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Foto: Luca Bruno, dpa
Foto: Luca Bruno, dpa

In Italien sind europaweit die meisten Menschen mit dem Coronavirus infiziert.

Coronavirus
23.02.2020

Dritter Todesfall in Italien nach Coronavirus-Ausbruch

Nirgends in Europa sind so viele Menschen am Coronavirus erkrankt wie in Italien. Die Regierung riegelt mehrere Städte ab, um eine Ausbreitung zu verhindern.

Ungeachtet drastischer Maßnahmen zur Eindämmung ist die Zahl der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in Italien unvermindert gestiegen. Bis zum Sonntagnachmittag waren bereits mehr als 130 Sars-CoV-2-Fälle erfasst. Allein in der Lombardei waren rund 90 Infektionen nachgewiesen. Zahlreiche Veranstaltungen wurden vorsorglich abgesagt.

Inzwischen gibt es ein drittes Todesopfer. Eine ältere, vorerkrankte Frau sei gestorben, die in der Klinik von Crema in der Onkologie gelegen habe, sagte der Gesundheitsbeauftragte der Region Lombardei, Giulio Gallera, am Sonntag. Zuvor waren in Italien zwei ältere Menschen gestorben, die mit dem Virus infiziert waren: eine Person in der Lombardei und eine in Venetien.

Sprecher des Gesundheitsministeriums: "Beobachten die Lage in Italien aufmerksam"

Nach der Abriegelung einiger italienischer Städte wegen des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 hat sich die Bundesregierung mit den dortigen Behörden in Verbindung gesetzt. "Unsere Botschaft und die deutschen Konsulate in Italien stehen mit den italienischen Behörden in Kontakt für den Fall, dass die italienischen Maßnahmen Deutsche betreffen", hieß es am Sonntag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Rückkehrern aus den betroffenen Regionen in Norditalien wurde empfohlen, sich an die entsprechenden Hinweise des Robert Koch-Instituts und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf deren Internetseiten zu halten.

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Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, man habe zusammen mit dem Auswärtigen Amt die Lage im Blick. Man stehe auch im Austausch mit den europäischen Nachbarn und den Bundesländern. Auf seiner Website informiere das Ministerium Bürger, wie man sich individuell schützen könne. Der Sprecher sagte: "Wir beobachten die Lage in Italien aufmerksam. Wir stehen in ständigem Kontakt mit unseren europäischen Partnern und passen unsere Risikobewertung laufend der dynamischen Situation an. Bislang haben wir es in Deutschland geschafft, einzelne Infizierte zu isolieren und zu behandeln und so eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Das bleibt weiter unser Ziel."

Rasanter Anstieg von Coronavirus-Infektionen: In Norditalien greift Angst um sich

Beim Karneval in Venedig waren sie gerade wieder sehr präsent: die typischen Schnabelmasken, die Ärzte in Zeiten der Pest trugen, um sich zu schützen. Doch zunehmend bestimmt in Norditalien ein anderer Mundschutz das Straßenbild und eine ganz junge Seuche macht den Menschen Angst: Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 ist im Land. Wie großflächig es schon um sich gegriffen hat, lässt sich derzeit kaum absehen. 

Es ist der weitaus schlimmste bekannte Ausbruch von Sars-CoV-2 in Europa. In der stark betroffenen Stadt Codogno waren viele Straßen am Wochenende menschenleer, die Stadt wirkte wie eine italienische Miniaturausgabe der abgeriegelten chinesischen Millionenstadt Wuhan. Immer mehr Anwohner in den Regionen mit nachgewiesenen Infektionen tragen Mundschutz. Etliche Schulen und Geschäfte sind geschlossen, zig Sportveranstaltungen und andere Großevents abgesagt. Sogar der Karneval in Venedig wurde gestoppt. 

Für die Menschen Norditaliens ist die rasante Entwicklung kaum zu fassen, Angst greift um sich. Bis Mittwoch schien die Welt noch in Ordnung, nur drei Infektionen waren landesweit bekannt, alle drei wurden früh erkannt. Am Donnerstag folgte der Schock: Bei einem schwer erkrankten 38-Jährigen in einer Klinik in Codogno wurde das Virus nachgewiesen, dann bei immer mehr Menschen in seinem Umkreis. Die italienischen Behörden reagierten schnell, stellten zig Menschen unter Quarantäne, veranlassten Tests auf das Virus bei Krankenhauspersonal, Verwandten, Arbeitskollegen und Freunden. 

Doch das Virus hatte da schon längst Dutzende weitere Menschen erfasst, darunter Ärzte und Krankenschwester der Klinik in Codogno. Unterdessen wurde ein weiterer, zunächst deutlich kleinerer Ausbruch in Venetien bekannt. Dort starb in der Gemeinde Vo ein 78-Jähriger wohl an Covid-19, der vom Virus verursachten Lungenkrankheit, wie die Behörden annehmen. In der Lombardei wurde das Virus bei einer am Donnerstag verstorbenen 77-Jährigen nachgewiesen.

