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Foto: Alexander Kaya
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Eine 13-Järhige ließ sich beim Pfuhler Hausarzt Christian Kröner impfen.

Neu-Ulm
09.07.2021

Christian Kröner, der "Kinderimpfheld": Was machen die Morddrohungen mit dem Hausarzt?

Von Michael Kroha

Plus Der Neu-Ulmer Hausarzt Christian Kröner impft in seiner Praxis in Pfuhl auch Kinder. Dafür bekommt er Morddrohungen, Polizeischutz - aber auch immense Unterstützung.

Landshut, Würzburg, Göppingen, Fürth. Sogar aus Hamburg und Lübeck sind sie schon nach Pfuhl gekommen, um ihre Kinder gegen Corona impfen zu lassen. Denn während viele Ärzte offensichtlich noch zögern, hat der selbst ernannte "Impfluencer" Dr. Christian Kröner bereits 400 Kindern und Jugendlichen in seiner Praxis im beschaulichen Neu-Ulmer Stadtteil eine erste Spritze verabreicht. Am Freitag kamen grob 100 weitere hinzu. Sein Tun beschert dem Hausarzt immense mediale Aufmerksamkeit - bundesweit. Die Kehrseite: Er erhält Morddrohungen und steht sogar unter Polizeischutz.

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Mit ihrer zwölf Jahre alten Tochter Leora ist Sophia Krüger bis aus Mainz nach Pfuhl angereist. Dreieinhalb Stunden saßen sie im Auto. Auch vom Stau wurden sie nicht verschont. "Aber das nehme ich in Kauf. Mir ist wichtiger, dass mein Kind geschützt ist", sagt die Mutter. In ihrer Heimatregion stünde die Zwölfjährige zwar schon auf mehreren Wartelisten, doch nirgends habe es bislang geklappt. Vor gut zwei Wochen wurde die Mutter dann auf den Pfuhler Hausarzt aufmerksam - über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Hausarzt Kröner landete Netz-Hit mit seinem Info-Zettel zur Corona-Impfung

Denn dort, in den sozialen Medien, ist der "Impfluencer" mittlerweile eine gefragte Persönlichkeit. Mit einem Info-Zettel zur Corona-Impfung landete er vergangenes Weihnachten einen ungewollten Netz-Hit. Eigentlich ja schon Schnee von gestern. Aber seither prangert der 39-Jährige einen Missstand nach dem anderen in der laufenden Impfkampagne an.

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Foto: Alexander Kaya
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Auch bei der Kinder-Impfung am Freitag war ein großes Medienaufgebot zur Praxis nach Pfuhl gekommen.

Von Bild bis ZDF - fast allen großen Medienhäusern hat er bereits ein Interview gegeben. Auch bei Markus Lanz saß er schon im Sessel. Als jüngst das heute journal zur besten Sendezeit vor einem Millionenpublikum über seine Kinder-Impfungen berichtete, reagierten darauf offensichtlich auch Menschen, die das Öffentlich-Rechtliche sonst eher als Lügenpresse verstehen. Zwar musste der Hausarzt schon bei seinem Info-Zettel einen gewaltigen Shitstorm aushalten, nun haben die Anfeindungen aber neue Dimensionen erreicht.

So gingen auch Morddrohungen ein, per SMS sowie als Brief. Vor allem aber im Messengerdienst Telegram in Querdenker- und Reichsbürger-Kreisen geht es hoch her. Dort wurden seine Daten veröffentlicht mit Anmerkungen wie: "Ihr wisst, was zu tun ist." Ihm wurde auch gedroht, ihn aufzuhängen.

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Pfuhler Hausarzt steht unter Polizeischutz

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln. Die Zahl der Verfahren nehme stetig zu, sagt Franzxaver Büchele. Der Erste Kriminalhauptkommissar gehört der Abteilung Staatsschutz der Neu-Ulmer Kriminalpolizei an. Massive Anfeindungen im Netz habe er in der Form noch nicht häufig erlebt. Jeden Tag kämen neue hinzu. Zu körperlicher Gewalt ist es bislang nicht gekommen. Dennoch steht Kröner unter Polizeischutz. "Die Gefahr dauert an", sagt Büchele. Wie sich das konkret auf das alltägliche Leben des Hausarztes auswirkt, dazu werden aus polizeieinsatztaktischen Gründen keine näheren Auskünfte gemacht.

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Foto: Alexander Kaya
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Irene Schmid, Mitarbeiterin in der Praxis von Dr. Christian Kröner, zeigt den Kuchen.

Der Hausarzt zeigt sich davon unbeeindruckt und nimmt es teils mit Humor, auch wenn es eigentlich nicht zum Lachen sei, wie er selbst sagt. Jedoch gäbe es auch immense Unterstützung: Sicherheitsdienste hätten ihre Hilfe angeboten. Auch ein Kuchen in Erdbeerform und der Aufschrift "Kinderimpfhelden - Danke" erreichte die Praxis. Aber die Kritiker seien eben die üblichen "Maulhelden, "Maulhelden, nichts dahinter". Und daher wäre es ja noch schöner, wenn die ihn davon abhalten würden, seinen Job zu machen. Schließlich gehe es darum, Menschenleben zu retten und im Kampf gegen die Pandemie voranzukommen.

Stiko-Vorgaben sind nicht falsch, aber nicht entscheidend

Und dazu würden aus seiner Sicht eben auch die Impfungen von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren gehören. Gerade mit Blick auf die Delta-Variante, die auf dem Vormarsch sei. Dass es von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für diese Altersgruppe keine ausdrückliche Empfehlung gebe, sei nicht entscheidend. Es werde ja auch nicht davon abgeraten. Die Stiko ist für ihn "der konservativste Verein" und deren Vorgabe "prinzipiell nicht falsch". Doch ein Kampf gegen die Pandemie sei auch ein Kampf gegen die Zeit. Er orientiert sich an Studien aus den USA, wo bereits Millionen von Kindern mit Biontech geimpft wurden und nur vereinzelt milde Nebenwirkungen aufgetreten seien.

Davon hat auch Sabina Prince aus Göppingen erfahren. Vor drei Monaten hatte sie ihren Bruder in New York besucht und dabei mitbekommen, wie dort mit Kinder-Impfungen umgegangen wird. Seither suchte sie auch in ihrer Region nach einem Arzt, der ihre 13 Jahre alte Tochter Amy impft. In Pfuhl wurde sie fündig. Anfang August setzen sie sich für eine Stunde ins Auto, um die zweite Spritze zu bekommen.

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