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Foto: Sven Hoppe, dpa
Foto: Sven Hoppe, dpa

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml hat anstrengende Monate hinter sich. „Es war Neuland für uns alle“, sagt sie über die Corona-Pandemie. „Es gibt keine Blaupause.“

Porträt
13.11.2020

Melanie Huml ist nie nach vorne gedrängt – und steht nun im Fokus

Von Uli Bachmeier

Plus Gesundheitsministerin Melanie Huml stand im Sommer heftig unter Beschuss. Zweimal hatte sie ihren Rücktritt angeboten. So hat sie das Corona-Jahr erlebt.

Die Situation war ein bisserl peinlich für Markus Söder und ziemlich lustig für alle anderen. In der ersten Sitzung seines neuen Ministerrats im November 2018 begrüßte Söder die neuen Kabinettsmitglieder und riet den Frischlingen am Tisch, sie sollten sich „an den Älteren“ orientieren. Sein Blick fiel nacheinander auf Innenminister Joachim Herrmann (Jahrgang 1956), Finanzminister Albert Füracker (Jahrgang 1968) und schließlich auf Gesundheitsministerin Melanie Huml (Jahrgang 1975). In dem Moment bemerkte Söder den Fauxpas gegenüber seiner jungen Ministerin und korrigierte sich. Er habe nicht „die Älteren“ sagen wollen, sondern „die Erfahreneren“. Die Gesundheitsministerin nutzte den kleinen Moment der Schwäche und konterte zum Vergnügen der übrigen Damen und Herren: „Ich möchte schon darauf hinweisen, dass ich den Altersschnitt in dieser Staatsregierung immer noch senke.“

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Da hatte Frau Huml Recht, und so ist es bis heute. Obwohl sie nun schon unter drei Ministerpräsidenten Mitglied der Bayerischen Staatsregierung ist und 13 Dienstjahre als Staatssekretärin und Ministerin auf dem Buckel hat, erfüllt sie immer noch, was der aktuelle Regierungschef und CSU-Vorsitzende sich für seine Regierung und seine Partei wünscht: ein jüngeres und weiblicheres Erscheinungsbild.

Nicht wenige in der Landtags-CSU glauben, dass sie die besseren Minister wären

Ob das der Grund ist, warum er zweimal Nein sagte, als sie ihm nach den ärgerlichen Pannen bei den Corona-Tests im August dieses Jahres zweimal ihren Rücktritt als Ministerin angeboten hatte? Nicht wenige in der Landtags-CSU glauben das. Aber derlei Urteile von Parteifreunden sind mit Vorsicht zu genießen. Schließlich glauben nicht wenige in der Landtags-CSU, dass sie selbst die besseren Minister wären.

Man muss in der Geschichte der CSU tief graben, um jemanden zu finden, der ein Ministeramt hatte und schon beim ersten größeren Ärger seinen Rücktritt anbot. In aller Regel passiert dies erst am Höhepunkt von Skandalen oder Affären, wenn klar ist, dass es nicht mehr anders geht. So war es zuletzt bei Kultusministerin Monika Hohlmeier 2005 oder bei Sozialministerin Christine Haderthauer 2013. Beide galten als ambitionierte Machtpolitikerinnen mit Drang zu Höherem.

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Foto: Peter Kneffel, dpa
Foto: Peter Kneffel, dpa

Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Huml ist anders. Sie sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Für mich ist immer wichtig, dass die Sache im Vordergrund steht und nicht die Person.“ Ein Blick auf ihren politischen Werdegang zeigt, dass dieser Satz durchaus glaubhaft ist. Huml hat sich früh in der Jungen Union und dann auch in der CSU engagiert, aber nie nach vorne gedrängt. Ihr Listenplatz für ihre erste Landtagskandidatur wurde ihr im Jahr 2003 von der oberfränkischen CSU in Abwesenheit zugeteilt. Ihre erste Berufung als Sozialstaatssekretärin durch Ministerpräsident Günther Beckstein im Jahr 2007 kam überraschend. Bei der Vergabe insbesondere der Staatssekretärsposten spielen bekanntlich viele Faktoren zusammen. Da geht es nicht nur um Qualifikation, sondern auch um Alter, Geschlecht und Regionalproporz: Jung, Frau, Oberfranken – das war der dreifache Vorteil für die damals 32-jährige Ärztin aus Bamberg. Doch ins Kabinett zu kommen, ist das eine, im Kabinett weiter zu kommen und sich 13 Jahre dort zu halten, das andere.

