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Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archivbild)

Damals noch mit Maske: So sah es vor gut einem Jahr aus, als sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit US-Präsident Joe Biden im Oval Office des Weißen Hauses traf.

USA
02.03.2023

Deutsche Ukraine-Politik wirft einen Schatten auf Scholz' Besuch in den USA

Von Karl Doemens

Offiziell lobt Washington das deutsche Engagement in der Ukraine. Doch das Zögern bei den Panzerlieferungen sorgt für Zweifel. Ein Gespräch mit Präsident Biden soll die deutsche Politik erklären.

Der amerikanische Präsident hatte vorige Woche in Warschau gerade seine Rede zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine begonnen, als Richard Grenell zum Handy griff. "Deutschland tut nicht genug, um der Ukraine zu helfen, und Joe Biden äußert nicht ein einziges Wort der Kritik", wetterte der ehemalige US-Botschafter in Berlin. Das Deutschland-Bashing gehört für Donald Trumps pöbelnden Möchtegern-Außenminister zum penetranten Eigenmarketing. Doch auch seriöse Gesprächspartner in Washington kommentieren die Rolle der Bundesregierung im Ukraine-Krieg derzeit eher verhalten. "Deutschland hat sich wirklich gesteigert", lobte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsberaters zwar Anfang der Woche. Zuvor aber hatte sein Chef Jake Sullivan in einem Interview ziemlich undiplomatisch geschildert, wie sehr sich Berlin bei der Entscheidung über die Leopard-Panzer gewunden habe. Die Washington Post kommentierte angesichts der deutschen "Verzögerung": "Ohne Führung aus Washington passiert nicht viel."

Eigene Entschlossenheit und transatlantische Geschlossenheit zu demonstrieren – das dürfte ein wichtiges Ziel des bevorstehenden Besuches von Olaf Scholz (SPD) in Washington sein. Gerade mal für eine Nacht und einen Tag fliegt der Kanzler am Donnerstag in die amerikanische Hauptstadt. Das Programm wirkt extrem schlank. Ein auf knapp zwei Stunden angesetztes Gespräch mit Präsident Joe Biden am Freitagmittag im Weißen Haus soll im Zentrum stehen. 

Das Gespräch wird sich in erster Linie um den Ukraine-Krieg drehen

"Auch wenn das Protokoll und das Drumherum ein bisschen bescheidener ausfällt, ist das ein sehr wichtiger Moment für die USA und Deutschland, ihre Positionen und Herangehensweise in der Ukraine abzustimmen", urteilt Jeff Rathke. Der Präsident des American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) nennt im Gespräch mit unserer Redaktion eine ganze Reihe drängender Fragen: "Wie stellen wir sicher, dass die Ukraine in den kommenden Wochen und Monaten schnell und genug Gerät bekommt? Wie können wir mit Sanktionen und anderen Maßnahmen dafür sorgen, dass Russland nicht in der Lage ist, diesen Krieg auf Dauer zu führen? Und: Wie können wir die Bedingungen schaffen, die Russland zu ernsthaften Gesprächen und zur Beendigung dieser Aggression bringen?" 

Dass Biden und Scholz unter vier Augen sprechen wollen, wie in Berlin zu hören ist, unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Begegnung. Vordringlich, sagt die Politikwissenschaftlerin Liana Fix, sei nun die Sicherung des Munitions-Nachschubes für die Ukraine. Politisch gehe es zudem um die klare Botschaft, "dass der russische Präsident sich keine Hoffnung auf ein Nachlassen der westlichen Unterstützung für die Ukraine machen soll". 

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Foto: Nicolas Armer, dpa
Foto: Nicolas Armer, dpa

Ein Panzer des Typs M1 Abrams der US Army. Der ärger darüber, dass Kanzler Scholz Washington gedrängt hatte, diese Waffe in die Ukraine zu liefern, ist in den USA nicht verraucht.

Doch die Begegnung der beiden wichtigen Verbündeten wird von einem Misston überlagert. Am Sonntag hat Sicherheitsberater Sullivan in einem Fernsehinterview noch einmal detailliert geschildert, wie es zur Entscheidung über die Lieferung deutscher und amerikanischer Panzer in die Ukraine kam. Eigentlich habe Präsident Biden die amerikanischen Abrams-Panzer nicht bereitstellen wollen, da sie "nicht das Gerät sind, dass sie (die Ukrainer, d. Red.) brauchen". Kanzler Scholz habe aber erklärt, dass er die dringend benötigten deutschen Leopard-Panzer nicht im Alleingang liefern werde. Also habe Biden entschieden: "Okay, ich bin der Anführer der freien Welt. Ich schicke in Zukunft die Abrams, und Ihr schickt jetzt die Leoparden." 

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Jeff Rathke, der in seinem früheren Leben als Diplomat gearbeitet hat, sieht die Sache pragmatisch. "Es sollte niemand überraschen, dass zwei Bündnispartner, die beide eine sehr große Rolle bei der Unterstützung der Ukraine spielen, manchmal Zeit brauchen, um ihre Positionen zu koordinieren." Entscheidend sei, dass man zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen sei. Rathke weist darauf hin, dass Sullivan ausdrücklich gefragt worden sei, weshalb die amerikanischen Abrams-Panzer nicht schneller geliefert würden. Darin schwinge eine inneramerikanische Kritik mit." Ich bin mir nicht sicher, dass das Interview als Botschaft an die deutsche Regierung gedacht war", sagt Rathke deshalb. 

Oft wird vergessen, dass Joe Biden innenpolitisch wegen des Krieges unter Druck steht

Tatsächlich wird oft übersehen, dass auch Biden innenpolitisch wegen des Ukraine-Krieges unter Druck steht. Der Anteil der Amerikaner, die die Militärhilfen unterstützen, ist laut Umfragen innerhalb eines Jahres auf rund 50 Prozent gefallen. Während die Falken bei den Republikanern die angebliche Zögerlichkeit des Präsidenten anprangern und die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine fordern, lehnt der Trump-Flügel der Republikaner die Hilfen Land komplett ab, und Trump selber warnt vor einem "Dritten Weltkrieg". 

In der Opposition in Berlin versucht man unterdessen, den Druck auf Scholz hochzuhalten. „Es ist gut, dass die Bundesregierung in den USA präsent ist“, sagt der CSU-Politiker Thomas Silberhorn. „Aber der Kanzler muss auch kommunizieren und vor allem liefern.“ Das betreffe die Unterstützung der Ukraine, die Ausrüstung der Bundeswehr und auch die zivile Widerstandsfähigkeit, etwa die Sicherung kritischer Infrastruktur. „Die USA setzen darauf, dass Deutschland eine Führungsrolle in Europa wahrnimmt“, sagt Silberhorn unserer Redaktion. Diese Erwartung habe der Bundeskanzler mit seiner Rede zur Zeitenwende selbst genährt. „Der Streit um Panzerlieferungen für die Ukraine hat nun gezeigt, dass Scholz gar nicht führen will. Das ist nicht klug und nicht genug“, sagt der Staatssekretär im Verteidigungsministerium. „Wir müssen in der EU aus eigener Kraft verteidigungsfähig werden, dann sind wir auch ein relevanter Partner in der Nato.“

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