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Foto: Emilio Morenatti, AP/dpa
Foto: Emilio Morenatti, AP/dpa

In Irpin brennen Häuser nach einem Bombenangriff.

Krieg in der Ukraine
08.03.2022

Weltgerichte ermitteln wegen Kriegsverbrechen von Russland

Von Andreas Frei, Simon Kaminski, Stefan Lange

Die Ukraine wirft Russland vor, bei Evakuierungen absichtlich auf Zivilisten zu schießen. Hätte ein Urteil vom Strafgerichtshof für Präsident Wladimir Putin Folgen?

Bombardiert Russland gezielt Zivilisten in der Ukraine? Dessen Präsident Wolodymyr Selenskyj erhebt diesen Vorwurf seit Beginn der Invasion. Er spricht von Kriegsverbrechen. US-Außenminister Antony Blinken sagt, die Vereinigten Staaten hätten dafür „sehr glaubwürdige Berichte“. Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordert, dies eingehend zu untersuchen. Was nun auf höchster juristischer Ebene auch passiert.

Verbrechen in der Ukraine gehen vor den Strafgerichtshof

Der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag hat bereits Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Hier könnte es für Wladimir Putin unangenehm werden. Denn vor dem Strafgerichtshof geht es um persönliche Schuld – auch für Präsidenten gibt es keine Immunität. Es ist gar ein Haftbefehl gegen Putin oder andere russische Politiker denkbar. Im Falle einer Verurteilung könnte der Präsident die meisten Staaten nicht mehr bereisen. Noch allerdings richten sich die Vorermittlungen nicht direkt gegen den Kremlchef.

Die Ukraine hat bereits vor neun Jahren mit dem Heraufziehen der Krise um die Ostukraine anerkannt, dass der Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen auf seinem Staatsgebiet zuständig ist. Das hat zur Folge, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf ukrainischem Boden in die Zuständigkeit des Strafgerichts fallen, auch wenn Russland das Gericht nicht anerkennt.

Als Staat verantworten muss sich Russland vor dem Internationalen Gerichtshof, ebenfalls in Den Haag. Dort begann am Montag eine Anhörung der ukrainischen Delegation. Kiew hatte vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen ein Dringlichkeitsverfahren gegen Russland angestrengt. Der Vorwurf lautet Verletzung der Völkermord-Konvention. Ziel ist das sofortige Ende der Gewalt. Russland sollte an diesem Dienstag das Wort ergreifen, teilte aber mit, dem Termin fernzubleiben. Die Urteile des Gerichtshofs sind bindend, in der Vergangenheit fehlte es jedoch an Möglichkeiten, sie auch umzusetzen. Was bleibt, ist der symbolische Effekt eines Schuldspruchs.

Deutsche Politiker fordern darüber hinaus Ermittlungen gegen Wladimir Putin

Von einem „wichtigen Symbol“ spricht auch Gabriela Heinrich, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Die Klage habe ihre Berechtigung, sagt sie unserer Redaktion. Noch wichtiger sei aber, „dass der Internationale Strafgerichtshof Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgenommen hat. Für mich ist das eine klare und sehr wichtige Botschaft, dass die Welt nicht wegschaut.“

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Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert darüber hinaus Ermittlungen des Generalbundesanwalts in Karlsruhe gegen Putin. Am Montag kündigte sie gemeinsam mit ihrem Parteifreund und früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum eine Strafanzeige an. Basis für eine mögliche Anklage soll das „Weltrechtsprinzip“ bieten, das in Deutschland bereits gegen Syrer, denen im Bürgerkrieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt worden waren, herangezogen wurde. Am Dienstag hieß es, der Generalbundesanwalt habe tatsächlich Ermittlungen aufgenommen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat die Karlsruher Behörde konkrete Anhaltspunkte für bereits begangene Kriegsverbrechen. Die Ermittler befürchten zudem, dass es zu weiteren Straftaten kommt, wie es hieß.


