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Foto: Alexander Kaya
Foto: Alexander Kaya

Rund 1100 Beschäftigte sind am Standort im Ulmer Donautal vom Verkauf der Feuerwehrsparte Magirus an den Münchner Investor Mutares betroffen.

Ulm
15.03.2024

IG Metall äußert sich zum Magirus-Verkauf: "Es ist wie eine Familie"

Von Michael Kroha, Philipp Scheuerl

Plus Fluch oder Segen? Noch tut sich die Gewerkschaft schwer, die Magirus-Übernahme durch den Münchner Investor Mutares zu bewerten. Es sei aber auch die Politik gefragt.

Die Reaktionen unter den Beschäftigten am Standort von Magirus und Iveco im Ulmer Donautal fallen unterschiedlich aus. Am Donnerstag, als die Nachricht die Runde machte, ist nach Dienstende von "Tiefschlag" und "deftig" die Rede. Doch nicht alle stehen der Übernahme durch den Münchner Investor Mutares pessimistisch gegenüber. Es gibt auch Mitarbeiter, die finden es gut: "Weg von den Italienern", so ein Kommentar. Und wie steht die Industriegewerkschaft dazu? Ist der Verkauf Fluch oder Segen?

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Für Michael Braun, Erster Bevollmächtigter bei der IG Metall Ulm, ist das noch "super schwierig" zu sagen. Das werde sich erst in ein paar Wochen zeigen. Braun aber erwartet, dass der Prozess bis zur Übernahme in Abstimmung mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat erfolgt. Die Beschäftigten verlangen auf jeden Fall verbindliche Regelungen sowie Beschäftigungssicherheit. Was er in der Kürze der Zeit über Mutares habe herausfinden können: Dass sie wohl in jüngster Vergangenheit durchaus Betriebe mit starker Marke, die wirtschaftlich nicht gut aufgestellt waren, auf Vordermann bringen konnten.

IG Metall über Magirus, Iveco-Magirus, Evco: "Es ist gefühlt wie eine Familie"

Doch abgesehen von den harten Fakten ziehe die geplante Unabhängigkeit der Feuerwehrsparte noch andere Konsequenzen für den Standort Donautal nach sich. "Es ist gefühlt wie eine Familie", sagt Braun. So teile man sich mit den Unternehmen Evco und Iveco-Magirus eine gemeinsame Kantine, es gebe eine gemeinsame Lohnabrechnung. "Alles Schnittstellen, die berücksichtigt werden müssen."

Dass neue Wege eingeschlagen werden müssen, sei der Gewerkschaft klar. Schließlich sei das Geschäft die vergangenen Jahre nicht mehr profitabel gewesen. "Veränderungsdruck" war da. Doch wie der Betriebsratsvorsitzende Wilfried Schmid schon sagte, habe es die Hoffnung gegeben, dass, wenn sich kein Investor findet, Magirus es komplett eigenständig schaffen kann. "Wir hätten uns das zugetraut", sagt Braun. Was dann die Stellschrauben gewesen wären, an denen man hätte drehen wollen? Die Drehleiter modernisieren und die Löschfahrzeugproduktion effizienter gestalten, mehr hin zur Serienfertigung, meint Braun. 

Magirus-Verkauf an Mutares: IG Metall bringt die Politik mit ins Spiel

Und hier bringt der Gewerkschafter auch die Politik ins Spiel, schließlich sei die Feuerwehr mit Blick auf Brand- und Bevölkerungsschutz als systemrelevant anzusehen. Hauptkunden seien Kommunen. Wenn man wolle, dass Systemrelevantes weiterhin hierzulande produziert wird, vielleicht lasse sich dann auch das Prozedere der Auftragsvergabe mit "so unglaublich schweren Bedingungen", die andere "Billigkonkurrenten" nicht hätten, verschlanken.

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"Es ist deftig, was da abgeht", sagt derweil ein 60-jähriger Iveco-Mitarbeiter am Donnerstag nach Dienstende. Er wirke an Magirus-Projekten mit. Für ihn sei es eine schwierige Situation: Er selbst stehe kurz vor der Rente und seine Tochter habe eben erst eine Ausbildung bei Magirus begonnen. "So ein Verkauf ist nie ein gutes Zeichen. Wie saniert man so etwas? Das ist doch klar: Am schnellsten, indem man Stellen abbaut", glaubt der 60-Jährige. Sauer ist er nicht, aber Sorgen mache er sich selbstverständlich. Vor allem, was nach dem Januar 2025 kommt. Iveco und Mutares haben angekündigt, bis dahin den Verkauf abgewickelt zu haben

Nicht alle Mitarbeitenden sehen es pessimistisch. Die Stimmung sei in Ordnung gewesen, sagt ein 38-jähriger Industriemechaniker. "Wir kennen die neue Firma nicht", so der Ulmer, aber anscheinend sei sie gut. Ein anderer Mitarbeiter aus der Verwaltung geht weiter: "Ich finde es gut, dass eine Firma kommt und uns hochhilft. Aber ich glaube, die Italiener haben einen Fehler gemacht." Er zeigt auf das Gelände mit den Feuerwehrautos. "Magirus ist ein Juwel, wir sind Weltmarktführer." Ein mulmiges Gefühl bleibt wohl doch. In der Regel würden solche Investmentfirmen an den Löhnen schrauben, befürchtet der Verwaltungsmitarbeiter.

Industriemechaniker von Magirus: Das war klar!

"Was ich zur Firmenübernahme sage?", fragt ein anderer Industriemechaniker, 41, zurück. Langjährige Angestellte hätten das längst kommen sehen. "Ich sehe es positiv: weg von den Italienern." Er, seit 25 Jahren bei Magirus beschäftigt, habe schon länger das Gefühl gehabt, das Turiner Unternehmen schiebe Gelder hin und her. Stellenabbau befürchtet er nicht, Lohnkürzungen vielleicht schon.

Am Iveco-Eingang, auf der anderen Seite des Geländes, scheint die Stimmung schlechter zu sein. Eine Frau aus der Lastwagen-Produktentwicklung steigt in ihren Wagen. Sie sieht schwer enttäuscht aus. "Es ist einfach traurig. Man hat uns vor Jahren befragt, was für diese Firma nötig wäre. Unsere Kollegen haben sich bemüht, es kamen viele Vorschläge. Das zu verkaufen, ist ein Tiefschlag." Iveco habe sich sehr wohl für die Fahrzeuge von Magirus interessiert, sagt sie. Den neuen, künftigen Inhaber aus München sieht sie skeptisch.

Auch bei Iveco hätten alle Mitarbeiter einen Verkauf erahnt. Wann und an wen, sei am Donnerstagmorgen aber doch eine große Überraschung gewesen, sagt ein Vorarbeiter der Produktion, 49, aus dem Autofenster heraus. "Die Stimmung ist nicht so toll, muss ich sagen. Es wird zwar alles erst einmal weiterlaufen", sagt der Vorarbeiter, "aber nicht mehr in dieser Form mit Magirus."

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