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Foto: Christoph Soeder, dpa
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Klare Worte findet CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nicht nur zum Antisemitismus. Den jüngsten Grünen-Vorstoß gegen Kurzstreckenflüge etwa kritisiert er als antieuropäisch.

Interview
22.05.2021

Dobrindt will judenfeindliche Ausländer notfalls abschieben

Von Christian Grimm, Stefan Lange

Exklusiv CSU-Landesgruppenchef Dobrindt fordert eine Null-Toleranz-Strategie gegen Antisemitismus. Er spricht sich für ein Demonstrationsverbot über Pfingsten aus, wenn schon im Vorhinein Judenhass zu erwarten ist.

Herr Dobrindt, Sie haben die Anti-Israel-Demonstrationen in Deutschland als widerlich bezeichnet. Beziehen Sie sich auf die Demos an sich oder konkret auf das Verbrennen von Flaggen?

Alexander Dobrindt: Ich finde es widerlich, was man auf den Demonstrationen gehört und gesehen hat. Das betrifft die Sprechchöre und auch das Verbrennen israelischer Flaggen. Letzteres soll eindeutig das Signal senden, dass der Staat Israel ausgelöscht werden soll. Dass das auf deutschen Straßen stattfindet, löst bei mir ein ganz besonders beklemmendes Gefühl aus.

Wie muss der Staat darauf reagieren?

Dobrindt: Es darf nicht nur darüber gesprochen werden, dass der Staat mit aller Härte gegen diese Entgleisungen vorgeht. Es muss auch transparent veröffentlicht werden, wie viele dieser Straftaten aktuell stattgefunden haben und gegen wie viele Tatverdächtige ermittelt wird. Wir haben im Bundestag dafür gesorgt, dass auf das Verbrennen von Flaggen eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren steht. In diesem Fall des zur Schau gestellten Antisemitismus’ ist es notwendig, dass dieses hohe Strafmaß auch Anwendung findet.

Was ist Ihre Beobachtung: Haben die Sicherheitsbehörden energisch genug durchgegriffen? Und vor allem: Was erwarten Sie vom Pfingstwochenende – noch mehr solcher Kundgebungen?

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Dobrindt: Die Polizei hat das getan, wozu die Politik sie angewiesen hat. Meine Forderung eines konsequenten Vorgehens gegen Antisemitismus richtet sich an die Innen- und Justizminister der Bundesländer. Es geht um die Durchsetzung von Recht: Wer sich antisemitisch verhält, muss bestraft werden. Demonstrationen, bei denen klar zu erwarten ist, dass sie einen antisemitischen Hintergrund haben, sollten am Pfingstwochenende gar nicht erst stattfinden, sondern verboten werden.

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Foto: Fabian Sommer, dpa
Foto: Fabian Sommer, dpa

Bei einer Demonstration in Berlin am vergangenen Wochenende wurden offen anti-israelische und anti-jüdische Parolen gerufen.

Bei den Demos sind Kinder und Jugendliche dabei, die den Nahost-Konflikt vermutlich nicht annähernd erklären können. Auch beim Thema Antisemitismus gibt es Defizite im Wissen. Müssen wir in den Schulen mehr tun?

Dobrindt: In den Schulen muss unterrichtet werden, dass das Existenzrecht Israels Teil der deutschen Staatsräson ist und dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen. Wir brauchen eine klare Null-Toleranz-Strategie gegen importierten Antisemitismus. Wer sich antisemitisch strafbar gemacht hat, muss mit der Ausweisung rechnen. Außerdem brauchen wir eine Überprüfung unseres Einbürgerungssystems: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft haben will, muss das Existenzrecht Israels und die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber dem jüdischen Staat anerkennen. Das muss vor der Einbürgerung überprüft werden.

Noch einmal zurück zu den Schulen. Redet man mit Lehrern, bekommt man den Eindruck, dass das Thema Antisemitismus lieber verschwiegen wird. Lehrer scheuen Auseinandersetzungen mit Schülern und deren Eltern; Direktoren wiederum wollen keinen Antisemitismus-Skandal an ihren Schulen. Wie soll das Schweigen gebrochen werden?

