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Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner

Fast vier Jahre lang suchten Karina und Michael Winter nach einem Haus in Augsburg und Umgebung. Schließlich fanden sie in Wehringen ein bezahlbares Haus mit Garten.

Lesetipp
10.03.2022

Aus der Traum? Über die schwierige Suche nach dem Eigenheim

Von Fabian Kluge

Plus Michael und Karina Winter wollten nie raus aus Augsburg. Vier Jahre suchen sie nach einem Haus, vergeblich. Nun wohnen sie auf dem Land – und sind um einige Erfahrungen reicher.

Der Schlot wirft in der Abendsonne einen Schatten auf die dunklen Ziegel. Der noch kahle Birnbaum im Garten wird bereits in wenigen Wochen blühen. Bis auf die Autokennzeichen deutet in der ruhigen 3000-Seelen-Gemeinde Wehringen im Landkreis Augsburg nichts darauf hin, dass rund 15 Kilometer nördlich die Grenzen Augsburgs liegen – jener Großstadt, in der Karina und Michael Winter mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn Paul noch bis Dezember wohnten. Vier Jahre hat die Familie nach einem neuen, passenden Eigenheim gesucht. Die Preise stiegen, die Ansprüche sanken, Hoffnung wich der Enttäuschung. An diesem Wintertag wollen sie von ihren Erlebnissen erzählen. Von der zermürbenden Suche nach einem bezahlbaren Haus – und dem Glück, sich diesen Traum am Ende doch erfüllen zu können.

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Eigentlich wollten die Winters nie raus aus der Stadt. Sie wohnten auf 90 Quadratmetern in einer 3,5-Zimmer-Wohnung im Augsburger Stadtteil Pfersee, Zweifamilienhaus, ruhige Wohngegend. Mit dem Nachwuchs sollte es jedoch ein Eigenheim sein. Die beiden sind Eltern eines Kindes, im Sommer kommt das zweite zur Welt. Die Suche begann vor rund vier Jahren. Wie viele Häuser die Winters angesehen haben, können sie nicht mehr sicher sagen. 25 vielleicht? 30? Über die bekannten Immobilien-Plattformen im Internet haben es die 35- und der 40-Jährige ebenso versucht wie über Zeitungsannoncen. Gemeldet hätten sich vor allem ältere Personen oder Ehepaare, die sich verkleinern wollten, erzählen sie. Und so folgte Bewerbung auf Bewerbung, Besichtigung auf Besichtigung, Absage auf Absage.

Ein besonders eindrückliches Erlebnis hatte die Familie in Friedberg: "Der ganze Kaufprozess zog sich schon über acht Monate. Es gab diverse Besichtigungen, wir hatten alle Unterlagen zusammen, die Finanzierung stand", erinnert sich Michael Winter, Kurzhaarfrisur, Brille und grauer Sweater. Am Tag vor dem Notartermin rief der Familienvater, der als Lehrer arbeitet, noch einmal beim Eigentümer an. "Der druckste plötzlich herum und wollte schließlich 150.000 Euro mehr als vereinbart." Die Familie konnte sich das nicht mehr leisten. Doppelt bitter: Den Winters ging nicht nur wertvolle Zeit bei der Haussuche verloren – die Immobilien wurden gleichzeitig immer teurer. "Die Häuserpreise stiegen pro Jahr um fünf Prozent", sagt Michael Winter.

Immobilien-Expertin: "Wohnen ist ein Grundrecht, kein Luxus"

Diese Steigerungsraten kennt Beatrix Zurek nur zu gut. Zurek ist Vorsitzende des Deutschen Mieterbunds Bayern. Sie sagt: "Wir erleben in den vergangenen Jahren Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich – insbesondere bei Einfamilienhäusern." Sebastian Wunsch vom Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung Gewos spricht sogar fast von einer Verdopplung der Kaufpreise für Häuser in den vergangenen zehn Jahren. Zurek beobachte insgesamt eine ungesunde Entwicklung am Wohnungsmarkt. Die Politik müsse deshalb unbedingt regulativ eingreifen, fordert sie. "Wohnen ist ein Grundrecht, kein Luxus", sagt Zurek. Dennoch sei es vermehrt so, dass sich eine kleine Gruppe alles leisten, die Mittelschicht aber nicht einmal eine Vergrößerung der Wohnfläche stemmen könne.

Eine Erfahrung, die auch Michael und Karina Winter machen mussten. Aus dem Wunschtraum – bezahlbares Einfamilienhaus in der Stadt mit Garten – erwachten sie schnell. Und so suchten sie auch in Bobingen und Bonstetten, in Rehling und Mühlhausen, in Friedberg und Fischach. Ähnlich vielseitig wie die geografische Lage war der Zustand der einzelnen Häuser: "Von sanierungsbedürftig bis bezugsfertig war alles dabei", sagt Karina Winter, die ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden trägt. Doch entweder scheiterte es an den Wünschen der Winters oder am Preis – so wie im Augsburger Stadtteil Haunstetten, als eine Immobilie, die für 520.000 Euro ausgeschrieben war, letztlich in einem Bieterverfahren für 610.000 Euro den Eigentümer wechselte. Auch von der Hoffnung, die Immobilienpreise würden in der Corona-Pandemie sinken, musste sich die junge Familie bald verabschieden.

