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Foto: Marijan Murat, dpa
Foto: Marijan Murat, dpa

Anfang 2023 hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Rüstungsfirma Hensoldt in Ulm besucht. Firmen-Chef Thomas Müller (links) zeigte ihm die Innovationen des Unternehmens.

Hensoldt
27.03.2024

Rüstungsfirma Hensoldt: Der kantige Manager Thomas Müller geht

Von Stefan Stahl

Plus Thomas Müller hat das Verteidigungselektronik-Unternehmen Hensoldt zum Erfolg geführt. Der Aktienkurs und die Zahl der Beschäftigten steigen zu immer neuen Höhen.

Der Zusammenhang ist eindeutig: Während Russlands Machthaber Wladimir Putin immer neue Drohungen in Richtung Deutschland und anderer Ukraine-Unterstützer sendet, sind die Aktienkurse heimischer Rüstungsunternehmen mächtig in die Höhe geschossen. Ob Rheinmetall, Renk oder Hensoldt, die Papiere der Firmen wecken Fantasien. Je stärker die Bedrohungslage wächst, desto rascher füllen sich die Auftragsbücher der seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine plötzlich mit Wohlwollen betrachteten Firmen. Wurden Rüstungsanbieter einst gemieden, stehen sie heute wie der Verteidigungselektronik-Spezialist Hensoldt aus Taufkirchen bei München im Vordergrund. Allein rund 3000 der insgesamt etwa 7000 Beschäftigten sind am größten deutschen Standort in Ulm tätig.

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Das Werk mit wachsender Beschäftigtenzahl ist die Radarhochburg des Unternehmens. Der Standort hat sich wie der gesamte Konzern gut entwickelt, seit Airbus 2017 seine Verteidigungselektronik-Sparte verkaufte und so die Entstehung von Hensoldt ermöglichte. Firmen-Chef Thomas Müller führte das Unternehmen seitdem nach oben. „Das macht mich stolz“, sagt der 64-Jährige, der zum 1. April in den Ruhestand geht. Er ist ein kantiger Typ, der Dinge klar ausspricht und schon einmal von einem vorbereiteten Redemanuskript abweicht. Im April vergangenen Jahres warnte er davor, Russland zu unterschätzen, und verwies in Bezug auf Putin darauf: „Die Russen sind lernfähig, und sie lernen gerade.“ Der Manager sollte recht behalten, was den weiteren Verlauf des Krieges der Mächtigen in Moskau gegen die Ukraine betrifft. 

Kurz vor seinem Ausscheiden aus der Hensoldt-Spitze spricht Müller die Hoffnung aus, aus dem Kalten Krieg möge kein heißer werden. Das unter seiner Ägide in den M-Dax, also die zweite deutsche Börsenliga, aufgestiegene Unternehmen sieht er jedenfalls für die Herausforderungen gut gerüstet, hätten die Verantwortlichen doch schon vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine gelernt „zu skalieren“, also Voraussetzungen zu schaffen, dass die Produktion schnell hochgefahren werden kann. Diese Fähigkeit erwies sich für die bedrängten Ukrainer als Segen, schließlich konnte der Sensor-Spezialist Hensoldt „in Rekordzeit“ Hochleistungsradare liefern, die in das Luftverteidigungssystem vom Typ „IRIS-T SLM“ von Diehl Defence eingebaut werden und in der Ukraine zum Einsatz kommen. Das Hensoldt-Verfahren ist für Müller äußerst wirkungsvoll und „lasse in der Ukraine fast nichts ins Ziel kommen“. Die Technologie aus Süddeutschland rettet Menschenleben.

Sonderschichten bei Hensoldt in Ulm

Beschäftigte in Ulm, darunter manche mit Bundeswehr-Vergangenheit, haben Sonderschichten eingelegt, damit die Radare für die Abwehrwaffen rechtzeitig für die Ukraine fertig wurden. Der Einsatz der Mitarbeiter macht wiederum Müllers Nachfolger Oliver Dörre „stolz“, der sich bei einem Besuch in Ulm von dem besonderen Engagement der Hensoldtianer überzeugt hat. Der 54-Jährige diente von 1988 bis 2010 bei der Bundeswehr als Generalstabsoffizier der Luftwaffe, zuletzt als Grundsatzreferent und stellvertretender Referatsleiter in der Planungsabteilung des Verteidigungsministeriums. Er weiß damit, wie der wichtigste Auftraggeber von Hensoldt tickt, wobei er als Informatiker zusätzliche Akzente setzen wird, wenn es um die weitere Digitalisierung der Firma geht. Der Vater des Müller-Nachfolgers ist übrigens eine Legende in Essen. Hans („Hansi“) Dörre spielte im Mittelfeld von Rot-Weiss Essen und erwarb sich dort als „unermüdlicher Kämpfer“ Anerkennung. 

Oliver Dörre sieht sich als Hensoldt-Chef einer ernsten sicherheitspolitischen Situation gegenüber: „In den geopolitischen Konflikten unserer Zeit wird es vor allem um Informationsüberlegenheit gehen.“ Seiner Ansicht nach werden dabei innovative Sensorlösungen einen entscheidenden Unterschied ausmachen. Der Manager sagte: „Das sehen wir leider tagtäglich in dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. “ So kündigte er an, Hensoldt werde Fähigkeiten wie intelligente Sensoren und elektronische Kampfführung ausbauen. Hier sieht Dörre ein großes Potenzial für weiteres Wachstum. Unter Müller hat die Firma ein rasantes Expansions-Tempo hingelegt: So ist der Umsatz im vergangenen Jahr von 1,71 auf 1,85 Milliarden Euro gestiegen. Die Order-Bücher sind prall gefüllt.

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