35 Bilder
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Diese Bilder aus dem Krieg zeigen die Lage in der Ukraine
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Foto: -/Planet Labs PBC, dpa

Die am 01.03.2022 von Planet Labs PBC herausgegebene Satellitenaufnahme zeigt eine beschädigte Brücke über den Fluß Desna bei dem Dorf Solotynka, etwa 150 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kiew gelegen.

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Dieses vom ukrainischen Katastrophenschutz veröffentlichte Foto zeigt einen Blick auf das beschädigte Rathausgebäude. Russische Granaten beschossen am Dienstag zivile Ziele in der zweitgrößten Stadt der Ukraine, Charkiw.

Foto: Serhii Nuzhnenko/AP, dpa

Ein Mann auf Krücken geht an den Überresten eines russischen Militärfahrzeugs vorbei.

Foto: Ricrad Garcia Vilanova/AP, dpa

Eine Barrikade aus Straßenbahnen, Bussen und Sandsäcken ist durch das Fenster eines Autos im nördlichen Teil von Kiew zu sehen.

Foto: Ukrinform, dpa

Ein junger Mann webt ein Tarnnetz für die ukrainische Armee.

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Ukraine, Charkiw: Ein Mann fotografiert noch schwelende zerstörte russische Militärfahrzeuge am Stadtrand.

Foto: Ukrainian Police Department Press Service, dpa/AP

Feuerwehrkräfte löschen die Schäden an einem Gebäude nach einem Raketenangriff auf Kiew. Russland setzt seine Invasion in die Ukraine bis in die Außenbezirke Kiews fort.

Foto: Lu Jinbo, dpa/XinHua

Menschen suchen in einer U-Bahn-Station in der ukrainischen Hauptstadt Schutz.

Foto: Ukrinform/dpa

Menschen suchen am zweiten Tag des russischen Angriffs in der ukrainischen Hauptstadt im Keller eines Wohnhochhauses, der gleichzeitig als Schutzraum dient, Schutz.

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Ukrainische Soldaten beziehen Stellung auf einer Brücke. Russland hat ukrainische Städte und Stützpunkte mit Luftangriffen oder Granaten beschossen.

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Zahlreiche Ukrainer verlassen nach Militäraktionen Russlands auf Ukrainischem Staatsgebiet das Land.

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Natali Sewriukowa steht neben ihrem Haus nach einem russischen Raketenangriff.

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Ein Soldat der ukrainischen Armee inspiziert Fragmente eines abgestürzten Flugzeugs. Es war unklar, wessen Flugzeug abgestürzt ist und wer es zum Absturz gebracht hat.

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Menschen suchen Schutz in einem Keller eines Gebäudes, während die Sirenen neue Angriffe ankündigen. Russland hat am Donnerstag einen umfassenden Angriff auf die Ukraine gestartet.

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Fahrzeuge stehen an der polnisch-ukrainischen Grenze im Dorf Hruszow. Das polnische Innenministerium teilte mit, dass der Grenzschutz auf die Menschen vorbereitet sei.

Foto: Vadim Ghirda, AP/dpa

Ukrainische Soldaten sitzen auf gepanzerten Mannschaftstransportern, die auf einer Straße in der Region Donezk in der Ostukraine fahren. Russische Truppen haben ihren erwarteten Angriff auf die Ukraine gestartet.

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Ein beschädigtes Fahrzeug und Trümmer nach russischem Beschuss außerhalb von Mariupol.

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Ein Hund steht in der Nähe einer beschädigten ukrainischen Militäreinrichtung außerhalb von Mariupol.

Foto: Evgeniy Maloletka, dpa

Eine Frau hält ihre Katze in einem Unterstand während des russischen Beschusses in Mariupol.

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Ein Ehepaar betritt während des russischen Beschusses einen Schutzraum mit einem Baby in einem Kinderwagen. Russische Truppen haben ihren erwarteten Angriff auf die Ukraine gestartet.

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Menschen überqueren mit ihrem Gepäck die Gleise in Kramatorsk in der Region Donezk in der Ostukraine, um einen Zug nach Kiew zu nehmen.