Dobrindt: Ich habe Verständnis dafür, wenn Lehrer gerade auch nach dem grausamen Mord an ihrem Kollegen in Frankreich in Sorge sind. Um ein realistisches Bild darüber zu bekommen, wie der Nahostkonflikt und das Existenzrecht Israels an den Schulen unterrichtet werden, rege ich eine anonymisierte Studie an, die genau das abfragt. Es kann nicht sein, dass das Thema im Lehrplan steht, aber tatsächlich nicht besprochen wird. Wenn das durch die Lehrkräfte so nicht mehr sichergestellt werden kann, weil es nachvollziehbare Bedenken gibt, muss das eine Sonderaufgabe der politischen Bildung werden, die durch besonders ausgebildete Personen in den Schulen vermittelt wird.

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Foto: Fredrik Von Erichsen, dpa
Foto: Fredrik Von Erichsen, dpa

Ein Mann mit Kippa in einer Synagoge. Die Sicherheitslage für die deutschen Juden wird seit Jahren schlechter.

CSU und CDU wollen im Bereich Klimaschutz mehr Anstrengungen unternehmen. Alles soll schneller gehen, auch der Ausbau der erneuerbaren Energien. Doch bislang scheiterten diese Bemühungen am Unwillen in der Bevölkerung, sich eine Solaranlage aufs Dach zu setzten oder eine Stromtrasse in der Nähe zuzulassen. Wie wollen Sie die Akzeptanz steigern?

Dobrindt: Wir wollen mehr Dynamik beim Klimaschutz. Das gelingt aber nur mit der Akzeptanz der Bevölkerung. Wir verbinden deshalb Ambition und Anreize. Konkret wollen wir einen ambitionierteren CO2-Preis, dessen Mehreinnahmen wir nutzen, um die Stromsteuern zu senken. Wir wollen einen schnelleren Kohleausstieg und gleichzeitig den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Umstieg bei der Mobilität beschleunigen. Beispiele wie unser Austauschprogramm für alte Heizungen mit einer Förderung von 45 Prozent der Investitionskosten und die Kaufprämie für E-Autos zeigen: Unser Ansatz aus Ambition und Anreizen funktioniert. Man kann für Klimaschutz erfolgreich begeistern und muss die Bürger nicht bestrafen, wie die Grünen es teilweise propagieren.

Die Grünen wollen Flüge teurer machen. Vielleicht geht Klimaschutz manchmal doch nur mit Verboten oder zumindest mit höheren Preisen?

Dobrindt: Der Vorschlag von Annalena Baerbock, Kurzstreckenflüge zu unterbinden, ist schlichtweg falsch. Er ist übrigens auch ein anti-europäischer Gedanke. Kurzstrecke bedeutet nämlich nicht nur München-Nürnberg, sondern auch München-Barcelona oder Berlin-Dublin. Wer sich vorstellt, wie viele Menschen sich in Europa kennengelernt haben und wie viel Völkerverständigung und Gemeinschaft daraus entstanden ist, der weiß um die Bedeutung von schneller und bezahlbarer Mobilität. Wer heute ein Programm durchsetzen will, das schnelle Flugverbindungen zwischen den Metropolen Europas unmöglich macht, der verhindert ein Stück europäisches Zusammenwachsen. Wenn der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, jetzt sagt, dass einmal im Jahr fliegen reicht, dann muss man ihn daran erinnern, dass ein großes Freiheitsversprechen Europas ein Mobilitätsversprechen ist. Dieses Versprechen darf nicht gebrochen werden.

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Foto: Seattle Aviation Images, dpa
Foto: Seattle Aviation Images, dpa

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock will Kurzstrecken- und Billigflüge abschaffen. Der Gedanke sei anti-europäisch, meint CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Die Grünen liegen in den meisten Umfragen vor CDU und CSU. Wie sehr besorgt Sie das?

