Der Horror hat seinen Preis
Guillermo del Toro, Spezialist fürs eher blutige Genre, gewinnt den Goldenen Löwen beim Festival in Venedig. Was das für den mexikanischen Regisseur bedeuten könnte
Es war nicht die übliche Dankesrede, mit der Guillermo Del Toro seinen Goldenen Löwen in Empfang nahm. „Ich bin 52 Jahre alt, wiege 300 Pfund und habe zehn Filme gemacht“, stellte sich der Mexikaner dem Galapublikum am Ende der Preisverleihung vor, als müsse er sich erklären. Zwar ist sein Name in der Filmwelt alles andere als unbekannt, dennoch erscheint es für den Regisseur von Filmen wie „Mimic – Angriff der Killerinsekten“, „Hellboy“ oder „Blade II“ ein weiter Weg zu sein von den Niederungen des Genre- und Monsterfilms bis zu den Weihen eines Filmfestivals wie dem in Venedig.
„The Shape of Water“, der Film, für den Del Toro nun die höchste Auszeichnung der 74. Ausgabe der „Mostra“ bekam, ist ein Leidenschaftsprojekt, für dessen Realisierung der Regisseur, der vielen als „König der Nerds“ gilt, zehn Jahre lang gekämpft hat. Mit einer kühnen Mischung aus Horror- und Märchenelementen erzählt Del Toro darin von einer stummen Putzfrau in den späten 50er Jahren, die in den geheimen Laboren des amerikanischen Geheimdiensts einen Amphibienmann entdeckt und sich in ihn verliebt.
Der Film kommt als nostalgische Hommage an alte Genrefilme und zugleich eine Parabel auf den Umgang mit dem Fremden daher. Obwohl nicht ganz der Stoff des typischen „Kunstfilms“, den man auf Festivals so gewöhnt ist, wurde „The Shape of Water“ bei seiner Premiere auf dem Lido von Publikum und Kritik gleichermaßen bejubelt. Dass sich nun die Jury unter dem Vorsitz der amerikanischen Schauspielerin Annette Bening der Begeisterung anschloss, erfüllte Del Toro mit sichtlichem Stolz: er sei der erste Mexikaner, der diesen Preis erhalte. Für Del Toro könnte der Goldene Löwe außerdem den Beginn einer ganzen Erfolgsreihe markieren: Schließlich gelang seinen beiden Landsleuten Alfonso Cuaròn („Gravity“) und Alejandro Iñárritu („Birdman“) in den vergangenen Jahren vom Festival in Venedig aus der erfolgreiche Oscar-Kampagnen-Start – und das sogar ohne Goldenen Löwen in der Tasche.
Nicht nur beim Hauptpreis folgte die Jury in Venedig in diesem Jahr sehr nah dem Geschmack der Festivalbesucher. Auch den zweithöchsten Preis des Festivals, den Grand Prix, verlieh sie an einen Publikumsliebling, den israelischen Film „Foxtrot“ von Samuel Maoz. Darin muss ein Vater den Tod seines bei der Armee dienenden Sohns verkraften. Für die Trauer und das Nicht-fassen-Können findet Maoz Szenen, die in ihrer verspielten Überhöhung dem Spektrum an widersprüchlichen Gefühlen Ausdruck verleihen – und zwischendurch sogar schreiend komisch sind.
Bei den übrigen Hauptpreisen dominierte wieder der Ernst: So sieht man Charlotte Rampling in Andrea Pallaoros „Hannah“, für den sie die Coppa Volpi, den Darstellerpreis bekam, kein einziges Mal lachen. Ein fast regungsloses Gesicht ist auch das Markenzeichen des zum besten Darsteller gekürten Palästinensers Kamel El Basha im libanesischen Film „The Insult“. Der Film erzählt vom eskalierenden Streit zwischen zwei stolzen Männern und den noch nicht verheilten Wunden des Bürgerkriegs im Libanon. Barbara Schweizerhof, epd
Die Diskussion ist geschlossen.