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Italien riegelt Städte ab, um Coronavirus-Ausbreitung zu verhindern

Am Samstagabend greift die italienische Regierung hart durch, um eine weitere Ausbreitung von Covid-19 im wirtschaftlich wichtigen Norden einzudämmen: Knapp ein Dutzend Orte in der Provinz Lodi (Lombardei) südöstlich von Mailand mit etwa 50.000 Einwohnern sowie Stadt Vo in der Provinz Padua (Venetien) mit rund 3000 Einwohnern werden abgeriegelt. "Das Betreten und Verlassen dieser Gebiete ist verboten", sagt Regierungschef Giuseppe Conte. Sicherheitskräfte würden eingesetzt. "Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein." Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe "strafrechtliche Verfolgung".

Derweil wird nach dem Ursprung der Ausbrüche gesucht. Bisher ist er vollkommen unklar. Im Unterschied zum Aufflackern von Sars-CoV-2 in Bayern mit insgesamt 14 Infizierten gibt es keinen "Patient 0", keinen bekannten Ersterkrankten. Möglicherweise brachten Touristen oder Geschäftsleute aus China das Virus irgendwann unwissentlich mit. Die Statistiker zählen in Italien rund 300.000 Chinesen, dazu kamen zuletzt jährlich 5,3 Millionen Übernachtungen aus dem Land.

Die Entwicklung in Italien zeigt ebenso wie die zunehmend kritische Situation in Südkorea, dem Iran und anderen Ländern, dass eine Pandemie, ein unaufhaltsamer weltweiter Siegeszug des Virus, wohl nicht mehr aufzuhalten ist. Noch am Freitag hatte der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewarnt, dass das Zeitfenster dafür immer kleiner werde. "Wir dürfen nicht eines Tages zurückblicken und es bereuen, dass wir von diesem Zeitfenster nicht Gebrauch gemacht haben", so Tedros Adhanom Ghebreyesus. Ist es nun zu spät?

"Eine Eindämmung in letzter Sekunde ist wohl auch mit allen verfügbaren Kräften nicht mehr erreichbar", sagte der Berliner Virologe Christian Drosten am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Das wohl auf einem Wildtiermarkt in Wuhan auf den Menschen übergesprungene Virus spielt seinen Trumpf aus: Weil die meisten Infektionen mit Sars-CoV-2 mild verlaufen, sind sie kaum erfassbar.

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Coronavirus: Es gibt - anders als bei Influenza - bisher keinen Impfstoff gegen Covid-19

Seine Eigenschaften ermöglichten Sars-CoV-2 eine unbemerkte Übertragung, erklärt Drosten. Wer nur milde oder keine Symptome hat, geht nicht zum Arzt und wird nicht getestet - kann das Virus aber auf Dutzende andere Menschen übertragen, die es wiederum in ihr Netz von Sozial- und Arbeitskontakten tragen. Nach einer Modellrechnung des Imperial College London würden geschätzt nur ein Drittel aller importierten Fälle aus China überhaupt wahrgenommen, so Drosten. "Ich glaube nicht mehr daran, dass eine Pandemie vermeidbar ist." 

In immer mehr Ländern fällt erst auf, dass das Virus längst große Kreise gezogen hat, wenn Menschen schwer erkranken oder sterben. So war es im Iran, so war es in Südkorea, so ist es nun auch in Italien. Und auch in etlichen anderen Ländern könnten längst Ausbrüche um sich greifen, von denen bisher niemand ahnt - auch in Deutschland. "Irgendwann wird es wahrscheinlich dazu kommen, dass unbemerkte Infektionen plötzlich bemerkt werden", hatte Drosten kürzlich erklärt.

In so manchem privaten Kommentar im Internet war in den vergangenen Wochen zu lesen, es werde viel zu viel Aufhebens um ein Virus gemacht, dass nur ein paar alte Leute sterben lasse, man solle die Epidemie doch einfach laufen lassen. Zum einen mag dahingestellt bleiben, ob die Schreiber solcher Bemerkungen das so auch ihren Eltern oder Großeltern sagen würden. Zum anderen gibt es gute Gründe, Ausbrüche so gut wie möglich einzudämmen. 

Erstens sei nicht genau abzuschätzen, wie die Schwere, Sterblichkeit und die Risiko-Gruppen aussähen, wenn Covid-19 große Bevölkerungsteile Deutschlands erfassen würde, erklärt Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. "Zweitens haben wir  - anders als bei Influenza  - keinen Impfstoff gegen Covid-19 zur Verfügung und werden ihn auch nicht rechtzeitig einsetzbar haben." Auch speziell auf den Kampf gegen das Virus zugeschnittene Medikamente seien nicht so rasch verfügbar.

