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Foto: Bernhard Weizenegger
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Alfred Sauter steht im Zentrum der Maskenaffäre. Nun gibt ein weiteres Geschäft des Landtagsabgeordneten Rätsel auf.

Maskenaffäre
05.04.2021

Kassierte Alfred Sauter 300.000 Euro für eine einzige Mail?

Von Holger Sabinsky-Wolf, Michael Stifter

Plus Ein weiteres Corona-Geschäft soll dem Landtagsabgeordneten viel Geld eingebracht haben. Es geht um einen Schnelltest und eine Nachricht an das Büro von Markus Söder.

Kurz vor dem Höhepunkt der zweiten Corona-Welle haben die Spitzenforscher der Firma GNA Biosolutions ein tolles, innovatives Produkt marktreif: einen Corona-Test, der das Tempo von Schnelltests mit der Qualität des sehr genauen PCR-Standards kombiniert und dabei noch mobil einsetzbar ist. Innerhalb von nur 40 Minuten soll jeder mit hoher Treffergenauigkeit wissen, ob er sich mit dem Virus angesteckt hat. Das Produkt verspricht hohe Umsätze für die Firma und einen großen Fortschritt für das Land im Kampf gegen die Pandemie. Doch das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verweigert völlig unerwartet am 11. Dezember 2020 die Sonderzulassung. In ihrer Verzweiflung wenden sich die Wissenschaftler an die Kanzlei Gauweiler und Sauter – und stehen heute plötzlich im Zwielicht.

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Sauter schreibt eine dramatische Nachricht an Söders Büroleiter

Denn die GNA Biosolutions aus dem Münchner Vorort Martinsried bekommt einen Tag vor Heiligabend dann doch die Sondergenehmigung für ihren Corona-Schnelltest – die Umstände werfen aber drängende Fragen auf. Die erste Frage lautet: Welche Rolle spielt der CSU-Politiker Alfred Sauter dabei, der bereits in der Maskenaffäre zu den Beschuldigten gehört. Nach Informationen unserer Redaktion tut der 70-Jährige zwei Dinge: Er schreibt in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter an den Büroleiter des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder eine dramatisch formulierte Mail, in der er dringend darum bittet, die Staatskanzlei solle sich für die Zulassung des GNA-Schnelltests einsetzen. Das könnte man noch als legitimes Engagement eines eifrigen Abgeordneten zum Wohl des Landes interpretieren. Doch wie erklärt sich die zweite Tätigkeit?

Anfang Februar rechnet Sauter als Anwalt für seine Dienste über die Kanzlei Gauweiler und Sauter 300.000 Euro Honorar plus Mehrwertsteuer ab, die das Unternehmen auch bezahlt. Nur was genau soll der frühere bayerische Justizminister in den wenigen Tagen zwischen dem 11. und dem 23. Dezember getan haben, das ein solch hohes Honorar rechtfertigt? Und abgesehen davon: Hat Sauter sein Abgeordnetenmandat mit der Anwaltstätigkeit auf unzulässige Weise vermengt? Genau das werfen Kritiker dem schwäbischen Strippenzieher seit vielen Jahren vor. Doch erst seit die Generalstaatsanwaltschaft München gegen Sauter und vier weitere Männer in der Maskenaffäre ermittelt, geriet der Günzburger ernsthaft unter Druck.

In der Maskenaffäre ermittelt die Justiz gegen den früheren Justizminister

Es geht in der Maskenaffäre um den Verdacht der Korruption. Sauter soll – zusammen mit seinem damaligen Parteifreund Georg Nüßlein – einer hessischen Textilfirma geholfen haben, bis zu 55 Millionen Masken an den Staat zu verkaufen. An die Firma Pecom, die Sauters Familie zuzurechnen ist, flossen anschließend 1,2 Millionen Euro. Nüßlein sollte die gleiche Summe erhalten. Der Geldfluss wurde aber von der Liechtensteiner Finanzaufsicht gekappt. Die Ermittler halten die Zahlungen für Schmiergeld. Sauter weist diesen Verdacht genau wie Nüßlein zurück. Seine Behauptung, er habe das zusätzlich zum Anwaltshonorar erhaltene Geld von Anfang an nach Abzug aller Steuern spenden wollen, halten die Ermittler für wenig glaubwürdig.

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"Nebenjob: Abgeordneter": Die Karriere von Alfred Sauter
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In der Masken-Affäre um Georg Nüßlein ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft auch gegen den Landtagsabgeordneten Alfred Sauter (hier im Bild).

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Hintergrund der Ermittlungen ist Sauters Rolle bei einem millionenschweren Geschäft mit Schutzausrüstung, die eine Firma an das bayerische Gesundheitsministerium verkauft hatte.

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Der Vorwurf: Die langjährigen Parteifreunde Sauter (links) und Nüßlein (rechts) hätten sich in der Corona-Krise unrechtmäßig an den Geschäften bereichert.

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Für Sauter sind die Ermittlungen ein Tiefpunkt seiner Karriere. Aus seinem Günzburger Kreisverband heißt es: Ohne Sauter geht wenig bis gar nichts.

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Tatsächlich ist Sauter ein Meister darin, Netzwerke zu knüpfen (hier mit Peter Gauweiler). Seine Karriere beginnt zwischen 1979 und 1987 als Chef des CSU-Nachwuchses in Bayern.

