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Foto: Sven Hoppe, dpa
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Mitunter „stümperhaft und unprofessionell“ sei die Corona-Politik der bayerischen Staatsregierung und deren Umsetzung, kritisiert Grünen-Fraktionschef Katharina Schulze.

Corona-Pandemie
27.11.2020

Söder erntet im Landtag heftige Kritik für Corona-Politik

Von Uli Bachmeier

Stümperhaft, unprofessionell, verschlafen - Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bekommt in der Sondersitzung des Landtags zur Corona-Lage gehörig die Leviten gelesen.

„Halten wir zusammen“, sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Halten wir zusammen“, sagt auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Und irgendwie tun sie das auch – zumindest im Grundsatz. Im Detail allerdings offenbart diese zweite Sondersitzung des Landtags zur Corona-Strategie der Staatsregierung, dass es jenseits des gemeinsamen Bekenntnisses zu einer Fortsetzung des „Lockdown light“, dem sich einzig die AfD komplett verweigert, erhebliche Streitpunkte gibt. Söder bekommt nach seiner neuerlichen Regierungserklärung n gehörig die Leviten gelesen – auch von SPD und Grünen, die er wenige Minuten zuvor noch für ihre Mitwirkung im Bund gelobt hatte.

Die Zustimmung der Grünen zum Kurs der Staatsregierung kommt fast versteckt daher. Weil die Infektionszahlen nicht gesunken seien, gelte es „weiterzumachen, Abstand zu halten und Kontakte zu reduzieren. Deswegen tragen wir Grüne die grundsätzlichen Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz mit“, sagt Schulze. Im großen Rest ihrer Rede aber listet sie auf, woran es aus ihrer Sicht hapert und was nach Auffassung der Grünen bisher versäumt wurde. Direkt an Söder gerichtet fragt sie: „Wo ist die langfristige Strategie? Wo ist das Stufenmodell, das beschreibt, was wann passiert? Wo sind die Vorbereitungen, dass wir nicht in eine dritte Welle hineinlaufen?“

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze: Söder hat aus Corona-Krise nicht gelernt

Im Umgang mit Schülern, Eltern und Lehrern wirft Schulze Söder vor, zu wenig auf die Leute zu hören: „Warum haben Sie nach acht Monaten Pandemie nicht gelernt, dass man mit den Betroffenen vorher sprechen, Meinungen einholen und dann erst Entscheidungen treffen sollte?“ Schulze fordert eine Anpassung der Teststrategie an neuere Erkenntnisse, um die Gesundheitsämter zu entlasten. Sie kritisiert die schleppende Bearbeitung und Auszahlung von Wirtschaftshilfen. Für die Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern gebe es noch nicht einmal ein Formular. „Und wo kein Formular, da kein Geld.“ Das sei, so Schulze, „stümperhaft und unprofessionell.“

Ähnlich wuchtig tritt SPD-Fraktionschef Horst Arnold der Staatsregierung entgegen. Zwar bekennt auch Arnold sich zu dem gemeinsamen Ziel, die Pandemie einzudämmen und Leben zu schützen, listet aber eine ganze Serie von Versäumnissen auf, die der Staatsregierung seiner Ansicht nach anzulasten sind. An Ankündigungen fehle es nicht, so betont er, wohl aber an der Umsetzung.

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Foto: Sven Hoppe, dpa
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Ministerpräsident Markus Söder (CSU) während seiner Regierungserklärung im bayerischen Landtag.

Arnold sagt zu Söder: „Wir sind der Überzeugung, Sie haben den Sommer schlichtweg verschlafen.“ Wie Schulze kritisiert auch Arnold die Corona-Teststrategie als nicht effektiv. Er fordert mehr Verhältnismäßigkeit bei der Einschränkung von Grundrechten. Und er tritt insbesondere einer neu beschlossenen Maßnahme der Staatsregierung entgegen: „Die angekündigte Schließung von Volkshochschulen und Bibliotheken hat für große Empörung gesorgt. Das ist der falsche Weg“, sagt Arnold.

FDP-Fraktionschef Hagen befürchtet monatelangen Lockdown

Bei der FDP wird die Kritik etwas grundsätzlicher. Der „Lockdown light“, so stellt FDP-Fraktionschef Martin Hagen fest, „hat sein Ziel verfehlt.“ Das Konzept, das als „Wellenbrecher“ gedacht war, werde nicht aufgehen. „Das, was Sie beschlossen haben, läuft auf einen monatelangen Lockdown hinaus“, sagt Hagen an die Adresse Söders und fordert „eine langfristige Strategie, die wir auch durchhalten können.“ Im Zentrum solle dabei nach dem Konzept des Virologen Alexander Kekulé der „Schutz von Risikogruppen“ stehen.

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Die Fraktionschefs von CSU und Freien Wählern, Thomas Kreuzer und Florian Streibl, weisen die Vorwürfe postwendend zurück. Streibl sagt, die Koalition verfolge eine Strategie von „Maß und Mitte“. Kreuzer nennt die Kritik der Grünen „utopisch und ungerechtfertigt“. Wer etwa die Arbeit der Behörden kritisiere, der verkenne die Dimensionen der Anträge, die dort zu bearbeiten seien. Die Forderung nach einer längerfristigen Strategie weist Kreuzer als unrealistisch zurück. Wer jetzt so tue, als wüsste er schon, wie die Lage im Februar oder März sei, der täusche die Bürger. Alles hänge von den Infektionszahlen ab, die jetzt noch niemand kenne.

Söder bezeichnet Querdenker als "toxisches Gebräu"

Der Zusammenhalt der Demokraten, den Söder und Schulze zum Auftakt beschworen haben, zeigt sich in der Debatte allerdings in der gemeinsamen Ablehnung der AfD. Söder spricht von einem „toxischen Gebräu aus Fake News, Hass und Intoleranz“ und fordert, dass der Verfassungsschutz bei AfD und Querdenkern genauer hinschauen solle. Kreuzer wirft der AfD „verantwortungs- und rücksichtsloses Verhalten“ vor. AfD-Fraktionschefin Kathrin Ebner-Steiner nennt die Corona-Politik der Staatsregierung „sinnlos“, spricht von einem „Zerstörungswerk“ und wirft Söder vor, Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie erntet heftigen Widerspruch und scharfen Protest.

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