Foto: Oliver Wolff, Ukrinform, TASS, dpa

Auch in Odessa zu sehen, die versuchen, am Bahnhof einen Zug raus aus der Stadt zu erwischen.

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Polizisten inspizieren ein Gebiet nach einem russischen Angriff. Russische Truppen haben den Angriff auf die Ukraine gestartet.

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Eine Frau und ein Kind schauen aus dem Fenster eines Busses, als sie Sievierodonetsk in der Region Luhansk in der Ostukraine verlassen.

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Ein Feuerwehrmann ist in Mariupol inmitten von Trümmern nach dem russischen Beschuss im Einsatz. Russische Truppen haben ihren Angriff auf die Ukraine gestartet.

Foto: Sergei Grits, dpa

Beschädigte Radaranlagen und andere Ausrüstung in einer ukrainischen Militäreinrichtung außerhalb einer Stadt.

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Menschen stehen neben Fragmenten eines Flugkörpers auf der Straße nach einem russischen Angriff.

Foto: Andrew Marienko, dpa

Nach einem russischen Angriff betrachtet ein Mann die Überreste eines Flugkörpers.

Foto: Emilio Morenatti, dpa

Autos stauen sich, während die Menschen die Stadt Kiew verlassen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Donnerstag eine Militäroperation in der Ukraine begonnen.

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Ein Angehöriger des ukrainischen Militärs nimmt in Sievierodonetsk in der Region Luhansk in der Ostukraine Gegenstände aus dem Kofferraum eines Autos.

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Einwohner in Kiew warten darauf, in einem Geschäft Wasser zu kaufen, während die Wasserversorgung unterbrochen ist.

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Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Bild zeigt einen Mann in der Nähe eines nach Beschuss zerstörten Wohnhauses in dem Dorf nördlich von Donezk.

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Flammen und Rauch steigen aus den Trümmern eines Privathauses nach russischem Beschuss außerhalb der ukrainischen Hauptstadt auf.

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Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Bild zeigt Journalisten in dem Dorf nördlich von Donezk.

Foto: Konstantin Mihalchevskiy, Sputnik/dpa

Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Bild zeigt bewaffnete Männer ohne erkennbares Nationalitätenabzeichen im ukrainischen Armjansk.

Derweil verschärft sich die Situation für Zivilisten in der Ukraine weiter. Ein neuerlicher Anlauf für Evakuierungen aus besonders umkämpften Städten wie Charkiw und Mariupol geriet ins Stocken. Moskau gab Kiew die Schuld. Die ukrainische Seite habe keine einzige Bedingung für die Einrichtung humanitärer Korridore erfüllt, hieß es im russischen Verteidigungsministerium. Zudem behaupteten die Russen, ukrainische „Nationalisten“ hielten die Bevölkerung unter Androhung von Gewalt zurück und setzten den Beschuss russischer Stellungen trotz Feuerpause fort.

Ukraine-Krieg: In Mariupol besteht Gefahr von Minen

Die ukrainische Regierung wies dies zurück und zeigte sich empört, dass die angebotenen Fluchtrouten vor allem in die Nachbarländer Russland und Belarus führen sollten. Bereits am Wochenende waren zwei Anläufe für eine Evakuierung von Einwohnern Charkiws und Mariupols gescheitert. Der Einsatzleiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Dominik Stillhart, berichtete in der BBC von der Gefahr von Minen. Einige IKRK-Mitarbeiter hätten versucht, Mariupol auf einer vereinbarten Route zu verlassen, hätten aber festgestellt, dass „die ihnen angezeigte Straße vermint war“.

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Was der Ukraine-Krieg für die deutsche Außenpolitik bedeutet, analysiert Margit Hufnagel im Leitartikel. Wer als Vermittler noch infrage kommt, beschreiben Susanne Güsten und Simon Kaminski in der Politik. Ebenfalls dort zu lesen: Unser US-Korrespondent Karl Doemens zur Frage, wie die amerikanische Regierung in wirtschaftlicher Hinsicht auf den Krieg reagiert.

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