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Damit steht er in einer Reihe mit prominenten Namen. Sauters Vorgänger heißen Max Streibl, Theo Waigel (hier im Bild) oder Otto Wiesheu.

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In den 80er Jahren geht Sauter nach Bonn. Nach zwei Legislaturperioden im Bundestag zieht es ihn zurück nach Bayern. Er wird Staatssekretär in drei Ministerien und Justizminister.

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Doch er ist kein reiner Berufspolitiker, sondern verdient auch gutes Geld als Anwalt.

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Erst Recht nach dem ersten großen Karriereknick. 1999 lässt der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber seinen Justizminister inmitten einer Finanzaffäre fallen.

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Stoiber macht Sauter für das Desaster um die in finanzielle Schieflage geratene halbstaatliche Wohnungsbaugesellschaft verantwortlich. Er muss gehen.

Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

Fortan konzentriert er sich noch stärker auf seine Anwaltskanzlei. Inzwischen bildet er eine Bürogemeinschaft mit einem anderen CSU-Urgestein: Peter Gauweiler.

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Sauter gehört seit vielen Jahren zu den bayerischen Politikern mit den höchsten Nebeneinkünften. In einer Landtagsdebatte sagt er einmal lapidar, er sei im Nebenjob Abgeordneter.

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Ob sich Sauter nun in der aktuellen Masken-Affäre schuldig gemacht hat? Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es geht um den Anfangsverdacht der Bestechlichkeit von Mandatsträgern.

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Am 22. März gibt Sauter dem Druck der Parteispitze nach und verlässt nach 31 Jahren mit sofortiger Wirkung die CSU-Landtagsfraktion. Ein Schuldeingeständnis ist das aber nicht, Sauter kämpft weiter um seinen Ruf und strebt bereits ein Comeback an.

Zwar ging tatsächlich eine Großspende von 470 000 Euro auf dem Konto einer Günzburger Bürgerstiftung ein. Allerdings erst am 8. März. Da waren Nüßlein und Sauter längst ins Visier der Justiz geraten. Für die Stiftung stand der Geldsegen unter keinem guten Stern. Erst geriet sie ohne eigenes Zutun bundesweit in die Schlagzeilen. Dann erhielt der Vorsitzende Heinrich Lindenmayr ein Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft: Das Amtsgericht München ordnete an, das Geld bis zur juristischen Aufklärung des Falles an die Justiz zu überweisen. Das ist inzwischen auch geschehen.

Offenbar war der Masken-Deal aber nicht das einzige einträgliche Geschäft, das Sauter in und mit der Pandemie gemacht hat. Die Maskenaffäre weitet sich womöglich um eine Schnelltestaffäre aus. Mit der Sache vertraute Personen halten es zwar für den eigentlichen Skandal, dass das Bundesinstitut der Firma GNA Biosolutions die Sonderzulassung mit der aus heutiger Sicht fragwürdigen Begründung verweigert hatte, man verfüge bereits über ausreichend Schnelltest-Kapazitäten. Inwiefern Sauter das gegen die neuen Vorwürfe hilft, bleibt aber abzuwarten. Dessen Anwalt Martin Imbeck will sich vorläufig nicht zu der Angelegenheit äußern. Die Generalstaatsanwaltschaft hat darüber offenbar noch keine Kenntnis.

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Foto: Bernhard Weizenegger
Foto: Bernhard Weizenegger

Mit dem Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein kam die Affäre um fragwürdige Geschäfte von CSU-Politikern im Februar ins Rollen.

Am Ende könnte es ja sein, dass Sauter außer der einen Mail an Söders Büroleiter gar nicht viel getan hat. Nach Auskunft eines Insiders soll „die halbe bayerische Politik“ in die Causa GNA Biosolutions involviert gewesen sein. Das Unternehmen hat einen sehr guten Ruf. Es ist 2010 aus der Ludwig-Maximilians-Universität heraus entstanden. Der Freistaat hatte sich noch vor der Zulassung eine Million der innovativen Tests gesichert. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hielt das GNA-Produkt gar für den „weltbesten Test“, dessen Entwicklung sein Ministerium nicht umsonst mit acht Millionen Euro gefördert hatte.

Die Staatskanzlei will nach Sauters Mail nichts unternommen haben

Was das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte der Süddeutschen Zeitung antwortete, spricht nicht für einen maßgeblichen Einfluss Sauters bei der Genehmigung: Es habe sich um ein reguläres Sonderzulassungsverfahren gehandelt, eine Einflussnahme Dritter habe es nicht gegeben. Und auch die Staatskanzlei bestreitet gegenüber dem Blatt, nach Sauters Mail etwas unternommen zu haben. Man habe sich weder schriftlich noch telefonisch für die Firma eingesetzt, zumal das Wirtschaftsministerium ohnehin befasst gewesen sei. Von einer möglichen Vergütung für Sauter will die Staatskanzlei erst recht nichts gewusst haben. Alles weitere sei Sache der Generalstaatsanwaltschaft, „mit der die Staatsregierung umfassend kooperiert“.

Noch sind viele Fragen offen. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer hält es jedenfalls für wenig glaubhaft, dass die Staatskanzlei Sauters Mail einfach ignoriert hat. Er forderte Sauter und Nüßlein am Montag auf, schnellstmöglich ihre Mandate zurückgeben.

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