Huml hat die Öffentlichkeit genauso wenig gesucht, wie die Öffentlichkeit sie

Huml hat das geschafft – nicht durch spektakuläre Auftritte, sondern durch unaufgeregte, kontinuierliche Arbeit. Sie hat dabei als Person die Öffentlichkeit ebenso wenig gesucht, wie die Öffentlichkeit sie. Dann kam Corona. Doch auch da nahmen die meisten Menschen Huml nicht als die verantwortliche Gesundheitsministerin wahr. Söder stand in der ersten Reihe, sie stand in den Pressekonferenzen daneben. Wie die anderen Ministerinnen und Minister auch war sie für die Vorbereitung und den praktischen Vollzug der Beschlüsse zuständig.

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Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)
Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)

Gesundheitsministerin Melanie Huml und Ministerpräsident Markus Söder traten in den vergangenen Monaten oft gemeinsam vor die Kameras.

Auf die Pandemie freilich war weder sie vorbereitet noch ihr Ministerium und der nachgeordnete Behördenapparat. „Es war Neuland für uns alle“, sagt sie. „Es gibt keine Blaupause.“ Ihre Arbeitstage wurden länger. Nicht selten ging es schon um 5.30 Uhr los, nicht selten ging es bis nach Mitternacht durch. Der Versuch, mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen zumindest ein Wochenende „Urlaub“ in der Oberpfalz zu machen, scheiterte. Das Telefon stand nicht still.

Die Testpanne traf Ministerin Melanie Huml wie ein Blitz

Die Testpanne im August und die damit verbundene mediale Aufregung traf Huml wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wenn etwas schief geht, so ist das in diesem Geschäft, ist halt doch der Minister verantwortlich. Die Schlagzeilen unter den Stichworten „Corona-Chaos“ und „Testdebakel“ waren vernichtend. Huml, so wurde geschrieben, sei in ihrem Amt „heillos überfordert“ und als Ministerin „angeschlagen“. Sie habe den Landtag nicht korrekt informiert und müsse schon allein deshalb gehen. Und dass ihr zur Unterstützung immer wieder neues Personal zugeordnet wurde – ein neuer Amtschef, ein Staatssekretär, ein Kommunikationschef – wurde als Beleg dafür genommen, dass sie als Krisenmanagerin fehl am Platz sei.

Huml reagierte auf ihre Weise. „Ich wollte nicht Teil des Problems sein“, sagt sie im Rückblick. Ihr Grundsatz sei: „Ich will Teil der Lösung sein.“ Ansonsten sagt Huml nicht oft „ich“, sondern meistens „wir“. Sie bezieht ihre Mitarbeiter im Ministerium und den Gesundheitsämtern ein. Zur Arbeitsbelastung sagt sie: „Wir sind gut beschäftigt.“ Fehler, die unweigerlich passieren, kommentiert sie so: „Wir lernen jeden Tag dazu.“ Oder: „Wir müssen unsere Strukturen an die neue Situation anpassen.“ Zu Söders Entscheidung, ihre Rücktrittsangebote nicht anzunehmen, sagt sie nicht viel, nur: „Ich glaube, er war überrascht.“ Ihr sei es nur darauf angekommen, „dass wir das geklärt haben.“ Jetzt ist es geklärt und Huml macht weiter ihre Arbeit – kontinuierlich und unauffällig. Überfordert fühlt sie sich nicht: „Ich habe eine ganz gute Kondition und gute Nerven hab ich auch.“

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