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Foto: Kay Nietfeld, dpa
Foto: Kay Nietfeld, dpa

Mappe auf, Kasse leer? Finanzminister Olaf Scholz will eine gemeinsame europäische Steuer auf Aktiengeschäfte einführen. Eine Mehrheit dafür ist allerdings noch nicht in Sicht.

Steuer
17.11.2020

Scholz will mit der neuen Aktiensteuer den Sparern ans Geld

Von Rudi Wais

Mit seinen Plänen für eine europäische Aktiensteuer stößt der Finanzminister Olaf Scholz auf großen Widerstand. Ob die umstrittene Steuer je kommt, ist offen.

Auf eine Steuer, die einmal eingeführt wurde, verzichtet kein Finanzminister mehr. Mit den Einnahmen aus der Schaumweinsteuer, zum Beispiel, wollte Wilhelm II. Anfang des 20. Jahrhunderts die kaiserliche Kriegsflotte so aufrüsten, dass sie den großen Engländern Paroli bieten konnte. Daraus wurde, wie man weiß, nichts – die Sektsteuer aber gibt es bis heute.

Mit der Finanztransaktionssteuer verhält es sich genau umgekehrt. Seit fast 50 Jahren wird ihre Einführung immer wieder diskutiert und angekündigt, aber nie beschlossen. Mal sollten die Einnahmen in die Entwicklungshilfe und den Umweltschutz fließen, mal zur Finanzierung der Grundrente in Deutschland dienen und zuletzt zum Abbau der hohen Schulden, die Europa für den Kampf gegen Corona aufnimmt. Daraus wurde, wie man weiß, nichts. Eine Steuer auf Finanzgeschäfte gibt es zumindest in Deutschland bis heute nicht.

Fehlt Olaf Scholz der Mut zur Einführung der Aktiensteuer?

Zuletzt hat sich Finanzminister Olaf Scholz an ihr verhoben. Er will beim Kauf von Aktien großer Konzerne jedes Geschäft mit 0,2 Prozent des Umsatzes besteuern. Die geplanten Einnahmen von rund 1,5 Milliarden Euro in Deutschland hätten ziemlich genau die Ausgaben für die Grundrente für Geringverdiener gedeckt, die im kommenden Jahr eingeführt wird. Dann schlug Scholz vor, mit dem Geld lieber die Corona-Kredite der EU zu tilgen, und versprach, eine gemeinsame europäische Transaktionssteuer zu einem Thema für die deutsche Ratspräsidentschaft in der EU zu machen. Tatsächlich jedoch, sagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, habe der Finanzminister das Thema in Brüssel noch nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt. „Offenbar fehlt ihm dazu der Mut.“

So begeistert wie Scholz sind nämlich längst nicht alle EU-Länder von einer Börsensteuer – genauer gesagt, von den deutschen Vorschlägen dafür. Österreich, zum Beispiel, hat im Prinzip nichts gegen eine Transaktionsabgabe, will aber nicht einfach die Aktien von großen Konzernen mit ihr belegen, sondern gezielt den Hochfrequenzhandel besteuern, der mit immer gewagteren Finanzprodukten Geld in immer größeren Geschwindigkeiten um den Globus jagt und als einer der Mitverursacher der Finanzkrise gilt.

Neue Finanztransaktionssteuer: Zahlt der Sparer die Zeche?

„Eine Finanztransaktionssteuer, die de facto nur das Investieren in Unternehmen verteuert, kann nicht der richtige Weg sein“, sagt Österreichs Finanzminister Gernot Blümel. CSU-Mann Ferber sieht es ähnlich: „Bei Herrn Scholz zahlt am Ende der kleine Sparer die Zeche.“

Ob jemand sein Geld in einen Riester-Vertrag oder in vermögenswirksame Leistungen auf Fondsbasis steckt, ob ein Mitarbeiter Belegschaftsaktien nachkauft oder ein Anleger ganz privat mit einem Aktien- oder Fondssparplan fürs Alter vorsorgt: Bei jedem Kauf würde die Steuer ein kleines Stück Rendite fressen, was sich auf lange Sicht zu erheblichen Beträgen addieren kann. „Die Finanztransaktionssteuer“, sagt denn auch Christine Bortenlänger vom Deutschen Aktieninstitut, „produziert nur Verlierer.“

 

Nach den Plänen von Scholz soll die Steuer immer dann anfallen, wenn Anleger Papiere einheimischer Unternehmen kaufen, die an der Börse mehr als eine Milliarde Euro wert sind. Sie soll zunächst in zehn Ländern gelten – neben Deutschland auch in Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal, Italien, Österreich, der Slowakei, Slowenien und Griechenland. Länder, die bereits nationale Aktiensteuern eingeführt haben, diese allerdings beibehalten können. Insgesamt, schätzt CSU-Experte Ferber, könnten für EU-Europa so etwa acht Milliarden Euro an jährlichen Einnahmen zusammenkommen. Andere Berechnungen gehen je nach Ausgestaltung der Steuer von bis zu 50 Milliarden Euro pro Jahr aus.

Frankreich sitzt bei der Steuer auf Finanztransaktionen mit im Boot

Den Vorwurf, er kassiere an der falschen Stelle ab, lässt Scholz nicht gelten. Ziel der eng mit Frankreich abgestimmten Initiative bleibe eine Steuer auf alle Finanztransaktionen, betont eine Ministeriumssprecherin. Da es dafür in der EU noch keine Mehrheit gebe, sei es richtig, mit Aktien einzusteigen: „Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, dass der Aktienkauf in Deutschland anders als in Großbritannien, Frankreich oder Italien steuerfrei bleibt, während wir beim Kauf von Brot, Kleidung oder Fahrkarten Umsatzsteuer zahlen und Grunderwerbsteuer beim Immobilienkauf.“

Ob die umstrittene Steuer je kommt, und wenn ja wann, ist allerdings offen. Selbst drastische Maßnahmen haben daran bisher nichts geändert. Der französische Abgeordnete Pierre Larrouturou etwa hat einen Hungerstreik im EU-Parlament, mit dem er die Einführung der Steuer erzwingen wollte, auf Anraten seiner Ärzte nach knapp drei Wochen gerade abgebrochen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Transaktionssteuer bestraft Aktionäre

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