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Foto: Armin Weigel (Symbolbild)
Foto: Armin Weigel (Symbolbild)

Passanten stehen in Regensburg vor einem geschlossenen Geschäft: Aufgrund gestiegener Inzidenzwerte müssen aktuell 39 Landkreise beziehungsweise kreisfreie Städte in Bayern die Corona-Notbremse ziehen. Viele Ladengeschäfte mit Kundenverkehr müssen deshalb erneut schließen. Auch Teile des Allgäus sind betroffen.

Corona-Krise
16.03.2021

Markus Söder mahnt: Die Notbremse in Bayern gilt

Von Uli Bachmeier, Vanessa Polednia, Henry Stern

In Teilen des Allgäus müssen jetzt die Maßnahmen verschärft werden. Warum ein betroffener Landrat das Inzidenz–System kritisiert und wo die Zahlen noch zu hoch sind.

Die Staatsregierung wird nicht von ihrem strengen Kurs bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie abweichen. Das hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Sitzung des Kabinetts am Dienstag in München bekräftigt. Liege der Corona-Inzidenzwert in einer Stadt oder einem Landkreis über 100, dann ziehe die „Notbremse“, also die Rücknahme der Lockerungen, die bei Werten unter 100 beziehungsweise unter 50 möglich sind. „Es gibt keinen Anlass, vom System der Inzidenzen abzukehren. Dies wäre ein Blindflug mit erheblichstem Gefahrenpotenzial“, betonte Söder.

Betroffen von den strengsten Lockdown-Regelungen sind nach Angaben des Ministerpräsidenten aktuell 39 der insgesamt 96 bayerischen Landkreise und kreisfreien Städte in Bayern. Vergangene Woche waren es noch 19. In unserer Region liegen die Kreise Ostallgäu und Unterallgäu über dem Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche.

Die britische Coronavirus-Variante verbreitet sich schnell

Ursache für die erneut beschleunigte Ausbreitung der Pandemie sei die zunehmende Dominanz des britischen Virus, das nun schon für rund 60 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich sei. „Es fräst sich von Ost nach West“, sagte Söder. Schnelle Aussicht auf Erleichterung gibt es nach seinen Worten nicht. Die Werte gingen fast überall wieder hoch. Zwar räumte Söder ein, dass die Bekämpfung des Virus schwieriger werde. „Wir befinden uns in einem Wettlauf mit der Zeit und gleichzeitig in einem Wettlauf mit der Geduld der Bevölkerung.“

Eine andere Politik will er deshalb aber nicht machen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen die Strategie der Vorsicht und Umsicht an oberster Priorität schätzen“, sagte Söder und verwies unter anderem auf das jüngste Wahlergebnis in Baden-Württemberg, wo Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den gleichen Kurs verfolge. Wirklich optimistisch, so Söder, sei er erst für Pfingsten und für den Sommer. Bis dahin gelte: „Wir haben jetzt ein Konzept und an dem halten wir fest.“

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Foto: A. Moksel Gmbh
Foto: A. Moksel Gmbh

Im Buchloer Schlachtbetrieb Vion gab es einen Corona-Ausbruch.

Die Ostallgäuer bekommen dieses Konzept nun ganz konkret zu spüren: Seit einer Woche liegt der Landkreis bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von über 100. Am Dienstag lag der Wert bei 123,2. Landrätin Maria Rita Zinnecker (CSU) sagt: „Wir haben in 30 von 45 Gemeinden positive Fälle, mit einer weiter zunehmenden Tendenz.“ Zum hohen Wert hat ein Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb in Buchloe beigetragen. Nach aktuellem Stand hat das Ostallgäuer Gesundheitsamt 96 Covid-Infektionen im Betrieb nachgewiesen. 297 Kontaktpersonen sind in Quarantäne. Die Inzidenzwerte im Ostallgäu seien jedoch bereits zuvor wieder angestiegen, betont Landrätin Zinnecker: „Der Ausbruch in Buchloe zeigt mir vielmehr, dass überall wo Menschen zusammenkommen eine ständige Infektionsgefahr – trotz Hygienekonzepten am Arbeitsplatz – lauert und dies beschäftigt mich sehr.“

