlich. Überdies sei ja immer noch nicht klar, wie lange der Impfschutz denn überhaupt vorhalte.

Verein impfkritischer Ärzte fordert: Die Geimpften müssen nachbeobachtet werden

Steffen Rabe fordert darum im Namen des Vereins vor allem eines: "Die Menschen, die sich jetzt impfen lassen, muss man dringend nachbeobachten – um zu sehen, wie lange sie immun sind, ob sie noch Menschen anstecken, welche Nebenwirkungen auftreten." Doch das passiere viel zu wenig. Ein Missstand, den der Mediziner nicht versteht.

In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

Die Reihenfolge der Impfungen ist in einer Verordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt.

In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

Zunächst sollen Menschen an die Reihe kommen, die unter "höchste Priorität" eingestuft sind. Dazu gehören Bürgerinnen und Bürger, die älter als 80 Jahre sind, ...

In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

...genauso wie Menschen, die in Pflegeheimen betreut werden oder dort arbeiten.

In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

Auch Pflegekräfte in ambulanten Diensten und Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen mit erhöhtem Expositionsrisiko gehören dazu. Darunter fallen: Mitarbeiter in Corona-Impfzentren, Notaufnahmen oder Intensivstationen.

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"Höchste Priorität" haben außerdem Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen, die Risikogruppen behandeln. Darunter ist zum Beispiel die Transplantationsmedizin gelistet.

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Als nächstes sollen Menschen geimpft werden, die unter "hohe Priorität" kategorisiert sind. In erster Linie sind das jene, die über 70 Jahre alt sind.

In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

Auch wer bestimmte Erkrankungen oder Behinderungen aufweist, fällt in diese Kategorie. Dazu gehören Trisomie 21 und Demenz. Auch wer eine Organtransplantation hatte, wird mit hoher Priorität geimpft.

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Es genügt außerdem, Kontaktperson von Menschen in Risikogruppen zu sein, um mit hoher Priorität geimpft zu werden werden. Dazu gehören enge Kontaktpersonen von Menschen über 80, von Schwangeren oder Bewohnern von Pflegeheimen. Auch Personen, die in Einrichtungen für Senioren oder für Menschen mit geistiger Behinderung leben, sollen mit hoher Priorität geimpft werden. Außerdem fallen Pflegerinnen und Pfleger, die Menschen mit Behinderung stationär oder ambulant betreuen, in diese Kategorie.

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Auch bestimmte Berufsgruppen sollen schnell an die Reihe kommen. Vor allem solche, die in der Öffentlichkeit aktiv sind und viel Kontakt zu Bürgern haben. Dazu gehören Polizisten und Ordnungskräfte, die auf Demonstrationen unterwegs sind, sowie Mitarbeiter in Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften oder Krankenhäusern.

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Als dritte Kategorie definiert das Gesundheitsministerium Menschen mit "erhöhter Priorität". Dazu gehört die Altersgruppe zwischen 60 und 70 Jahren.

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Außerdem sollen dann Menschen geimpft werden, die zwar in medizinischen Berufen arbeiten, aber einem niedrigerem Expositionsrisko ausgesetzt sind. Dazu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Laboren.

In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

Erhöhte Priorität haben auch Menschen mit folgenden Krankheiten: Adipositas, chronische Nierenerkrankung, chronische Lebererkrankung, Immundefizienz oder HIV-Infektion, Diabetes mellitus, diversen Herzerkrankungen, Schlaganfall, Krebs, COPD oder Asthma, Autoimmunerkrankungen und Rheuma.

In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

Auch bestimmte Berufsgruppen fallen in diese Kategorie. Darunter Lehrer und Erzieher, Polizisten, Regierungsmitarbeiter, Verwaltungsangestellte, Feuerwehrmänner und -frauen, Katastrophenschutz, THW oder Justiz.

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Erhöhte Priorität haben außerdem Menschen, die in kritischer Infrastruktur arbeiten. Dazu gehören Apotheken und Pharmawirtschaft, öffentliche Versorgung und Entsorgung, Ernährungswirtschaft, Transportwesen, Informationstechnik und Telekommunikation.

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Auch Personen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen werden mit erhöhter Priorität geimpft.

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Wer nicht in eine dieser drei Kategorien fällt, wird ohne Priorität geimpft. Also erst dann, wenn Menschen aus diesen Kategorien an der Reihe waren.

Der impfkritische Verein sei natürlich grundsätzlich gegen eine Impfpflicht. Rabe ist darum auch froh, dass Söder gleich, auch seitens des Bundesgesundheitsministers, heftiger Gegenwind ins Gesicht blase. "Statt eine Impfpflicht einzuführen, müssen wir die Menschen weiter fair aufklären." Wer zu den älteren Risikopatienten gehöre und sich impfen lassen wolle, dem müsse man auch ehrlicherweise sagen, dass ihm derzeit niemand sagen kann, wie lange sein Schutz anhalte. Und dass die bisherigen Studien zur Impfstoffwirkung nur an jungen, eher gesunden Probanden durchgeführt wurden.

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