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Foto: Marijan Murat, dpa
Foto: Marijan Murat, dpa

Soll man nun sein Baby oder Kleinkind impfen lassen – oder eher nicht?

Corona-Pandemie
04.02.2022

Impfung für Unter-Fünfjährige: Was sagen Kinderärzte dazu?

Von Markus Bär, Daniela Hungbaur

Plus Biontech und Pfizer haben in den USA die Zulassung ihres Corona-Impfstoffs für Kinder unter fünf Jahren beantragt. Wie Kinderärzte in der Region den Schritt beurteilen.

Soll ich mein Kind impfen lassen? Diese Frage treibt viele Eltern um. Gerade in diesen Tagen, in denen die Inzidenz so rasant steigt und Omikron alles zu beherrschen scheint. Da passt die Nachricht, dass in den USA wohl bald auch Kleinkinder ab sechs Monaten vor Covid geschützt werden können. Das deutsche Pharmaunternehmen Biontech hat zusammen mit seinem amerikanischen Partner Pfizer dort eine Notfallzulassung beantragt. Der Schritt erfolge auf Anfrage der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA, teilt Biontech mit. Es sei der erste Covid-Impfstoff für Kinder unter fünf Jahren. Damit stellt sich aber die Frage: Wie sinnvoll ist eine Impfung von Kleinkindern?

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Biontech schreibt, dass in den USA die Zahl der gemeldeten Covid-19-Fälle bei Kindern und der damit verbundenen Krankenhausaufenthalte während der Ausbreitung von Omikron dramatisch angestiegen ist. Und wie sieht es an der Universitätsklinik Augsburg aus? Auch Professor Michael Frühwald sieht einen deutlichen Anstieg junger Patienten. Der Direktor der Kinderklinik erklärt, dass die Lage beherrschbar sei, vor allem weil aktuell weniger andere Infektionen zu beobachten sind: „Covid ist nun die beherrschende Infektionserkrankung bei uns an der Kinderklinik.“ Auch gebe es schwerere Verläufe bei Kindern, die keinerlei Vorerkrankungen haben. Es seien auch nicht mehr immer die bekannten grippeähnlichen Symptome, mit denen die jungen Patientinnen und Patienten nun zu kämpfen haben. So sei kürzlich ein Junge mit starken Bauchbeschwerden in die Kinderchirurgie eingeliefert worden, bei dem alles auf eine Blinddarmentzündung hindeutete, tatsächlich war es aber eine Covid-Infektion.

Uniklinikum Augsburg: Professor Frühwald ist froh, dass es bald möglich ist, auch Kleinkinder zu impfen

Was also hält der erfahrene Kinderarzt von einer Impfung von Kindern unter fünf Jahren? Frühwald ist froh, dass zumindest die Möglichkeit kommen wird. Er geht davon aus, dass die Zulassung hierzulande in etwa drei Monaten erfolgen kann. Er und sein Team werden sehr oft mit der Frage konfrontiert: Sollen wir unser Kind impfen lassen? Eine Frage, die seiner Ansicht nach nur individuell entschieden werden kann. „Wir erleben leider einen riesigen Vertrauensverlust bei den Menschen. Und dieses Vertrauen kann meines Erachtens nicht mehr mit allgemein geltenden Verfügungen aufgebaut werden, sondern nur in individuellen, vertrauensvollen Gesprächen zwischen Arzt und Patient beziehungsweise zwischen Arzt und Eltern.“

So kommen viele Eltern zu Frühwald und wollen, dass ihr Kleinkind geimpft wird, weil ein Geschwisterkind oder ein Elternteil beispielsweise eine Autoimmunerkrankung oder Krebs hat oder an einer anderen Krankheit leidet. Eine Ansteckung soll also vermieden werden – für Frühwald ein nachvollziehbarer Grund für eine Impfung. Aber es gibt natürlich auch Eltern, die auf gar keinen Fall wollen, dass ihr Kind geimpft wird, auch das akzeptiert er. Obwohl er überzeugt davon ist, dass man in der Omikron-Welle eine Infektion kaum mehr verhindern könne, aber sehr wohl schwere Verläufe wie etwa auch das PIM-Syndrom, eine Autoimmunerkrankung nach durchgemachter Covid-Infektion.

Außerdem warnt er: „Wenn wir jetzt nicht viel und breit impfen, werden wir im Herbst wahrscheinlich das nächste Problem haben.“ Daher ist Aufklärung für ihn so wichtig. So sei gerade bei den Studien mit Kindern unter fünf Jahren die Nebenwirkungsrate noch geringer gewesen als bei älteren Kindern. Unter Fünfjährige sollen nach jetzigem Stand wahrscheinlich dreimal eine Dosis von drei Mikrogramm pro Impfung erhalten. Zum Vergleich: Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren bekommen zwei Dosen von je zehn Mikrogramm. Ab zwölf liegt die Dosierung wie bei Erwachsenen bei 30 Mikrogramm pro Dosis.

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Langzeitfolgen können weder nach Infektion noch nach einer Impfung ausgeschlossen werden

Aber was ist mit Langzeitfolgen? Gerade beim Impfen von Kindern eine wichtige Frage. Zu Folgen, die man in zehn bis 20 Jahren beobachten wird, kann man natürlich noch keine fundierten Aussagen treffen, räumt Frühwald ein. Doch das treffe ebenso und noch mehr für eine Infektion ohne Impfung auch für Kinder ohne Vorerkrankungen zu. Langfristig bleibe noch unklar, welche Auswirkungen die Infektion etwa auf die Blutgefäße von vormals gesunden Kindern und Jugendlichen hat und ob sich aus einem möglichen Schaden ein erhöhtes Risiko für das Auftreten entsprechender Krankheiten ergibt. Viele Eltern fürchten gerade die Folgen einer Infektion und lassen daher ihre kleinen Kinder bereits impfen. Frühwald weiß, dass schon jetzt viele niedergelassene Kolleginnen und Kollegen auf Wunsch der Eltern Kinder unter fünf Jahren impfen, es sind sogenannte Off-Label-Impfungen.

Dr. Christian Voigt, Obmann der Kinderärztinnen und Kinderärzte in Augsburg und Nordschwaben, sieht das Thema ähnlich wie sein Kollege aus der Uniklinik. „Ab dem sechsten Monat lässt der Nestschutz durch die Mutter bei den Kleinen nach.“ Gerade bei Säuglingen und Kindern bis fünf Jahren, die an bestimmten chronischen Erkrankungen – etwa des Herzens oder der Lunge – leiden, sei eine Corona-Impfung anzuraten.

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Voigt ist sich sicher, dass die Kleinen die Impfung gut vertragen werden. „Die Kinder müssen sich in diesem Alter immunologisch ohnehin mit allerlei Attacken aus der Umwelt abmühen. Dazu gehören auch natürliche RNA-Viren.“ Wenn sie nun also den mRNA-Impfstoff beispielsweise von Biontech bekommen, sei das im Prinzip vergleichbar mit einer immunologischen Herausforderung der natürlichen Art. Er vermutet aber, dass es wieder länger dauern wird, bis die Ständige Impfkommission, also die Stiko, sich zu einer Empfehlung durchringen wird.

Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast an. In der aktuellen Folge spricht eine Augsburgerin über ihre Long-Covid-Erkrankung – und über den mühsamen Weg zurück in ein normales Leben.

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