Inzidenzwert über 100: Im Unterallgäu gilt nun die Notbremse

Auch im Unterallgäu gilt ab Mittwoch die Notbremse. Seit Samstag liegt der Landkreis bei Werten von über 100 und momentan bei 123,2. Im Wesentlichen bedeutet die Notbremse für die betroffenen Kreise eine Ausgangssperre zwischen 22 und 5 Uhr. Treffen sind möglich mit den Angehörigen des eigenen Hausstands sowie zusätzlich einer weiteren Person. Im Einzelhandel ist „Click und Collect“ möglich. Buchhandlungen, Baumärkte, Gartencenter und auch Friseure dürfen weiter geöffnet bleiben. Nur kontaktfreier Sport unter Beachtung der Kontaktbeschränkung bleibt erlaubt, die Ausübung von Mannschaftssport ist untersagt. Museen und Kulturstätten werden wieder geschlossen.

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Der Unterallgäuer Landrat Alex Eder (Freie Wähler) nimmt zum Eintreten der verschärften Regelungen gemischte Gefühle in der Bevölkerung wahr: „Einerseits spüre ich Besorgnis, weil die Zahlen in den vergangenen beiden Wochen bei uns wieder angestiegen sind. Auf der anderen Seite nehme ich immer mehr Unverständnis über die anhaltenden Einschränkungen wahr.“ Eder hofft auf jede vertretbare Lockerung und wird deutlicher: „Meines Erachtens gehört der Inzidenzwert dringend abgelöst.“

Das Ministerium prüft eine Corona-Testpflicht für Schüler und Lehrer

Das Infektionsgeschehen im Unterallgäu sei insgesamt recht diffus. In der Ortschaft Legau sollen mehrere Familien betroffen sein und auch das Infektionsgeschehen am Schlachthof in Buchloe wirke sich auch den Nachbarlandkreis aus: Mehrere Arbeiter wohnen im Unterallgäu. Die Grund- und Mittelschule Legau befindet sich komplett im Distanzunterricht. Wie es mit den Schulen und Kindergärten im Unter- sowie Ostallgäu in der kommenden Woche weitergeht, entscheidet sich erst am Freitag, 19. März.

In der Kabinettssitzung am Dienstag waren die Schulen ebenfalls Thema. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) prüfe derzeit, inwieweit eine Testpflicht für Schüler und Lehrer möglich sei. In den zwei Wochen bis Ostern müsse jedoch zunächst die Einführung der Selbsttests an den Schulen „entsprechend eingeübt werden.“ Ziel sei eine Testung möglichst aller Lehrer und Schüler zwei Mal pro Woche. Kritik an den Tests direkt in den Schulen wies Piazolo zurück: „Weil es an der Schule stattfindet, haben wir auch die Garantie, dass es stattfindet“, erklärte er.

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Entgegen den Versicherungen aus der Staatsregierung, genügend Selbsttests beschafft zu haben, sind diese allerdings noch immer nicht in allen Schulen verfügbar. Die Versorgung der Schulen und Kitas sei „in vollem Gange“, beteuerte die Staatskanzlei erneut am Dienstag. Die Verteilung erfolge bei den Schulen über das Technische Hilfswerk (THW), bei den Kitas über die Kreisverwaltungsbehörden. Die Verteil-Zentren seien vom Freistaat bereits „ausreichend beliefert“ worden, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Piazolo lehnte zudem verbindliche Zusagen für die Schule nach Ostern als „nicht möglich“ ab: „In Corona-Zeiten sind zwei Wochen schon sehr viel.“

Schulverbände erneuerten derweil ihre Kritik am Test-Konzept und den Schulöffnungen: „Klassenzimmer sind keine Testzentren“, bemängelt der Realschullehrerverband. Die Hygiene-Regeln seien kaum einzuhalten, warnt die Lehrer-Gewerkschaft GEW.

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