Dobrindt: Die Umfragen sind zurzeit ausgesprochen unbefriedigend. Wir sind mit Blick auf die Bundestagswahl aber erst am Beginn der politischen Auseinandersetzung und des Wettbewerbs. Sehen Sie, wir haben eine Zeit mit vielen großen Brüchen. Das gilt sowohl politisch, weil mit dem Rückzug von Angela Merkel nach 16 Jahren eine Ära zu Ende geht. Das gilt aber auch wirtschaftlich, weil durch die Folgen der Corona-Pandemie und der Digitalisierung sowie durch den Klimaschutz international die ökonomischen Beziehungen neu sortiert werden und sich wirtschaftlicher Erfolg neu in der Welt verteilt. Das gilt auch gesellschaftlich, weil wir einen Wandel in der Arbeitswelt, eine neue Vielfalt an Lebensmodellen und einen starken Wunsch nach mehr Freiheit erleben. All das führt zu einer Flexibilität bei den Wahlentscheidungen, die so groß sein wird wie vielleicht seit 1990 nicht mehr. Das birgt Risiken, aber auch Chancen. Wir haben als Unionsparteien den festen Willen, diese Chancen zu nutzen und mit einer sehr klaren Botschaft des Aufbruchs und einer neuen Balance die Wähler für uns zu gewinnen. Eine neue Balance zwischen Klima und Wirtschaft, eine neue Balance zwischen Freiheit und Sicherheit, Globalisierung und Verantwortung, neuen Lebensmodellen und moderner Arbeitswelt.

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Foto: Michael Kappeler, dpa
Foto: Michael Kappeler, dpa

Der Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder hatte die Union in Atem gehalten und ging soweit, dass ein Auseinanderbrechen von CDU und CSU denkbar war.

Wie zufrieden sind Sie in diesem Zusammenhang eigentlich mit der Performance der CDU? Von außen betrachtet legt die CSU ein hohes Tempo vor, und die große Schwester läuft hinterher. Legen die CSU und ihr Parteichef Söder jetzt eine Pause ein und lassen Herrn Laschet mal alleine machen?

Dobrindt: Wir haben bei CDU und CSU als Volksparteien den Willen, dass wir die großen Veränderungsprozesse bei uns nachempfinden, begleiten, sie auch leben, und dann in moderne politische Programme überführen. CDU und CSU waren immer dann erfolgreich, wenn wir den Geist der Zeit mitgestaltet haben, ohne uns davon treiben zu lassen. Mein Eindruck ist, dass die Spitze der CDU, genauso wie bei der CSU, die gesellschaftlichen Veränderungen aufgenommen hat und sie in politisches Handeln übersetzt.

Na ja, es gab ja schon in den letzten Wochen aus München einige Sticheleien gegen Armin Laschet.

Dobrindt: Wir wollen gemeinsam als CDU und CSU ein neues Kapitel in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aufschlagen. Wenn wir erfolgreich sein wollen, braucht es Einigkeit. Ich sehe sowohl bei Markus Söder als auch bei Armin Laschet die Bereitschaft dazu. Es braucht auch beide, Söder wie Laschet, wenn wir diese Bundestagswahl erfolgreich bestreiten wollen. Die Union lebt von ihrer Breite als Volkspartei, und wir müssen in der Lage sein, das ganze bürgerliche Spektrum in der Bundestagswahl darzustellen, um maximale Zustimmung zu bekommen. Der Versuch von SPD, Grünen und Linken ist doch klar erkennbar: Sie wollen eine linke Mehrheit gegen die Union erreichen. Deshalb muss auch jedem klar sein: Wer Baerbock will, der bekommt automatisch die buckelige Verwandtschaft aus linken Sozis und sozialistischen Linken mitgeliefert.

In der gängigen Definition sind Volksparteien solche, die Anhänger und Wähler in allen Bevölkerungsschichten haben. Sind die Grünen eine Volkspartei und treten damit an die Stelle der SPD?

Dobrindt: Zu einer Volkspartei gehört zunächst einmal die Bereitschaft, alle Teile des Volks auch in seinen politischen Angeboten abbilden zu wollen. Das spüre ich bei den Grünen nicht. Die Tatsache, dass die Grünen bei den SUV-Fahrern mehr Zustimmung haben als die Union, macht sie jedenfalls noch nicht zur Volkspartei.

Ihr Tipp: Welche Parteienkonstellation gewinnt am 26. September die Wahl?

Dobrindt: Wir müssen die Wähler dafür mobilisieren, dass es keine Links-Koalition gegen die Union geben kann. Wir brauchen unsere eigene Kraft, um Koalitionsverhandlungen als stärkste Fraktion führen zu können. Den Rest wird man sehen. Ich pflege keine romantischen Gefühle gegenüber den Grünen. Ich bin mir aber gleichzeitig sicher, dass Jamaika-Verhandlungen heute anders ausgehen würden als noch vor vier Jahren.

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