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Das Sars-Virus wurde nach 2003 nie wieder bei Menschen nachgewiesen

Schon Mitte Februar hatte es vom Robert Koch-Institut (RKI) geheißen, Ziel in Deutschland sei es, eine Erkrankungswelle hinauszuzögern, um zu vermeiden, dass die Covid-19- und die derzeitige Grippewelle zusammenfallen. Das würde eine kaum zu stemmende Doppelbelastung von Kliniken und Praxen bedeuten. "Wir müssen mit angemessenem Aufwand versuchen, die Ausbreitung zu verlangsamen, um einen intensiven Belastungspuls auf das Gesundheitssystem abzumildern", erklärt Drosten. "Die Zahl der Infektionen sollte über eine möglichst lange Zeit ausgedehnt werden." 

Manche Experten hoffen noch darauf, dass es dem Covid-19-Erreger so ergehen könnte wie dem genetisch eng verwandten Sars-Virus: Die Epidemie mit insgesamt etwa 8000 erfassten Infektionen war nach einem bis dahin stürmischen Anstieg im Zuge strenger Gegenmaßnahmen im Frühsommer 2003 sehr rasch abgeflaut. Das Sars-Virus wurde nach 2003 nie wieder bei Menschen nachgewiesen. 

Ähnlich wie die Grippewelle könnte auch die Covid-19-Welle im Frühjahr abflauen, so eine vage Hoffnung. Von einem kompletten Verschwinden ist allerdings angesichts der schieren Zahl der Infektionen bei Covid-19 eher nicht auszugehen: Die Lungenkrankheit könne zu einer etablierten Krankheit wie die Grippe werden, hatte Wang Chen, Präsident der China Academy of Medical Science, kürzlich gesagt.

Coronavirus in Italien: Österreich und Frankreich bereiten sich auf Ausbreitung vor

Angesichts der Lage in Italien bereitet sich Frankreich auf eine Ausbreitung des Coronavirus vor. Die Lage im Nachbarland werde "aufmerksam verfolgt", sagte Gesundheitsminister Olivier Véran im Gespräch mit dem Le Parisien (Sonntag). "Eine Epidemie? Wir bereiten uns darauf vor", wurde der Minister zitiert.

Der rasche Anstieg der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in Italien wird auch von Österreichs Sicherheitsbehörden "sehr ernst" genommen. Es gebe aber "keinen Grund zur Panik", sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntag. Man sei "gut gerüstet". Auch am Montag soll ein Einsatzstab unter Beteiligung des Gesundheitsministeriums "über die Entwicklung beraten und darüber, welche neuen Maßnahmen unter Umständen zu setzen sind. Es werden auch immer wieder Lagen durchgespielt, sollte es tatsächlich einmal in Österreich einen bestätigten Fall geben".

Innerhalb einer Stunde könnten auch Grenzkontrollen "hochgefahren werden", sagte der Leiter des Bundeskriminalamts, Franz Lang. "Wenn aufgrund dieser Gefahrenlage die Grenzen geschlossen und Grenzkontrollen eingeführt werden, dann ist die spannende Frage, wie man das tut, welche gesundheitsbezogenen Maßnahmen führt man an der Grenze durch, ähnlich wie beim Flughafen zum Beispiel oder müssen wir spezifische Maßnahmen ergreifen." Das alles werde beraten. 

Beim ersten Auftreten einer oder eines Erkrankten soll die medizinische Versorgungskette mit Quarantäne gut funktionieren. Auch sollen der Reiseweg und Kontaktpersonen abgeklärt werden, um die Ausbreitungsgefahr einzuschätzen, erklärte Lang.

Coronavirus trifft koreanische Halbinsel: Zahl der Todesfälle erhöhte sich auf vier

Im südlichen österreichischen Bundesland Kärnten rieten am Sonntag der Regierungschef (Landeshauptmann) und die Gesundheitsreferentin, "nicht unbedingt notwendige Reisen in die in Italien betroffenen Gebiete zu vermeiden".

Auch auf der koreanischen Halbinsel spitzt sich die Lage zu: Nach dem Ausbruch der Lungenkrankheit haben die Gesundheitsbehörden des Landes zwei weitere Todesopfer in Verbindung mit dem Virus gemeldet. Zudem sei die Zahl der Menschen, die sich mit Sars-CoV-2 angesteckt haben, über die Nacht zum Sonntag um 123 auf 556 gestiegen, teilten die Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention mit. Der Großteil der neuen Fälle konzentriert sich erneut auf die südöstliche Millionen-Stadt Daegu und deren Umgebung. Die Zahl der Todesfälle erhöhte sich auf vier.

In China sind erneut fast 100 Menschen dem neuartigen Coronavirus zum Opfer gefallen. Die Pekinger Gesundheitskommission meldete am Sonntag 97 weitere Tote, womit die Gesamtzahl der Opfer seit Ausbruch Krankheit in China auf 2442 gestiegen ist. Die Zahl neu bestätigter Infektionen kletterte um 648 auf 76.936. (dpa)

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