Aufstand der Basis - Sorge um die Entwicklung der Freien Wähler
Kommunalpolitiker im Unterallgäu sind besorgt über die Entwicklung der Freien Wähler. Scharfe Kritik üben sie an Landeschef Hubert Aiwanger. Doch der kontert.
Der Unmut in Reihen der Freien Wähler (FW) ist groß. Führende Kommunalpolitiker im Unterallgäu sehen die Entwicklung der Gruppierung mit Sorge und raten mit Nachdruck zu einer Rückbesinnung auf die ureigene Identität. Die „Uridee“ der Freien Wähler, sachbezogen und unabhängig Politik zu machen, werde durch die aktuelle Situation gefährdet, sagt der Unterallgäuer Landrat Hans-Joachim Weirather.
Otto Weikmann, Peter Senner und Reinhold Bäßler sind in Weirathers Büro im Landratsamt in Mindelheim zusammengekommen, um ihrem Ärger Luft zu machen. „Wir müssen für die Marke Freie Wähler kämpfen“, sagt der Landrat. Eine Kurskorrektur sei zwingend nötig. Doch was ist es, was die Kommunalpolitiker derart umtreibt? Viele an der Basis hätten kein Verständnis dafür, dass die Gruppierung mehr und mehr als Partei wahrgenommen werde, sagen sie. „Das schadet uns und macht es zunehmend schwerer, Leute für die Kommunalpolitik zu begeistern und geeignete Listenkandidaten für die Wahlen zu finden“, betont der Unterallgäuer FW-Kreisvorsitzende Reinhold Bäßler.
Die Misere habe bereits 1997 mit der knappen Entscheidung, für den Bayerischen Landtag anzutreten, begonnen. Die Kandidaturen bei der Bundestags- und Europawahl hätten die Lage weiter zugespitzt. „Die Freien Wähler haben in Europa und im Bund nichts zu suchen“, sagt Otto Weikmann, seit 30 Jahren Kreisrat und seit 19 Jahren Stadtrat in Mindelheim. Auch die Freien Wähler in Baden-Württemberg würden nicht für Landtag, Bundestag und Europa kandidieren und seien gut damit gefahren. „Wir sind keine Partei und wollen auch keine werden“, sagt Peter Senner (Türkheim). Die Freien Wähler seien sachorientiert auf der kommunalen Ebene unterwegs, so Bäßler. Und es gebe auch keinen logischen Grund, im Landtag zu sein, ergänzt Senner. „Vielleicht haben wir uns nicht rechtzeitig und vehement genug dagegen gestemmt.“
Kritik an Hubert Aiwanger
Ihre Kritik richtet sich vor allem an den Bundes- und Landesvorsitzenden Hubert Aiwanger. Es sei ein grober Fehler gewesen, die Freien Wähler in eine Bundestagskandidatur zu schicken. Aiwanger müsse „endlich kapieren“, sagt Weirather, „dass das keinen Sinn macht“. Die Unterallgäuer Kommunalpolitiker fordern deshalb einen Verzicht bei der Bundestagswahl 2017 und der Europawahl 2019. Senner legt nach: „Ja, wir fordern Aiwanger auf, die 42 000 Mitglieder der Freien Wähler in Bayern darüber abstimmen zu lassen.“ Mit dem Vorstoß soll eine Diskussion an der Basis angestoßen werden, auch wenn es, wie Weirather meint, „schmerzhaft“ ist.
Auch Aiwanger selbst wird heftig attackiert. Die Freien Wähler würden zunehmend auf die Person ihres Vorsitzenden reduziert. Schon zu viele Politiker hätten sich dem Populismus verschrieben, sagt der Landrat. „Da brauche ich keinen Hubert Aiwanger.“ Die Freien Wähler würden inzwischen unter den „selbstdarstellerischen Auftritten“ ihres Landesvorsitzenden leiden, betont Weikmann.
Aiwanger sieht die Kritik gelassen und spricht von einer „alten Debatte“. Die Freien Wähler müssten auf allen Ebenen antreten, „um ein durchgängiges Politikangebot zu haben“. Derzeit sind sie mit 19 Abgeordneten im Bayerischen Landtag vertreten und stellen mit der Allgäuerin Ulrike Müller ein Mitglied im Europäischen Parlament. Bei der Bundestagswahl 2013 kamen sie auf ein Prozent der Stimmen. Aiwanger ist überzeugt: „Die Alternative für Deutschland wäre schon heute im Bundestag, wenn die Freien Wähler nicht kandidiert hätten.“ Die AfD war 2013 mit 4,8 Prozent der Stimmen knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Für Aiwanger, der auch Fraktionschef im Landtag ist, steht fest: „Wir dürfen uns auch bei kommenden Wahlen nicht in die Büsche schlagen.“
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