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Immobilienpreise: Augsburg wird zum Klub, dem man nicht mehr angehört

Dass Corona die lang ersehnte Entspannung auf dem Immobilienmarkt nicht brachte, hat gleich mehrere Gründe, erklärt Bayerns Mieterbund-Vorsitzende Zurek: "Durch Kurzarbeit und Homeoffice-Pflicht konnten Arbeitsplätze gesichert werden, zudem sind die Rohstoffpreise gestiegen." Stattdessen hätten sich die Suchkriterien der Menschen geändert, berichtet Stephan Kippes, Geschäftsführer des Immobilienverbands Süd. "Im Lockdown haben die Menschen erkannt, welche Vorzüge Garten oder Balkon haben. Wir beobachten außerdem eine Verlagerung ins Umland der Städte. Wenn Homeoffice auch nach Corona möglich ist, kann man überall wohnen." Dass es auch in Augsburg mittlerweile schwierig ist, bezahlbaren Wohnraum zu finden, überrascht Kippes nicht. Schuld sei der sogenannte Ripple-Effekt: "Die Menschen in München finden dort nichts mehr und drängen weiter ins Umland – unter anderem nach Augsburg." Dadurch ziehen die Preise in Augsburg an und die Augsburgerinnen und Augsburger weichen wiederum weiter raus aufs Land.

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So wie die Winters nach Wehringen. Als Klub, dem man nicht mehr angehört, bezeichnet die Familie Augsburg. Dennoch: Sehr erleichtert und sehr dankbar waren sie letztlich, als es nach vier langen Jahren mit dem Haus südlich von Augsburg geklappt hat – zumal die Familie andere Optionen als einen Hauskauf nicht ernsthaft in Erwägung zog. Selbst bauen? Zu teuer. Fertighaus? Zu viele Bewerberinnen und Bewerber auf ein Grundstück. Weiter zur Miete wohnen? "Was soll man dann den Kindern hinterlassen? Dann habe ich 30 Jahre Miete gezahlt, gewohnt, aber habe nichts", sagt Michael Winter und zieht dabei seine Augenbrauen nach oben. Also wohnen Karina, Michael und Paul nun auf 150 Quadratmetern über zwei Etagen in dem Einfamilienhaus aus den 70er-Jahren. Zu dem rund 800 Quadratmeter großen Grundstück gehört auch eine Garage und ein Garten. "Und die Nachbarschaft ist toll", sagt Karina Winter.

Immobilienexperte: Haus für viele nur durch Schenkung oder Erbschaft realistisch

Wenn alles normal läuft, werden die Winters etwa 30 Jahre ihre Immobilie abbezahlen. Lohnt sich da überhaupt noch ein Kauf für junge Paare oder junge Familien? "Eigentum ist nicht für alle die Antwort", sagt Beatrix Zurek vom Deutschen Mieterbund Bayern. Sie ist skeptisch, ob der Traum vom Eigenheim überhaupt noch ein Traum vieler ist. Wenn weiterhin auf Einfamilienparzellen gesetzt würde, gebe es auf Dauer keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. Stephan Kippes vom Immobilienverband sieht die Situation weniger aussichtslos. "Wenn man Mitte 30 ist, eine sichere Arbeitsplatzsituation hat und etwas flexibel ist, sollte ein Kauf schon möglich sein", sagt er. Zwar befänden wir uns weiterhin in einer Boomphase mit hohen Preisen, dafür seien die Zinsen noch immer niedrig. Kippes empfiehlt ein langfristiges Finanzierungsmodell mit stabilen Zinsen.

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Sebastian Wunsch vom Gewos-Institut sieht gleich mehrere Probleme für junge Paare und Familien: Nur etwa zehn Prozent der Mieterinnen- und Mieterhaushalte verfügen laut dem Experten über genügend Rücklagen, um überhaupt den Eigenkapitalanteil bei einem Hauskauf aufwenden zu können. "Das ist ein Riesenproblem. Für viele wird ein Haus damit nur noch durch eine Schenkung oder eine Erbschaft möglich." Zudem seien die Deutschen sehr sicherheitsbedacht und gehen ungern ins finanzielle Risiko. Eine pauschale Empfehlung für junge Paare und Familien sei schwierig. Es gehe dabei auch um Fragen wie "Will ich mich dauerhaft einschränken für den Traum vom Eigenheim?"

Auch für die Winters schien der Traum vom Eigenheim zur Träumerei zu werden. Im Dezember erfüllte er sich dann doch noch. Was Karina und Michael anderen Suchenden raten? "Über Zeitungsannoncen suchen, Ansprüche runterschrauben – nicht jeder Wunsch lässt sich erfüllen –, durchhalten und keine Panikkäufe. Da hätten wir einige tätigen können."

Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast über Wohnungsnot in Augsburg an:

Ursula Fusco leitet das städtische Wohnbüro

Augsburg, meine Stadt

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